Zuhause angekommen bugsiere ich Cassy in mein Zimmer und knalle die Tür zu.
„Man, dieser Kerl regt mich auf!“, knurre ich und lasse mich auf mein Bett fallen. Cassy sieht mich an und lehnt sich gegen meinen Schreibtisch.
Einen Moment herrscht Stille.
„Ach ja, ich komme Morgen und übermorgen nicht in die Schule.“
Sie sieht mich überrascht an. „Warum nicht?“
„Ich habe einen Termin“, entgegne ich schlicht und hoffe, dass sie nicht weiter nachfragt.
Wieder ist es still. „Auf jeden Fall super, dass es dir wieder gut geht.“ Sie lächelt.
„Du bist die erste, die sich je Sorgen um mich gemacht hat“, beichte ich ihr und sehe auf meine Finger.
„Die denken alle nur, dass du gruselig und irgendwie komisch ist. Weil du nicht sprichst“, meint Cassy und lächelt mich an. „Aber in Wahrheit bist du total nett. Du solltest nur öfter was sagen. In der Schule, meine ich.“
Zweifelnd sehe ich sie an.
Sie wirft auf ihre Uhr und zieht ein ärgerliches Gesicht. „Mist, ich muss los, wir sehen uns … in drei Tagen?“
„Ja, machs gut!“
Ich bringe sie zur Tür und bleibe so lange draußen stehen, bis sie nicht mehr zu sehen ist. Gerade als ich wieder hinein gehe taucht Mate auf und wuschelt mir über die Haare.
„Na, meine Kleine? Lust einen Film zu sehen?“
„Klar.“ Begeistert folge ich ihm ins Wohnzimmer.
Wir sehen uns nicht nur einen Film an. Mate und ich feiern unsere Entlassung aus dem Krankenhaus mit drei Filmen, Chips, Schokolade und jede Menge Nachtisch.
Schließlich schlafe ich auf dem Sofa neben ihm ein, trotz meinem viel zu vollen Bauch und dem letzten Film, der das ganze Wohnzimmer in flackerndes Licht taucht.
Plötzlich spüre ich, wie mich jemand an der Schulter rüttelt und öffne schließlich widerwillig meine Augen.
„Was denn?“, gähne ich und blinzel Nico verschlafen an.
„Das Museum macht um halb acht zu“, erklärt er mir, während er mich schräg ansieht.
„Was? Ist etwa schon halb acht? Oh, nein, ich komme zu spät!“ Entsetzt und mit einem Schlag hellwach springe ich auf und sehe mich hektisch um. Wie konnte ich nur so lange verschlafen?
„Es ist neun Uhr Morgens“, sagt Nico grinsend.
Es dauert einen Moment, bis die Information durch den Nebel von Panik und Verwirrung zu mir durchdringt.
„Neun?“, frage ich sicherheitshalber noch einmal nach.
Sein Grinsen wird breiter. „Neun“, bestätigt er.
„Und dann weckst du mich?“ Empört sehe ich ihn an. „Man, ich habe einen riesen Schrecken bekommen! Und an schlafen ist jetzt auch nicht mehr zu denken.“ Ich funkel ihn an.
„Dann kannst du ja mit mir Frühstücken.“
Einen Moment sehe ich ihn fassungslos an, dann schüttel ich den Kopf und gehe an ihm vorbei in die Küche.
Es ist schon alles vorbereitet: Brötchen, Marmelade, Butter, Käse und noch ein paar andere Dinge stehen auf dem kleinen Tisch.
„Du hast die Teller vergessen“, bemerke ich und ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht.
„Mist, ich dachte mir doch, dass etwas fehlt“, murmelt Nico frustriert und ich lache.
„Ich glaube Gangsterbosse sind einfach nicht dafür gemacht, Frühstück für ihre Mitarbeiter zu machen“, sage ich und beobachte ihn genau.
„Mmhm.“ Er sieht erst den Tisch, dann mich an.
„Na ja. Für Mitarbeiter macht man so was wohl nicht“, versuche ich es erneut, doch er scheint es nicht zu bemerken.
„Egal, dann hilfst du mir eben.“ Er lächelt schräg, scheint aber zu merken, dass ich leicht sauer bin.
„Liz, was denn?“
„Nichts, nichts“, antworte ich schnell und hole zwei Teller aus dem Schrank über der Spüle. „Ist Mate auch mit?“„Ich glaube der schläft noch ein bisschen.“
Also stelle ich die Teller auf den Tisch und wir setzen uns gegenüber.
„Und, fühlst du dich fit?“ Nico beißt in ein Brötchen.
„Ähm, ja, schon so, warum?“ Ich sehe ihn fragend an, während ich kaue.
„Heute ist dein großer Auftrag“, antwortet er und hustet leicht.
Ich lasse fast mein Brötchen fallen. „Wirklich heute, oder veräppelst du mich schon wieder?“, bringe ich schließlich hervor.
„ja, du Schlafmütze.“ Er schüttelt den Kopf, doch ein Lächeln schleicht sich auf seine Lippen. „Du bist die einzige, die ich kenne, die den Termin für ihren Auftrag verpasst.“
„ich habe ihn nicht vergessen“, erwider ich trotzig und verziehe meinen Mund.
„Aber du kommst doch auch?“, frage ich, plötzlich leicht besorgt. Wenn sein Schnupfen wieder schlimmer geworden ist …
Doch zu meiner Erleichterung nickt er. „Ich bin auf jeden Fall dabei. Darauf habe ich schon so lange gewartet.“
„Hä?“ Ich sehe ihn mit leicht schief gelegtem Kopf an, weiß nicht genau, was ich davon halten soll.
„Heute ist der Tag, wo sich herausstellt, ob es sich gelohnt hat dich von der Straße aufzukratzen“, sagt Nico nüchtern und schmiert sich ein weiteres Brötchen.
Mir bleibt das Brötchen im Hals stecken und ich verenge die Augen.
„Du meinst, heute ist der Tag, an dem du sagen kannst, ob du nur deine Zeit mit mir verschwendet hast, oder nicht?“ ich kann nicht verhindern, dass meine Stimme höher rutscht.
„Liz, du …“, fängt er an, doch ich springe auf.
„Ist das dein Ernst? Und wenn ich es nicht schaffe? Schmeißt du mich dann raus?“ Ich spüre wie mir die Tränen in die Augen schießen, gleichzeitig koche ich vor Wut.
„Jetzt beruhig dich erst mal.“ Doch jedes seiner Worte ist für mich wie ein Hieb ins Gesicht. Und daran kann seine angenehm raue Stimme auch nichts ändern.
„Wie lange ist das denn schon so? Schon als du mich aufgenommen, ach was, gezwungen hast mitzumachen, oder erst, als du das von Cassy gehört hast!?“ Mühsam kämpfe ich die Tränen zurück, aber die Worte sprudeln einfach weiter aus mir heraus.
„Und um ehrlich zu sein, ist mir das so was von egal! Und wenn es daran liegt, was ich fühle, dann schmeiß mich halt raus! Ich habe mir das auch nicht ausgesucht!“ Und damit renne ich aus der Küche in mein Zimmer und lass die Tür hinter mir zuknallen.
Einen Moment stehe ich einfach nur da, zitternd und völlig durcheinander. Dann laufen mir die ersten Tränen übers Gesicht und ich brauche einige Versuche meine Tür abzuschließen, weil ich vor lauter Tränen nichts mehr klar erkennen kann.
„Hey, Liz. Mach auf, lass mich mit dir reden.“ Es ist Nico.
„Verschwinde!“, schreie ich, werfe mich auf mein Bett und drücke mir das Kissen übers Gesicht, dass ich nichts mehr hören muss.
Ich schluchze vor mich hin, höre durch das Kissen gedämpfte Stimmen, doch versuche sie zu verdrängen.
So hatte ich mir meinen Auftrag nicht vorgestellt.
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Geheimagenten reden nicht
Teen FictionSeit sie aus dem Waisenhaus geflohen ist, arbeitet Liz für eine Verbrecherbande, deren Anführer der freche, zu allem Überfluss auch noch verflucht gutaussehnde Nico ist. Während Liz in ihrem Schulalltag kein Wort spricht, um ja nichts über die Bande...