⚜️Kapitel 31⚜️

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Ian

Vergeltung ist eine Art wilder Gerechtigkeit.

Sir Francis von Verulam Bacon.

"Ich hatte lange überlegt wie ich dich zu fassen bekomme und fand schließlich heraus, dass es außer meiner Nichte, noch jemanden geben musste, der dir viel bedeutete. Der Tod von Ronald Evans geht zu 100 Prozent auf deine Kappe, also habe ich mir das Mädchen, mit dem seltsamen Namen Harper Hope Harmonie genauer angesehen.  Sie ist dein kleiner Engel....... Nicht wahr??? Ich sag dir was: noch vor einer Woche wollte ich dich als Freund an meiner Seite. Doch jetzt akzeptiere ich nur deine, oder ihre Leiche. Entscheide dich. Ach und noch was: wenn ich mit ihr fertig bin, ist meine freche Nichte dran. Die Uhr tickt Thompson. Die Uhr tickt."

Das alles stand in dem Brief von Marco, an mich. Der Scheißkerl war gar nicht hier gewesen und doch musste ich schon wieder, wie ein Irrer durch die Gegend rasen.

Déj-vu.

Die Ironie war außerdem auch noch, dass ich gerade eben einen Anruf von Joshua bekam, der mich an den gleichen Ort bestellte, wie vor wenigen Tagen.

Marco hatte schon immer eine perverse Fantasie, aber den gleichen Ort und den gleichen Lockvogel zu wählen, war selbst für ihn schräg. Ich wollte mit gar nicht vorstellen, wie es Harper gehen musste. Diesmal war definitiv ich an dem Schlamassel schuld.

Heute war das Wetter nicht gut. Der Nebel und leichte Nieselregen erschwerten mir die Sicht. Die Natur war genau wie ich, unruhig und ungeduldig. Ich führ mittlerweile 6 Stunden und hielt nur an um zu tanken. Ich ärgerte mich darüber, dass ich meine Maschine nicht dabeihatte. Stattdessen hatte ich mir das Schätzchen von Alex ausgeliehen, aber seine Motorrad, war bei weitem nicht so gut wie meine Mathilde.

Ich fuhr schon auf die Klippe zu, als ich eine Männergestallt sah. Ohne anhalten zu müssen, wusste ich wer auf mich wartete. Ich beschleunigte und fuhr die sehr unebene Klippe hoch. Zügig stieg ich von der Maschine ab und zog meine Waffe. Ich hörte von der anderen Seite Hannes Rufe, ignorierte jedoch alle Geräusche um mich. Mühselig setzte ich ein Fuß vor den anderen, ohne Marco aus den Augen zu lassen.

Er hatte mir mit Harper gedroht. Er hatte mich mit Amelie erpresst. Er würde immer und immer wieder jemanden in meinem Leben bedrohen. Es spielte keine Rolle wie viele Beweise Roman gegen ihn gesammelt hatte, denn Marco wird immer wieder einen Weg finden, wie er mir, oder Menschen die mir Nahe waren, zu schaden. Ich holte tief Luft und näherte mich ihm.

Im Gegensatz zu Ron, war Marco nicht planlos hierhergekommen. Allein schon an seiner Haltung wurde mir klar, dass er bewaffnet war. Harper war bewusstlos und hing nur in seinen Armen. Er schaute mich genau so konzentriert an, wie ich ihn. Ich konnte keine Angst oder Furcht, ja noch nicht mal Abneigung mir gegenüber, in seinen Augen erkennen. Vor mir stand lediglich ein Raubtier, dass einfach nur spielen wollte.

Marco lächelte. "Der Vollstrecker kommt um mich zu holen" sprach er zufrieden. Wie ein liebender Vater breitete er seine Arme für mich aus und schleuderte gleichzeitig die bewußtlose Harper, rechts von sich die Klippe herunter. Nur wenige Sekunden davor, griff ich nach meiner Waffe, um im selben Angenblick zu sehen, wie Marco seine Waffe erhob. Ich war schneller. Ich drückte ab und warf mich vor um Harper zu erwischen.

Ich hörte Marco an seinem Lachen ersticken. Ich sah ihn im Augenwinkel erleichtert ausatmen und hörte seine Waffe auf den steinigen Boden fallen. Die Hand von Harper war so nah und dennoch bekam ich sie nicht zu fassen. Ich lehnte mich ihr entgegen und fühlte plötzlich keinen Boden unter meinen Füßen. Nein. Ich stürzte nicht ab, denn Hannes hielt mich davon ab. Ich sah zu, wie mein kleiner Engel in den Abgrund stürzte.  Der Wind zerrte an ihren Haaren, während ihr mittlerweile nasses, weißes Kleid an ihrem Körper klebte. Sie schrieh nicht. Sie sah mich nicht an. Mein kleiner Engel glitt still und leise in den Tod. Ich sah ihr hinterher und auch wenn es unsinnig war, so hoffte ich darauf, dass sie tatsächlich wie ein Engel die Flügel ausbreiten würde und einfach zu den momentan nicht vorhanden Sternen, sich erheben würde. Hannes fluchte und schrie, doch was er sagte, verstand ich nicht.

Ob Marco lebte oder nicht, war mir egal. Ich saß kniend auf der Klippe und starrte in die Dunkelheit. Mein Herzschlag verlangsamte sich, bis es schließlich vor Schmerz gefror. Genau so musste sich Milan gefühlt haben, als Tony starb.

Es regnete mittlerweile in Strömen und so wie die Natur weinte und der Wind heulte, genau so weinte, schrie und hasste ich mich und meine Taten.

Erst jetzt wurde mir, dem Großen Vollstrecker, klar, dass selbst ich nichts gegen den Tod ausrichten konnte.

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Der VollstreckerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt