⚜️Kapitel 2⚜️

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Ich saß nun mittlerweile eine Stunde in Amelies Zimmer und starrte aus dem Fenster. Es war 16:00 Uhr und draußen waren angenehme Temperaturen. Vorhin hatte es minimal geregnet und jetzt sah man am Horizont den Regenbogen. Ich liebe den Frühling. Die Natur erwachte aus der Winterstarre und man konnte tagtäglich zusehen, wie schön alles durch die Kraft der warmen Sonnenstrahlen aufblühte. Die Laune der Menschen besserte sich und man ging automatisch viel lieber nach Draußen. Ich hörte Cockie hinter mir schnarchen, und lachte leise in mich hinein. O ja der Labrador war wahrhaftig ein toller Bodyguard, soll er doch die Schutzfunktion für Amelie übernehmen.

Amelie, wo kommt der Name bloß her? Wieso gab man seinem einzigen Kind so einen seltsamen Namen? Wie mag sie wohl sein? Milan rastete schon beim Gedanken daran aus, dass ihr was passieren könnte und doch sprach er im selben Moment davon wie stark und besonders sie war. Ich war gespannt und neugierig zugleich auf die Kleine.

Die junge Frau vor mir war echt ein kleines Kaliber. Sie war ca. 156 cm groß, zierlich gebaut, hatte kleine Hände und eher längere Finger. Ich musste zugeben, mir gefiel die Form ihrer Hände. Am Daumen der rechten, sowie der linken Hand trug sie einen Ring. Ihre goldenen Haare gingen ihr vielleicht bis zu den Schulterblättern, vielleicht waren sie auch kürzer, von hier aus konnte man das nicht genau bestimmen.

Wie viel Chloroform hatte Milan wohl verwendet? Sie müsste doch längst wach sein.

Als ich nach zehn Minuten aufstand um nach ihr zu sehen, sah ich, wie sie sich bewegte. Cockie hob nur den Kopf, blieb aber trotzdem auf ihr liegen. "Cockie, steig von mir ab, du bist schwer" brummte sie verschlafen. Ihr fehlte die Kraft den Hund von sich zu schieben, also streckte sie ihren Arm aus und kraulte den Hund hinter dem Ohr. "Na komm, steig von mir ab. Wirds bald!" Murrend setzte Cockie sich vor ihr hin. Amelie zog sich im Bett hoch und schaute sich vorsichtig um. Ihr Blick blieb schließlich an mir haften. "Wer bist du? Wo bin ich?" Um ihr keine Angst zu machen blieb ich einfach auf der Fensterbank sitzen. Amelie blinzelte verwundert als ich kurz und knapp meinte "du bist in Sicherheit. Das ist mein Haus." Langsam zog sie die Beine zu sich heran, legte das Kinn auf den Knien ab und schaute mich fragend an. Ich habe erwartet das sie aufspringen würde, ja selbst mit hysterischem Geschrei hatte ich gerechnet, doch all das blieb aus. Sie schaute mich nur stillschweigend an. In ihren Augen konnte ich weder Angst, noch Panik, noch Aufregung sehen. Nichts! Sie sah mich nur mit einer hochgezogen Augenbraue an. Irgendwas an ihrem Blick kam mir so seltsam vertraut vor. Ich nahm den Schalter in die Hand, und schaltete den Fernseher an. Ich wählte die Nummer des alten Mannes und wartete ab. "Sie ist wach" war das einzige was ich sagte und legte wieder auf. "Schau dahin." Ich zeigte mit der Fernbedienung in der Hand auf den Flachbildschirm an der Wand, doch die Blondine sah mich immer noch prüfend und neugierig an.

Wenige Sekunden später erschien Milan, Jonas Wolther und eine blonde Frau auf dem Bildschirm. Amelie sah sichlich überrascht aus. "Hallo Schätzchen, endlich bist du wieder wach. Ich dachte schon Milan hat Mist gebaut." Milan  schnaubte verächtlich im Hintergrund und verdrehte die Augen. Ich selbst konnte mir nur noch schwer ein Lächeln verkneifen. "Amy, du bist bei Ian Thompson zu Hause. Laut deinem Vater ist der junger Mann der einziger der dich zur Zeit beschützen kann." Amelie regte sich immer noch nicht. "Siehe mal Schätzchen, ich hatte dir doch immer gesagt, dass du wie jedes andere Kind auf der Welt, auch einen Vater hast und das er zu unserem Schutz nicht bei uns sein konnte. Das war nicht gelogen! Dieser Mann hier ist dein Vater. Das ist Jonas Wolther." Mein Lehrer trat vor und schaute schon fast schüchtern zur Amelie. "Hallo."  Amelie rührte sich immer noch nicht. Hatte sie einen Schlaganfall erlitten? Ich spannte mich bei dem Gedanken unwillkürlich an. Nach einer Weile wurde die Stille unangenehm. "Wieso bin ich hier?" fragte sie mit belegte Stimme. Sie räusperte sich und reckte Stolz ihr Kinn in die Höhe. Für mich sah es so aus, als ob  Amelie unbedingt vermeiden wollte, dass man ihr ansieht, was sie wirklich fühlte. Sie tat mir irgendwie leid, immerhin war sie ohne Vater aufgewachsen und hat sich wahrscheinlich mit dem Gedanken abgefunden, dass sie ihn nie zu Gesicht bekommen würde und doch stand er jetzt vor ihr. Jonas Wolther, bei allem Respekt, aber das hast du definitiv vermasselt!

Amelie streckte die Beine aus und Cockie nahm dies als eine Art Einladung auf. Sie krabbelte zu ihr hin und legte ergeben ihren Kopf auf Amelies Schoß ab.

"Mein Bruder, der leider auch dein Onkel ist, hat von deiner Existenz erfahren und möchte dir nun weh tun. Ian wird dich so gut es geht beschützen. Er ist der Bester auf dem Gebiet. Ihm kannst du vertrauen." Der alte Mann schaute zu mir rüber. Die Situation war ihm sichtlich unangenehm. Milan schnaubte verächtlich im Hintergrund.

"Amy jetzt sag doch was." Die blonde Frau knetete nervös die Hände und schaute flehentlich ihre Tochter an. Einen besseren Hundeblick hätte selbst Cockie nicht hin bekommen. "Warum kann Milan nicht hier sein?" Ich dachte sie wird Fragen zu ihrem Vater, oder Onkel stellen, doch sie interessierte sich nur für Milan. Der angesprochener lächelte sie warm an, er wollte gerade was darauf erwidert, als Jonas ihm zuvor kam. "Milan ist der Aufgabe nicht gewachsen, außerdem hängt er zu sehr an dir. Ich habe Ian ausgebildet, er weiß was zu tun ist." Bei diesen Worten schaute Amy zu mir. "Bist du jetzt sowas wie mein Schatten?" Ich hielt ihrem Blickkontakt stand. "Nein, ich bin sowas wie dein Bodyguard. Ich renne dir nicht hinterher. Wenn du leben willst, tust du was ich dir sage. Wenn nicht, wird einer von uns beiden sterben." Ihre Augen weiteten sich. Ich lies meine Worte auf sie wirken. Während sie nachdachte kraulte sie gedankenverloren Cockie am Kopf. Die junge Frau vor mir war hübsch, sie war mir sympathisch, bloß ihre Art auf seltsame Situationen zu reagieren, verwirrte mich. Aber ja, sie war hübsch.

"Sollte ihr was passieren Thompson, bringe ich dich eigenhändig um" hörte ich im Hintergrund Milan brüllen.  Amelie zuckte kurz zusammen, atmete tief ein und ging schließlich auf mich zu. Einen halben Meter vor mir blieb sie stehen. Nun sah sie mir genau in die Augen. "Ich bin Amelie Miller" sie streckte mir ihre Hand entgegen. "Mir ist klar, dass du viel mehr als ein Bodyguard bist, und ich danke dir für deine Hilfe, allerdings solltest du auch wissen, dass Milan mir auch einiges beigebracht hatte. Ich bin nicht hilflos." Ich nahm ihre kleine Hand in meine, sie war warm, zierlich und irgenwie fühlte es sich richtig an. Die Augen von Amelie waren immer noch auf mich gerichtet. "Du hast Recht Amelie. Ich bin viel mehr als ein Bodyguard. Es freut mich das Milan dir einiges beigebracht hat, aber ab jetzt bin ich die Mauer hinter der du dich verstecken wirst." Sie nickte und ging zum Bett rüber.

"Cockie, das ist Ian. Er ist okay,  verstanden? Kannst du ihm auch vertrauen?" Der Labrador sprang vom Bett und ging auf mich zu. Ich stellte mich vor dem Hund hin und wartete ab. "Sag was zu ihr" forderte Amy mich auf. "Und was?" Ich hatte noch nie einen Hund und hatte keine Ahnung was das Ganze hier sollte. Wahrscheinlich war der Labrador in diesem Moment klüger als ich, denn er legte sich hin und schaute mich ergeben mit seinen großen schwarzen Augen an. Die Hündin wedelte zufrieden mit dem Schwanz und machte dabei seltsame und für mich ungewöhnliche Geräusche. Ich schaute Amy erstaunt und fragend zugleich an. "Was jetzt?"
Amelie lächelte. "Hhm, Cockie mag dich." Sie klag genau so überrascht, wie ich mich fühlte.

Ich streichelte den Kopf der Hündin und stellte fest, dass es ganz ok war. "Wenn es doch immer so einfach wäre" sprach ich zu mir selbst. "Cockie hat eine gute Menschenkenntnis, sie hätte dich sonst nie in meine Nähe gelassen." Ich schaute in die warmen Augen der jungen Frau vor mir und ahnte Böses. Amelie Miller soll mich nicht mögen, sie soll mich nicht so anschauen als ob ich ein gewöhnlicher Kerl wäre, denn das war ich nicht. Ab jetzt war ich für ihre Sicherheit zuständig und das musste immer und überall Priorität haben.

"Amelie ich würde gerne mit dir reden und dir die ganze Situation erklären." Jonas Wolther wollte endlich den Moment nutzen um mit seiner Tochter über einige Details zu sprechen. Amelie sah zum Fernseher hin. "Danke Jonas. Pass bitte gut auf meine Mom auf. Lass nicht zu, dass ihr was passiert. Ian wird bestimmt gut auf mich aufpassen. Einen schönen Tag euch noch, ich schätze man sieht sich noch." Sie nahm die Fernbedienung und  schaltete den Frensehen aus. Augenblicklich wurde es still im Zimmer.

"Bin ich hier gefangen, oder darf ich mich frei bewegen?" Ihre Stimme klang traurig und müde. "Du kannst dich im ganzen Haus frei bewegen." Ich stand nun vor ihr und schaute ihr auf den Kopf. Sie nickte und schlüpfte wieder langsam unter die Decke. "Ian könntest du mich bitte alleine lassen? Ich laufe nicht davon. Versprochen."

Die Situation war wohl doch zu viel für sie. Ich sagte nichts dazu. Ich bin einfach nur leise raus und merkte, dass es mir nicht egal war das Amelie traurig war. Es störte mich und das war nicht richtig.

Der VollstreckerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt