Kapitel 4 - Mara

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Verwundert sah ich aus meinem Fenster, als es innerhalb von Sekunden urplötzlich dunkler wurde und ich das Buch über Deutschland aus der Hand legen musste.

„Wie zum Teufel?", stieß ich hervor und beobachtete die dunkle Wolkenwand, die sich über dem Wald aufzutürmen begann. Ich hatte noch nie erlebt, dass sich ein Unwetter so schnell zusammenbraute. Na ja, aber solange sich niemand draußen aufhielt, konnte es wüten wie es wollte. Ich schnappte mir mein Buch und kletterte in die kleine aber gemütliche Fensternische. Anders als andere Kinder hatte ich noch nie Angst vor Unwettern gehabt. Ganz im Gegenteil. Ich hatte wie jetzt am Fenster gesessen und fasziniert das Naturschauspiel betrachtet, während mein kleiner Bruder sich bei unseren Eltern verkrochen hatte. Ich schmunzelte.

Innerhalb von Minuten bedeckten die Wolken den Himmel, Regentropfen prasselten gegen die Scheibe und die Äste der Bäume bogen sich im Wind. Jetzt fehlten eigentlich nur noch eine Tasse Tee und meine Kuscheldecke. Ich wollte gerade aufstehen, um mir wenigstens die Decke zu holen, als mein Blick auf eine schemenhafte Gestalt auf dem Campusgelände fiel. Angestrengt kniff ich die Augen zusammen und versuchte durch den Regen etwas zu erkennen, doch es war zu dunkel. Von der Statur her könnte es sich um Helen handeln oder die Direktorin. Was bitte hatten die bei diesem Wetter dort draußen zu suchen? Da zuckte ein Blitz und zum ersten Mal schrak ich auf Grund dessen zusammen. Für den Bruchteil einer Sekunde war der Campus in gleißendes Licht getaucht und ich sah wie die Gestalt in Richtung Bibliothek huschte. Von meinem Fenster aus hatte ich einen guten Blick auf das Gebäude. In meinem Kopf ratterte es, doch meine Gedanken setzten schlagartig aus, als ein krachender Donner die Mauern der Akademie zum Beben brachte. Zumindest kam es mir so vor.

Wie ein Kugelfeuer trommelte der Regen inzwischen an das Fenster, während der Sturm am Efeu der Mauer zerrte. Der nächste Blitz erhellte den Himmel, ich kniff die Augen zusammen, fixierte die Treppe der Bibliothek und entdeckte die Gestalt am Fußende. Und dann stockte mir der Atem.

„Oh Gott", hauchte ich entsetzt, sprang von meinem Platz, griff im Laufen nach meiner Regenjacke, auch wenn die bei dem Wetter wahrscheinlich nichts bringen würde und rannte so schnell mich meine Beine trugen die große Treppe zum Haupteingang hinunter. Kaum hatte ich die Klinge heruntergedrückt, drückte eine Sturmböe die Tür mit solcher Wucht auf, sodass ich zurückstolperte und beinahe hinfiel. Kalter Regen peitschte mir ins Gesicht und die Wucht des Windes raubte mir den Atem. Ich wusste, ich würde die Tür niemals zubekommen, also ließ ich es bleiben, auch wenn nachher die Eingangshalle unter Wasser stehen würde. Schritt für Schritt kämpfte ich mich voran, geriet immer wieder aus dem Gleichgewicht, während meine Hose nach wenigen Minuten komplett durchnässt war. Äste, Blätter und alles, was nicht niet- und nagelfest war, wirbelten durch die Luft, etwas erwischte mich an der Schulter und ich taumelte, während Adrenalin durch meine Adern pumpte.

„Nicht aufgeben, Mara", redete ich mir gut zu und verstand mein eigenes Wort nicht, denn der Wind trug es fort, sobald es meine Lippen verlassen hatte.

Nach gefühlten Stunden erreichte ich die Bibliothek und biss mir auf die Lippe. Keuchend holte ich Luft, versuchte meinen rasenden Puls zu beruhigen und wischte mir über das nasse Gesicht. Dann nährte ich mich der Treppe. Die eine Statue war durch die orkanartigen Böen von ihrem Sockel gerissen worden und hatte – ich beugte mich über die am Boden liegende Person – Helen unter sich begraben!

„Oh, verflucht", flüsterte ich. Steinbrocken lagen auf dem matschigen Boden verteilt und das Bein von Hannahs Mutter schien unter dem Gestein eingeklemmt zu sein. Sie war ohnmächtig und aus einer Platzwunde an ihrer Stirn quoll Blut, das jedoch vom Regen wegespült wurde. Das Krachen eines Donners ließ mich zusammenfahren. Ich musste Hilfe holen!

Wankend richtete ich mich auf und rannte los, hielt den Kopf gegen den prasselnden Regen gesenkt, stemmte mich gegen den Sturm. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit und als ich endlich Direktorin Freys Haus erreicht hatte, war ich nicht nur vom Regen durchnässt, sondern auch schweißgebadet. Meine Beine fühlten sich an, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen.

Academy for Elementarys 2 - Vernichtender KampfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt