⚜️Kapitel 28⚜️

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Amelie

Ich half Ian auf die Beine. Noch bevor ich etwas sagen konnte, umarmte und küsste er mich. So erstickte er den Redeschwall, der jeden Moment drohte auf ihn einzustürzen. Ich sah zu Harper und Nik. Harper lag zitternd in Niks Armen, während dieser ihr alle möglichen Sachen ins Ohr flüsterte. Ich freute mich für die beiden. Es ist das eingetroffen, was ich Nik vom ersten Augenblick an gewünscht hatte. Nämlich Harper, die er bedingungslos liebte, lebend wieder in den Armen schließen zu können.

Joshua räusperte sich. "Ihr müsst hier verschwinden, die Polizei wird gleich hier sein und wir müssen uns eine plausible Geschichte dafür ausdenken, dass Ron mit einem Schussloch im Kopf die Klippe runter gestürzt ist."

Nik nahm Harper hoch und machte sich auf den Weg, die steile Klippe wieder vorsichtig runter zu gehen. "Ian? Können wir beide...." Er zeigte mit den Fingern, dass er Ian unter vier Augen sprechen wollte. Ich wollte mich entfernen, doch Ian zog mich hinter sich her. Kaum, das Ian sich Joshua genähert hatte, zog dieser ihn auch schon absolut unerwartet in eine Umarmung. "Danke Mann. Ich danke dir so sehr!" Verdattert klopfte Ian, dem großen Kerl freundschaftlich auf den Rücken. "Schon gut. Lass stecken. Ich hatte doch gesagt, dass ich mich um das Arschloch kümmern werde." Joshua nickte übereilt und sah ziemlich erleichtert aus. "Ja, das hast du. Hör mal, solltest du jemals...." Ian hob abwehrend den Arm. "Ganz im Ernst, lass es. Harper ist meine Familie und ich pass auf meine Familie auf. Kümmere dich um sie, päppelt sie auf und wenn du in der Nähe bist, dann sag Bescheid. Wir trinken ein Bier drauf." Joshua hielt ihm seine Faust entgegen und er schlug sofort ein.

Ich kam mir wie das fünfte Rad am Wagen vor, aber Ian hielt immer noch meine Hand. Ich denke nicht, dass das gerade für meine Ohren bestimmt war. Ich blickte starr in den Horizont, sodass ich nicht mitbekam wann Joshua ging. Erst als Ian mir am Pferdeschwanz zog, merkte ich wie er mich erwartungsvoll ansah. Wir folgten schließlich Nik und Harper bis zu Ians Maschine und machten uns unauffällig aus dem Staub. Während der Fahrt dachte ich über alles, was geschehen war nach. Ich nahm mir vor, die Angelegenheit mit Marco zu klären und das am besten so schnell es geht. Denn sonst würde es für niemanden von uns eine Zukunft geben. Circa eine Stunde später kamen wir an einer Raststätte an. Der hübsche Kerl vor mir, stieg von seiner Maschine ab und sah mich fragend an. "Ich denke wir essen erst etwas bevor es weiter geht. Sind deine Beine wieder eingeschlafen?" Am liebsten hätte ich ihm erzählt, dass ich  seine Maschine nicht ausstehen konnte, aber ich tat es nicht. Ich hatte so eine Ahnung, dass er mir das übel nehmen könnte. Ich vermutete mal, dass es daran lag, dass das Ding nur zwei Rädern besaß. "Ich fürchte ja. Ich glaube ich komme hier nicht ohne deine Hilfe runter." Jetzt erinnerte ich mich an das letzte Mal, als ich ihn angemotzt hatte und das nur, weil ich er es gewagt hatte zu lächeln. Diesmal sah die Situation anders aus. Diesmal war es  von mir gewünscht, dass er mir half. Breit grinsend ging Ian auf mich zu, nahm mir vorsichtig den Helm ab und schaute mich gierig an. Ich konnte ihm ansehen, dass er mich wollte. Er wollte mich berühren und mir nahe sein und das gefiel mir. Ich spürte ein freudige Kribbeln im Unterbauch und zwang mich dabei cool zu bleiben. Ian schob mit dem Finger mein Kinn hoch und küsste mich, erst sanft und vorsichtig. Doch dann wurde der Kuss schnell leidenschaftlich und gierig. Ich lies mich mitreißen, was schließlich damit endete, das wir uns beide keuchend und nur schwer atmend von einander  lösten.

Mein Magen knurrte laut und unverschämt. "Eigentlich würde ich etwas anderes viel lieber mit dir anstellen, aber wie es aussieht, muss ich erstmal was zu essen holen." Es freute mich zu sehen, dass er den gleichen Inneren Kampf austrug wie ich. Ian küsste mich auf die Stirn und sah mich enttäuscht an. "Pass gut auf Mathilde auf, ich bin gleich wieder da." Ich  horchte auf. "Wer ist Mathilde?" Wahrscheinlich sah ich ziemlich  überrascht und leicht irritiert aus, weil Ian gleich demonstrativ und mit einem herausfordernden Blick, verliebt seine Maschine streichelte. "Dieses Schätzchen ist meine Mathilde. Du brauchst dir keine Sorgen machen. Sie ist sehr pflegeleicht." Er wackelte anzüglich mit den Augenbrauen. "Sie schnurrt wie ein Kätzchen wenn ich drauf sitze." Ich zog eine Augenbraue hoch. "Soll ich dich mit ihr alleine lassen?" Ian lachte auf und zog mich von dem riesigen "Fahrrad" runter. "Nein bitte nicht, jetzt bist du meine Nummer 1." Ich sah ihn zwar unglaubwürdig an, doch ich musste zugeben, dass mir seine Antwort gefiel.

Als Ian außer Hörweite war, sah ich Mathilde genervt an. "Nur damit das klar ist: Ich kann dich nicht ausstehen." "Glaube mir mein Schatz, IHR wird er länger Treue erweisen, als dir." Erschrocken sprang ich zur Seite. Ich konnte nicht glauben wessen Stimme ich da gerade  gehört hatte. "Du müsstest doch schlauer sein, schließlich tat dein Vater damals, das gleiche wie Ian jetzt.  Er verliebte sich in Susi, machte ihr ein Kind und verschwand letztendlich für zig Jahre. Bist du wirklich der Meinung, dass jemand wie Ian, alles für dich aufgeben würde? Wirklich? Bist du tatsächlich so naiv? Er könnte jede haben und glaube mir, du bist im Moment  nur ein angenehmer Zeitvertreib für ihn. Ian ist, war und wird im Herzen immer ein gut augebildeter und skrupelloser Killer sein und eine kleine dumme Blondine, wird nichts an seinem Wesen ändern können."

Autsch, das hatte gesessen!

Ich schluckte und sah meinen Onkel misstrauisch an. "Was willst du von mir?" Kalte und nackte Angst schlich sich meinen Rücken runter. Intuitiv trat ich einen Schritt zurück und sah mich hektisch um. Ian war weit und breit nicht zu sehen. "Von dir?" Er lachte auf, steckte seine Hände gelassen in die Jeans-Jacke und musterte mich. "Hatte ich dir nicht letztes Mal schon gesagt, dass du für mich unwichtig bist?" Sein Kopf neigte sich nach hinten und er schnaubte verärgert. "Kindchen, ich will Ian und er wird bereits in einem Tag, mich selbst aufsuchen. Erzähle ihm einfach  von unserer Begegnung, dann wird niemanden etwas zustoßen." Marco ging langsam auf mich zu. Die ganze Zeit über fühlte ich mich wie eine Maus in einer Falle. Ich war dermaßen angespannt, dass ich hätte schwören können, meine  Nerven knistern hören zu können. "Aus irgendeinem Grund mag er dich, aber genau so erging es damals deiner Mutter auch. Frag dich doch, ob du diese Situation nochmal, aber aus einer anderen Perspektive erleben willst. Frag dich, ob es das ist, was du willst." Diese Wörter flüsterte er mir leiser ins Ohr. Eine Sekunde lang sah er mich eindringlich an und verschwand genau so leise, wie er auch auftauchte.

Meine Hände zitterten und ich wimmerte erleichtert über sein Verschwinden. Hat er Recht? Beging ich den gleichen Fehler wie meine Mutter? War ich für Ian vielleicht doch nur ein Zeitvertreib? Meine innere Stimme sagte mir, dass Marco mich nur verunsichern wollte und das Ian nicht wie mein Erzeuger war. Doch die Unsicherheit breitete sich in mir, wie ein ekliger Ölfleck auf dem Wasser aus. Ich schluckte meine Verzweiflung runter und krallte mich um nicht umzufallen an Mathilde fest. Die aufsteigende Tränen blinzelte ich schnell weg, denn Ian sollte auf gar keinen Fall mitkriegen wie unsicher ich in Wirklichkeit war.

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Der VollstreckerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt