⚜️Kapitel 14⚜️

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Ian

Das Haus das ich beobachtete, war von hier oben gut zu sehen. Ich legte das Fernglas beiseite und wartete auf meine Verstärkung. Es ist schon ewig her gewesen, dass wir zusammen gearbeitet haben. Deswegen war ich gespannt darauf, wie es funktionieren würde. Ich war in Gedanken versunken und schreckte deswegen kurz auf, als ich Milan plötzlich neben mir stehen sah. Seine Gesichtszüge versprachen nichts Gutes. Auch die Anspannung konnte ich ihm ansehen, aber er schwieg. Seit ein paar Tage arbeiteten wir zusammen. Er befolgte stillschweigend alle meine Befehle. Er widersprach nicht, machte mir keine Vorwürfe und insgesamt war er anders. Er war mir unheimlich.

"Gibt es was neues?" Milan nahm mir das Fernglas ab und sah selbst hinein. Ich schüttelte den Kopf. "Nein. Der Kerl wußte nicht viel. Er sagte nur, sein Boss hätte wohl ordentlich Spaß und wäre extrem beschäftigt. Außerdem bestätigte er meine Vermutung. Wir sind nicht die einzigen die Marco im Visier haben. Die Polizei überwacht schon seit mehreren Wochen dieses Grundstück, doch bis jetzt hatten die keinen Erfolg." Klärte ich Milan auf. "Hast du dich um die Petze gekümmert, oder soll ich das übernehmen?" Die Gleichgültigkeit in Milans Stimme machte mir Sorgen. Es ist nicht seine Art kalt und distanziert zu sein. "Nein ist schon gut, ich hab es bereits  erledigt." Milan ging in die Hocke und sah angestrengt in die Gegend. "Das ist nicht deine Schuld. Sie schafft das schon. Amelie ist zwar klein und zierlich, aber sie ist auch stur und auf gewisser Weise stärker als wir beide es je sein könnten." Ich sah verwundert zu ihm.
"Versuchst du mich etwa aufzumuntern?" Für Außenstehende wäre es verständlich, denn Freunde machen sowas, doch Milan und ich...., na ja wir beide waren ein besonderer Fall....
"Nein tue ich nicht, aber ich verstehe es. Sie mag dich und du sie. Ich wusste das sowas passieren würde. Ich wollte es nur nicht wahrhaben. Ich wollte nicht das ausgerechnet du es sein wirst."

Der kalter Wind kroch selbst in die kleinsten Ritzen meiner dicken Jacke und ich zog die automatisch enger um mich. Milans Worte ließen mich aufhorchen. "Wovon sprichst du bitte?" Der Sonnenaufgang von hier aus war schon schön, doch so langsam reichte es mir mit dem Frühling. Es wurde Zeit, dass die Sonne sich länger blicken lässt und das die Temperaturen endlich hoch gingen.

"Ich hasste Jonas dafür, dass er dich für Amelie ausgesucht hatte. Das wäre meine Aufgabe gewesen, nicht deine!" Milan sah mich traurig an. "Doch als ich damals bei dir zu Zuhause sah, wie sie dich ansah, wusste ich es..." Da er ruhig wurde hackte ich nach. "Wie hat sie mich denn angesehen?" Milan schaute nachdenklich in die Ferne. "Ergeben? Vertrauensvoll? Sie glaubte dir und an dich. Dabei kannte sie dich doch erst einen Tag! In diesem Moment wurde mir klar, dass sie zu dir gehört. Frustrierend ist zu wissen, dass du nur einen Tag gebraucht hast um sie einzuwickeln, dabei hat sie doch eigentlich eine gute Menschenkenntnis. Glaube mir, das siehst du im Moment noch nicht, aber ich kenne Amelie und ich kenne dich. Genau deswegen bin ich hier. Wir beide holen meine kleine Sister da raus und dann rechnen wir ab. Jetzt ist einfach der falscher Zeitpunkt dafür."Seine Entschlossenheit und die von ihm, mir entgegen gestreckte Hand, bestätigten meine Vermutung. Amelie war für ihn der Ersatz für seine kleine Schwester. Und das zwischen uns würde nur eine vorübergehende Stille sei. Ich schlug ein und wandte mich meinem Handy zu. Ich schluckte nervös und sprach das aus, was mich schon seit Jahren quälte. "Milan ich möchte das du weißt, dass es mir unglaublich leidtut, dass ich nicht gut genug auf Toni aufgepasst habe. Aber es gibt Nichts was du sagen, oder machen könntest, was ich mir nicht selbst gewünscht oder angetan hätte. Wenn ich könnte und Gott im Himmel sei mein Zeuge, hätte ich alles getan um die Zeit zurück zu drehen und alles ungeschehen machen zu können. Doch das kann ich nicht. Ich muss mit dieser Schuld leben, denn ich war nicht  schnell genug. Genau wie diesmal bei Amelie. Ich bin einfach kein Bodyguard." Genervt kickte ich einen Stein, der es gewagt hatte, hier einfach so rumzuliegen zur Seite. Milan sagte nichts dazu, ich auch nicht. Dennoch war ich froh darüber, meine Gedanken in richtige Wörter fassen und diese endlich auszusprechen zu können, denn die haben mich schon viel zu lange belastet.

"Ähm. Ich will ja euer rührseliges Gequatsche nicht stören, aber genug ist genug." Die grobe Stimme meines Mentors riss uns beide aus der Gedankenstarre. "Wieso ist das passiert? Wieso ist mein kleines Mädchen ausgerechnet da, wo sie nicht hätte sein sollen?" Die Wut in Jonas Stimme und in seinen Augen war weder zu übersehen noch zu überhören. Er ging mit geballten Fäusten auf mich zu. Seine Augen schleuderte Blitze und Feuer gleichzeitig. "Duuuu! Du solltest doch dafür sorgen, dass genau das nicht passiert!" Der sonst so zurückhaltender Jonas kochte. Sorge und Verzweiflung verstärkten seine Wut nur noch mehr. Mit schnellen Schritten kam er entschlossen auf mich zu. Je näher er kam, desto klarer wurden seine Absichten. Jonas holte aus und.....

Nein er schlug mir nicht ins Gesicht. "Fass meinen Jungen nicht an! Ich prügle dir dein verdammtes Hirn raus, solltest du das auch nur versuchen!" Eine aufgebrachte Dorothee stand plötzlich zwischen uns. Sie schubste Jonas sehr unsanft von mir,  stürmte auf ihn los und schrie ihn dabei laut an.

"Wie kannst du es wagen! Du verdammter Tattergreis lässt dich einfach nicht blicken und erwartest das er alleine die Arbeit macht? Er war ehrlich, und sagte dir, das er nicht auf das Mädchen aufpassen will. Doch du musstest ja ihm deinen Willen aufzwingen! Du und die Polizei könnt rein gar nichts gegen deinen Bruder ausrichten, aber er schon?" Ich war von ihrer Entschlossenheit überwältigt. Ja selbst Jonas sah eingeschüchtert aus. Gut das Alex auch da war, denn er zog seine Frau weg und sprach beruhigend auf sie ein. Jonas, Milan und ich fragten uns wieso die beiden auch hier seien, doch so wie es aussah, hatten Alex und Dorothee ihre eigenen Quellen. Ich zog mich leiser und unauffällig zurück und sah schon wieder durch das Fernglas.

Nach einer halben Stunde Diskussionen war beschlossen, dass ich und Milan morgen Marco einen "Besuch" abstatten, während Jonas und seine Freunde für Ablenkung sorgen würden. Ich zog aus meiner Tasche die Bebauungspläne für das Haus meiner Begierde und begann damit, mir alles einzuprägen. Milan reichte mir eine Flasche Cola und setzte sich dazu. "Was schwebt dir vor? Wie sollen wir in die Festung gelangen?" Ich grinste Milan böse an. Er schnalzte mit der Zunge und klatschte in die Hände. "Alles klar. Dann lasset die Spiele beginnen euer Majestät!" Er verbeugte sich vor mir, was mich zum schmunzeln brachte. Das war der alter und liebenswerter Kerl von früher. So gefiel er mir besser.

Ich glaubte Amelie hätte sich bestimmt gefreut darüber, dass wir uns nicht die Köpfe einschlugen, sondern gut mit einander auskamen. Es war ein beklemmendes Gefühl an sie zu denken. Es fühlte sich so an, als ob ein Teil von mir fehlen würde. Diesen Teil wollte ich unbedingt wieder zurück. Ich wollte die Leichtigkeit und die Unbeschwertheit in ihren Augen wieder sehen. Ungewollt fragte ich mich ob Milan eventuell doch recht hatte und ich sie mehr mochte als ich mir zugestehen wollte.

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Der VollstreckerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt