Kapitel 36 - Hannah

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Ich fiel.

Raste mit ungeheurer Geschwindigkeit dem Asphalt der Straße entgegen. Der kalte Nachtwind zerrte an meinen Haaren, meiner Kleidung, meinem ganzen Körper. Ich schrie nicht, verspürte keine Angst. Nein ... ich war fasziniert. Was, wenn ich jetzt einfach nichts tat? Wenn ich mich einfach weiter fallen ließ. Würde es wehtun? Wie stark wäre der Aufprall?

HANNAH!

Ich zuckte, während Ravens Stimme wie ein Pistolenschuss durch meinen Kopf pulsierte.

Die Phiole!

Ach, richtig. Ich streckte die Arme aus. Der Boden kam näher. Ich konnte die Autos erkennen, die über London berühmteste Brücke fuhren. Blinkende Lichter in der Ferne.

Ich konzentrierte meine Magie auf die Luft um mich herum, verfestigte sie, sodass sie mir Halt gab und mit einem leichten Ruck stoppte mein Fall. Mein Blick schnellte durch die Nacht. Ich blendete die Autos aus, die Lichter, die Geräusche.

Ein Funkeln, das sich von mir entfernte. Wie eine Sternschnuppe, die vom Himmel fällt. Ich überlegte nicht lange. Mein Körper kribbelte vor Magie als ich dem kostbaren Artefakt hinterherschoss. Der Gegenwind trieb mir die Tränen in die Augen, doch ich blinzelte sie fort. Schneller. Ich musste schneller werden.

Die Straße war nur noch wenige Meter von mir entfernt. Das wirbelnde Funkeln kam näher. Ich streckte den Arm aus, berührte die Phiole mit den Fingerspitzen, umhüllte sie mit meiner Magie und griff zu.

Sehr gut!, dröhnte Raven. Und jetzt verschwinde hier. Man darf dich nicht sehen.

Ich atmete langsam ein, steckte das Elixier in meine Jacke und schwebte dem Himmel entgegen.

Meine Landung in einer dunklen Seitengasse der Baker Street war weniger schön als ich gehofft hatte. Der übermäßige Einsatz meiner Kräfte überrollte mich mit der Wucht eines LKWs und ich sackte auf den Pflastersteinen auf die Knie. Grelle Flecken tanzten vor meinem inneren Auge und mein Magen schien sich gerade selbstständig gemacht zu haben. Keuchend krümmte ich mich und kämpfte gegen die Versuchung, mich einfach hier zusammenzurollen und liegen zu bleiben. Es war nicht leicht, vor allem, da mein Kreislauf mich immer wieder in die Knie zwang, was wohl eine deutliche Botschaft meines Körpers darstellen sollte.

„Verfluchte Scheiße"; knurrte ich und stemmte mich mühsam auf die Füße. Ich schaffte es taumelnd bis zur nächsten Hauswand, bevor mir schwarz vor Augen wurde.

Ich träumte, aber diesmal war es anders. Ich war in der Lage, den Traum zu kontrollieren. Ich konnte unliebsame Personen verschwinden lassen. Elara. Meine Mutter. Zum ersten Mal war ich frei von ihren Versprechungen, Drohungen oder Rufen nach Hilfe.

Etwas Kaltes und Nasses riss mich aus meiner Ohnmacht. Es regnete in Strömen. Ich fühlte mich zerschlagen und ausgelaugt. Ein Zustand, der mir absolut nicht behagte. Ächzend rappelte ich mich auf, während der Regen mich durchnässte und die Kälte in meine Knochen drang. Zitternd lief ich durch die dunkle Gasse und erreichte schließlich die kleine verstaubte Wohnung. Ich schälte mich bis auf die Unterwäsche aus meinen nassen Sachen, wickelte mich in eine etwas merkwürdig riechende Wolldecke und legte mich aufs Sofa. Innerhalb von Sekunden war ich eingeschlafen.

Als ich aufwachte, schien die Sonne grell durch die verdreckten Fenster. Staubflocken tanzten in ihren Strahlen und verliehen den dem Raum etwas Magisches. Ich streckte mich und blinzelte. Ich fühlte mich deutlich besser, als noch vor einigen Stunden, doch noch immer spürte ich die Erschöpfung in meinen Gliedern. Dann fiel mir die Phiole wieder ein und ich erhob mich langsam vom Sofa. Meine Jacke lag achtlos auf dem Boden. Genau dort, wo ich sie hingeworfen hatte. Ich bückte mich, hob sie hoch und griff in die Innentasche. Die Phiole wog schwer in meiner Hand und dass, obwohl sie nicht größer als meine Handfläche war. Griechische Symbole zogen sich um das mattschwarze Material und schimmerten eigenartig im hellen Licht. Dann lief ich zu meinem Rucksack und öffnete die versteckte Tasche im Innenfutter. Nun hielt ich zwei der vier mächtigsten Artefakte in der Hand, die auf der Welt existierten und es fühlte sich gut an. Sie strahlten eine Art von Energie ab, die mich anzog und es mir nicht leicht machte, ihrer unglaublichen Kräfte zu widerstehen. Wie gebannt starrte ich die Gegenstände in meinen Händen an und überlegte wie es wäre, sie einzusetzen. Zu meinem Vorteil.

Academy for Elementarys 2 - Vernichtender KampfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt