⚜️Kapitel 15⚜️

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Milan

Ich hatte schon vergessen wie es war mit Ian zusammen zu arbeiten. Er saß schon seit Stunden an dem Bebauungsplan des Hauses in das wir eindringen wollten. Er hatte auch tatsächlich mehrere Möglichkeiten gefunden, wie man es unentdeckt schaffen konnte, doch er war immer noch damit nicht zufrieden. Sein Bleistift steckte hinter dem Ohr,  während er gefüllt zum 1000-mal seine Notizen durchging.

"Ian komm schon, lass uns ins Bett gehen, es ist schon spät. Auch du solltest mal zur Ruhe kommen." Der Kerl sah mich an, doch seine Gedanken waren weit weg. "Kann nicht, habe noch einiges zu tun. Geh du mal ins Bett, wir sehen uns in 4 Stunden" brummte er. Ich sagte nichts dazu und ging schlafen. Er würde sich eh nichts von mir sagen  lassen.

06:00 Uhr morgens.

Der Wecker meines Handys riss mich sehr unsanft aus dem Schlaf. Auch wenn es mir nicht passte, so wusste ich was auf dem Spiel stand. Ich hörte alle anderen in der Küche wuseln und beeilte mich mit dem Anziehen. Ich musste nicht in den Spiegel sehen um zu wissen, das ich Scheiße aussah. Aber darauf kam es jetzt eh nicht an. Zähne geputzt zu haben und zusehen das ich noch was vom Frühstück abbekam, stand ganz oben auf meiner Liste.

Als ich in der Küche ankam, herrschte da bereits reges Treiben. Alle hatten was zu tun und vom Frühstück war weit und breit nichts zu sehen. Ian kam schon fast gelangweilt auf mich zu. Er schmiss mir ein Brötchen und einen Apfel entgegen und ging gelassen an mir vorbei. Er war schwarz gekleidet und sah wahrscheinlich ausgeschlafener aus als ich. Ian war rasiert und sah sehr konzentriert aus. Frustriert sah ich den Apfel an und war gerade dabei mich beschweren zu wollen, da hörte ich ihn schon "Milan komm schon, jede Sekunde zählt!" rufen. Ich sah ihm geknickt hinterher und folgte schließlich ohne zu Murren.

07:30 Uhr.

Wir saßen auf einem Baum und beobachteten das Treiben auf dem Gelände des Grundsückes vor uns. Ian zeigte mit dem Finger nach links und gab mir zu verstehen, dass ich das Fernglas benutzen sollte. Es hatte zwar einen Moment gedauert, aber dann sah ich Amelie und eine dunkelhaarige Frau auf einer Bank sitzen. Amelie sah ziemlich ramponiert aus. Sie hielt den verletzten Arm behutsam fest und starrte gedankenverloren auf den Boden. "Sie ist verletzt" murmelte ich. Diese Feststellung war zwar nur an mich selbst gerichtet, doch Ian ließ meine Bemerkung nicht kalt. Er nickte, knirrschte mit den Zähnen und wendete sich von mir ab.

Die schlanke dunkelhaarige Frau stand langsam auf. Vorsichtig setzte sie einen Fuß nach dem anderen um vorwärts zu kommen, was um ehrlich zu sein, extrem schmerzhaft aussah. Sie stellte sich hinter Amelie und begann damit, ihr die Haare zu bürsten. Als Amelie den Kopf hob, sah ich frische Verletzungen in ihrem Gesicht. Ein blaues und sehr angeschwollenes Auge, eine aufgeplatzte und blutunterlaufene Lippe, ganz zu schweigen davon, wie schlimm der Rest ihres Körpers aussah. Als die junge Frau hinter ihr an den Haaren zog, kniff Amelie schmerzhaft die Augen zusammen. Schützend und mit schmerzverzerrtem Gesicht umarmte sie schützend ihren Körper.

Ian knirschte laut mit den Zähnen, was ziemlich widerlich war, doch als er plötzlich anfing zu knurren, verstand ich: Ian Thompson war meine kleine, süße Amelie nicht egal. Noch vor zwei Tagen wäre ich ausgerastet bei diesem Gedanken, aber jetzt war ich froh darüber. Es tat gut in so einer Lage, ihn auf unserer Seite zu wissen. Ian fühlte sich sichtlich unwohl bei Amelies Anblick und auch wenn er es vor mir verbergen wollte, so konnte ich deutlich die Sorge in seinem Gesicht erkennen.

"Ich hab eine Idee!" rief ich plötzlich aus. Früher als Amelie 9 Jahre alt war, spielten wir "Geheimagent". Dafür dachten wir uns verschiedene Erkennungszeichen- und-Laute aus. Diese würden uns hoffentlich weiterhelfen. Ich hatte, so leise es nur ging, Ian von meiner Idee berichtet und erntete verständlicher Weise unglaubwürdige Blicke. Ich setzte mich bequem auf meinem Ast hin und stieß mehrere Male hintereinander Kuckucksrufe aus (das war schon immer das einzige was ich beherschte. Allerdings konnte ich dies besser als jeder andere!) Zu meiner Begeisterung horchte Amelie auf, sie hob den Kopf und sah sich in alle möglichen Richtungen um. Vor Freude klatschte ich Ian mehrere Male begeistert auf die Schulter. Auch er konnte nicht glauben, dass Amelie tatsächlich darauf reagierte. Breit grinsend wiederholte ich die Laute und sie stand aufgeregt auf. Ian neben mir spannte sich an und beobachtete angestrengt das Geschehen. Und erneut wiederholte ich die Kuckucksrufe. Amelie sah zuerst in unsere Richtung verweilte kurz im Moment und sah schließlich zu Boden. Sie berührte mit den Fingern die Fußspitzen, hob ein Grashalm auf, was natürlich nur ein Ablenkungsmanöver für die überall angebrachten Kameras war, und setzte sich wieder.

Ich sah triumphierend zu Ian. "Wir müssen nicht das komplette Haus absuchen. Amelie wurde im Keller untergebracht."

Ian zog skeptisch die Augenbrauen hoch. "Kindheitstrick?" Hatte ich da etwa Freude in seinen Augen aufblitzen gesehen? Ich schaute ihn stolz an. "Jap. Einfach aber wirksam." Nun lächelte er. "Respekt!" Wie immer reichte uns eine kurze Unterredung aus um zu verstehen, was der anderer sagte, oder meinte.

Ian steckte das Fernglas weg und sah mich konzentriert an. "Für den Fall, dass doch etwas schief gehen sollte... " Er holte tief Luft und platze mit dem Rest des Satzes raus. "Es war mir eine Ehre dich kennengelernt zu haben. Hol Amelie so schnell es geht da raus und verschwindet von hier." Ich nickte und salutierte wie ein Soldat vor ihm. Er erwiderte die Geste und kletterte den Baum wie ein Affe hoch. Das war der Moment, wo sich unsere Wege trennten.

Ich dankte Ian in Gedanken für den Plan und wünschte uns allen Glück bei dessen Durchführung.

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Der VollstreckerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt