⚜️Kapitel 25⚜️

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Amelie

Die Blondine machte leise die Tür hinter uns zu. Als ich aufschaute sah ich meine Mutter und Jonas vor uns stehen. Meine Mutter schaute mich streng von Kopf bis Fuß an. Ihr Blick jedoch blieb an Ians und meinen Händen hängen. Ich konnte förmlich das Fragezeichen in ihrem Gesicht ablesen. Intuitiv lies ich Ians Hand los und war dabei zu meiner Mom hinzulaufen, doch Ian zog mich in einem Ruck zurück und schob mich hinter sich. "Halt still, hier stimmt was nicht", flüsterte er mir zu. Ich sah zu ihm hoch und merkte seinen angespannten Blick. Nach dem umsehen verstand ich auch wieso. An wirklich jeder Wand standen zwei, bis auf die Zähne befaffnete Bodyguards. Evangelius saß gemütlich in seinem Sessel und beobachtete das Ganze.

"Was geht hier vor?" fragte Ian.  "Das würde ich auch gerne wissen" mischte sich meine Mutter ein. Sie zeigte auf unsere Hände. "Wieso haltet ihr beiden Händchen? Was macht ihr hier? Amelie wieso siehst du wie eine. ... eine...eine...?" Ihr fiel einfach nicht das richtige Wort für mein Outfit ein, schließlich fuchtelte sie abfällig mit den Armen in der Luft und sah hilfesuchend zu Jonas. Der alte Mann setzte sich in einen Sessel und ignorierte die aufgebrachte Frau an seiner Nähe. Er schaute gelassen Evangelius an, machte es sich gemütlich und sprach schief grinsend: "Gib den beiden alle Informationen die sie brauchen und wir verschwinden leise und unauffällig." Evangelius zog eine Augenbraue hoch. "Wieso sollte ich das tun? Die sind ganz schön amüsant die beiden. Amelie ist hübsch anzusehen und wie sie erst singt!" Er schickte in meine Richtung einen Luftkuss. "Der Junge sieht gut aus. Er ist offensichtlich stark und wie es scheint mutig. Außerdem steht er auf sie. Bei ihm brauche ich noch nicht mal meine "Überredungskünste" anzuwenden, weil er sowieso  bleiben wird, schon alleine wegen ihr."

Jonas schlug das eine Bein über das andere und sah Evangelius geschäftlich an. Er holte Luft und sprach mit fester und sicherer Stimme: "20.10.2016, Prag. Du lebst nur deswegen, weil er sich dazu entschieden hat, das DU das geringste Problem darstellst. Moranto ist dafür tot. Klingelt es bei dir?"

Die Augen von Evangelius wurden groß, dann  drehte er sich zu Ian um und schaute ihn abschätzig an. Langsam schlich sich ein breites Lächeln auf sein Gesicht und er nickte. "Mein Junge, der Schuß war ein echtes Kunstwerk. So viel Präzision, soviel Können!" Evangelius sprang auf und reichte Ian plötzlich die Hand. "Ausgezeichnete Arbeit mein Junge. Ausgezeichnet!" Seine Begeisterung kannte keine Grenzen. Wahrscheinlich hätte er Ian sogar noch umarmt, doch der gab ihm durch seine Körperhaltung zu verstehen, dass es keine gute Idee wäre sich ihm zu nähern. "Ich verstehe... " Evangelius trat zurück die Arme schützend hochhaltend. "Was möchtest du wissen?"

Ian entspannte sich wieder und seine Hand suchte wieder die meine. Die Wärme, die er ausstrahlte, gab mir sofort das Gefühl von Sicherheit.

"Ich brauche Infos zum Aufenthaltsort von Harper Bennett." Unser Gastgeber verzog sein Gesicht so, als ob er in eine saure Zitrone gebissen hätte. "Alles andere wäre mir ehrlich gesagt, lieber. Drogengeschäfte, Prostitution, ja selbst Waffenimport, alles kein Problem. Aber der Typ mit dem sich das Mädel angelegt hat, der hat nicht alle Latten am Zaun. Der ist dumm und dreist, eine verdammt gefährliche Kombination. Sorry Jonas, aber hier kannst selbst du mir keine Angst einjagen!"

"Um Ronald Evans kümmere ich mich selbst. Ich will nur wissen wie ich das Mädchen finde." Ian sprach ruhig und gelassen mit Evangelius. Dieser sah zu Jonas und dann wieder zu Ian, schließlich nickte er. "Also gut, aber damit ist meine Schulden bei dir für immer beglichen! Einverstanden?" Jonas hielt dem prüfenden Blick von Evangelius stand. Er nickte. "Als Dank laden wir dich sogar zu unserer Hochzeit ein. Außerdem musst du dir um Marco keine Sorgen machen. Um den kümmern wir uns auch noch." Evangelius strahlte wie ein Honigkuchenpferd. "Zu einer Hochzeit kann ich doch nicht 'nein' sagen. Wer wird denn heiraten? Ihr oder die jungen Leute?" Meine Eltern sahen fragend zu uns und ich merkte wie mein Kopf rot wurde. Ian streichelte mit dem Daumen meinen Handrücken, ich schlückte nervös. "Wir nicht." Beeilte ich mich mit der Antwort. "Aber ihr habt mir bestimmt noch was zu erzählen. Oder?" Oh mein Gott. Diesmal hätte ich mich selbst lobend auf die Schulter klopfen können. Gut reagiert, gut der peinlichen Situation ausgewichen.

"Wir werden jetzt alle den Raum verlassen, während Evangelius und Ian miteinander reden. Amelie, du kommst mit mir mit." Jonas nickte Richtung Tür.

Ich sah zu Ian hoch und erst als er nickte, folgte ich meinen Eltern. Ein ungutes Gefühl überkam mich. Gänsehaut schlich sich langsam meine Arme hoch. Ich hörte in meinem Kopf eine Stimme, die mir befahl was vernünftiges zu sagen. Ohne Ian anzusehen blieb ich stehen und meinte. "Ian Thompson? Ich entbinde dich jeglicher Verpflichtungen, die mein Vater dir zu meinem Schutz auferlegt hatte. Alle deine Schulden, alle deine Verpflichtungen, sind hiermit nichtig. Du darfst nun selbst entscheiden, was du aus deinem Leben machen willst. Ich sehe dein Job als erfüllt an." Mein Vater blieb wie angewurzelt stehen und sah mich böse an. Ich streckte mich. Auf gar kein Fall werde ich jetzt nachgeben. Warnendt hob ich den Zeigefinger. "Wenn du möchtest, dass ich dich nicht nur als meinen Erzeuger anerkenne, stimmst du mir jetzt lieber zu."

Ian und Jonas sahen einander an und Jonas lächelte Ian nun ehrlich und aufrichtig an. Er ging zu Ian und umarmte ihn. "Ganz egal wofür du dich entscheidest, ich bin immer und überall für dich da. Amelie hat Recht, du hast genug getan."

Meine Mutter war sichtbar über die Situation erfreut. Sie lief freudestrahlend auf Ian zu und umarmte ihn. "Willkommen in der Familie, mein Junge." Ian war vollkommen perplex, er erwiderte die Umarmung und versuchte seinen verlegenen Blick abzuwenden. Ich schmunzelte. Das ist typisch meine Mutter, ihre Zärtlichkeiten bringen alle in ihrer Umgebung aus der Fassung.

Ich wollte gerade den Raum verlassen, als ich Ian rufen hörte "Amelie, du warst früher mal ein Job für mich. Jetzt bist du eine Herzensangelegenheit."

Mir wurde warm ums Herz. Ich sah ihn zärtlich an und spürte ein leichtes Stechen in der Herzensgegend. Egal was jetzt geschehen würde, ich müsste alles was kommen sollte, akzeptieren.

Ich wollte nicht Ian ansehen, ich wollte nicht, dass er meine Schwäche sah, deswegen nickte ich nur und schluckte meine Verzweiflung und die Hilflosigkeit herunter. Ich machte vorsichtig die Tür hinter mir zu. Ich hoffte so sehr, dass ich ihn wieder lebend und an einem Stück sehen würde. Es mag schon sein, dass er für viele der Vollstrecker, eine Reinkarnation des bösen war, doch für mich war er einfach nur Ian.

Mein Ian.

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Der VollstreckerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt