Chapter 12

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Stumm sitzen wir neben einander, bis sie mich plötzlich ansieht.

„Ich finde es so toll, dass wir uns angefreundet haben. Ich meine, obwohl du mich erst entführen wolltest.“ Sie lacht. Ich mache ein eher gequältes Gesicht und sehe auf meine Hände.

„Komm, du kannst doch nichts dafür, dass Nico …“, redet sie einfach weiter, doch ich presse ihr blitzschnell die Hand auf den Mund. Erleichtert atme ich aus und lasse sie wieder los. Das war knapp. Möglichst unauffällig sehe ich mich im Bus um, doch niemand scheint unser Gespräch gehört zu haben.

„Sorry.“ Entschuldigend zuckt sie mit den Schultern.

„Schon ok.“ Wir schweigen wieder. Schließlich kommen wir an der Haltestelle unweit von meinem Zuhause an, steigen aus und laufen das letzte Stück.

„Hier wohnst du also. Mit Nico?“ Verlegen schließe ich die Haustür auf. „Eigentlich mit … er heißt Mate, Nico wohnt nur zurzeit bei uns“, erkläre ich und lasse sie vor mir eintreten. Cassy dreht sich die ganze Zeit staunend um die eigene Achse, bis ich sie in mein Zimmer ziehe.

„Wow, hier sieht alles so anders aus.“ Interessiert nimmt sie mein Zimmer unter die Lupe. Genervt drücke ich sie auf mein Bett. Jetzt muss ich sie nur noch so lange ruhig halten, bis Nico wieder kommt. Plötzlich zieht sich mir das Herz zusammen. Hoffentlich geht es ihm gut und sie haben … Mate wieder befreit. Mate. Ich kann mir nicht vorstellen ohne ihn zu leben, er hat so viel für mich getan. Vor allem in der Nacht vor neun Jaren.

„Liz, alles ok? Du siehst so betrübt aus.“ Cassy sieht mich besorgt an.

Ich beiße die Zähne zusammen. Ich habe noch nie jemandem was über mein Leben erzählt, geschweige denn überhaupt geredet, aber seit ich Cassy in der Damentoilette fesseln wollte habe ich ihr schon so viel erzählt, dass es mich selbst überrascht. Plötzlich fängt sie an zu kichern.

„Du trägst deine Perücke noch.“ Überrascht sehe ich sie an und ziehe mir das Ding vom Kopf.

„Mein Gott, deine Haare sind ganz zerstrubbelt.“

„Schon ok.“ Zusammengesunken sitze ich da.

„Ist was passiert?“, fragt sie und zupft an ihrer Bluse. Ich hole tief Luft. „Nico … er … seine Arbeit ist sehr gefährlich und er hat Mate mitgenommen und ich weiß nicht, ob sie wieder zurück kommen“, schwindel ich. Zumindestens entspricht es teilweise der Wahrheit, denke ich.

„He, das wird schon. Ich bin mir ganz sicher, dass sie es schaffen.“ Sie klopft mir beruhigend auf die Schulter. Ich lächel sie an. Cassy fragt nicht weiter nach sondern macht es sich auf meinem Bett gemütlich.

„Wollen wir irgendwas spielen?“, frage ich.

„Klar, hast du irgendwelche Kartenspiele?“

„Und ob, mach dich auf eine Niederlage gefasst!“ Ich grinse sie an.

„Das werden wir ja sehen.“ Sie grinst zurück und wir breiten auf meinem Bett die Karten aus. Wir spielen bestimmt lange, hauptsächlich gewinne ich, dank der vielen Tricks, die Nico mir beigebracht hat, aber manchmal auch Cassy. Aber nur wenn sie vorher mischen durfte.

„Ha, meiner!“, triumphiere ich und sahne mal wieder einen Stich ein, als plötzlich die Haustür aufgeht. Ich erkenne das Geräusch sofort. Meine Karten lasse ich einfach fallen und springe auf.

„Cassy, bleib bitte noch hier, ich versuche erst mit Nico zu reden!“, befehle ich und renne zu meiner Tür.

„Ok.“

Ich renne in den Flur und direkt in Mate hinein.

„Du bist wieder da!“ Ich kann mein Glück kaum fassen. So fest ich kann umarme ich ihn.

„Ich bin so froh dich wieder zu sehen!“ Er drückt mich an sich und lacht. Ich bin überglücklich, dass er wieder da ist. In dem Moment sehe ich Nico. Widerwillig löse ich mich von Mate und falle ihm um den Hals.

„He, he. Nicht so stürmisch!“ Er lacht und drückt mich an sich.

„Accchhhh“, höre ich in dem Moment ein Seufzen. Entsetzt drehe ich mich um und entdecke Cassy in meinem Türrahmen. Für einen Moment erstarre ich zu einer Salzsäule.

„Mist, sie hat sich befreit! Ich denke die Knoten müssen wir noch mal üben, Liz!“ Nico schiebt mich, gerade als ich den Mund aufmachen will sanft aber bestimmt, zur Seite und geht mit schnellen Schritten auf die noch immer verträumt aussehende Cassy zu. Ich reiße mich zusammen, renne ihm hinter her und fasse ihn am T-Shirt.

„Bitte, Nico, lass mich erklären!“, fange ich an, doch er beachtet mich gar nicht.

„Das ist ein Missverständnis!“, versuche ich es erneut und will ihn zurück zu ziehen.

„Liz, später, ja?“ Er packt Cassy an beiden Handgelenken und dreht ihr die Arme auf den Rücken.

„He!“ Ich zwänge mich zwischen die beiden und zwinge Nico so, sie los zu lassen.

„Liz! Was soll das?“ Seine dunkeln Augen fixieren mich. Cassy und ich weichen Stück für Stück ins Wohnzimmer zurück.

„Ich will es dir erklären. Ihr dürft sie nicht kidnappen!“, rufe ich verzweifelt, als er meine Hände packt. Er macht ein verständnisloses Gesicht.

„Weil wir Freundinnen sind!“, wirft Cassy übers ganze Gesicht strahlend ein.

„Was?“, entfährt es Nico und sein Blick verfinstert sich. Das ist jetzt ein Witz, oder?, fragen mich seine eiskalten und stechend auf mich gerichteten Augen.

Ich ziehe den Kopf ein und nicke.

„Bitte, hör mir doch zu.“ Flehend sehe ich ihn an.

Doch er schüttelt nur den Kopf. „Geh aus dem Weg, Liz!“

Wütend starre ich ihn an.

„Liz!“ Seine Stimme ist fast ein Knurren. Störrisch bleibe ich stehen.

„Nein, sie ist meine Freundin!“ Das ist das erste mal in meinem Leben, dass ich so etwas gesagt habe.

Plötzlich fängt er an zu lächeln.

„Gut, dann werde ich eben zuerst mit dir fertig! Oder machst du doch noch einen Rückzieher?“

Geheimagenten reden nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt