⚜️Kapitel 24⚜️

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Ian

Ich war frustriert. Sie war einfach gegangen. Ich sah ihr hinterher. Eigentlich wollte ich ihr hinterher rufen, eigentlich wollte ich das sie bleibt.

Ich war frustriert. Meine Mutter war Professorin an der Uni und zitierte sehr gerne Heinrich Heine.

Saphire sind die Augen dein,
Die lieblichen, die süßen.
O, dreimal glücklich ist der Mann,
Den sie mit Liebe grüßen.

Dein Herz, es ist ein Diamant,
Der edle Lichter sprühet.
O, dreinal glücklich ist der Mann,
Für den es liebend glühet.

Rubinen sind die Lippen dein, Man kann nicht schönre sehen.
O, dreimal  glücklich ist der Mann,
Dem sie die Liebe gestehen.

O, kenn ich nur den glücklichen Mann,
O, daß ich ihn nur finde,
So recht allein im grünen Wald,
Sein Glück hätt bald ein Ende.

Heinrich Heine (1797-1856)

Wie gesagt, wenn ich frustriert ar, dann kammen mir solche Sachen in den Sinn. "Wenn du einversüchtig bist, dann zweifelst du nicht an der Frau, sondern an deiner Fähigkeit sie halten zu können." Diese klugen Worte stammen von Honoŕe de Balzac.

Verdammt, der Mann wusste genau was er sagte. Nur half mir das gerade überhaupt nicht. Ich war verunsichert und ich hasste dieses Gefühl. Ich musste Dampf ablassen und das sofort. Irgendeine traurige Seele musste gleich daran glauben, also rief ich Roman an. "Hi. Wer hat es deiner Meinung nach, verdient von mir belehrt zu werden?" Während Roman gleich mehrere Namen einfielen, schlenderte ich zu meinem Wagen und überlegte mit wem ich wohl anfangen sollte.

Zig Stunden später saß ich in Evangelius Lokal und bemitleidete mich selbst. Joshua trank gemütlich sein Bier und unterhielt sich mit Milan. Amelie war in der Umkleide und bereitete sich für ihren Auftritt vor. "Na Du. Wer hat dich so zugerichtet?" Milan der Scheißkerl fand das auch noch lustig. Die aufgeplatzte Lippe und eine Beule auf der Stirn hätte ich selbst mit Massen am Mack-Up nicht abdecken können. Ich funkelte ihn böse an. "Geht dich nichts an." Knurrte ich Milan an. Der zuckte nur gleichgültig mit den Schultern und widmete sich wieder dem Gespräch mit Joshua. Nach eine kurzen Ansage kam Amelie mit einer Gitarre auf die Bühne. Sie nahm das Mikrofon in die Hand und sprach mit dem Publikum und mit Evangelius. Bei ihr sah das so ungezwungenen und leicht aus. Sie und Milan setzten sich hin und fingen beide an singen.

Schockiert stellte ich mein Bier ab und sah ohne zu blinzeln den beiden zu. Sie waren richtig gut auf einander eingestimmt. Die Stimmen der beiden weckten die Lebenskraft in mir. Mir wurde klar, dass Amelie durchaus bewußt war, was sie tat. Das Publikum ließ sich mitreißen und schon in Kürze tanzten die betrunkenen und glücklichen Gäste mit. Als Amelie in der Menschenmenge mich sah, runzelte sie die Stirn. Die junge Frau ging auf ihren hohen Hacken auf mich zu und setzte sich rittlings auf einen Stuhl. "Was ist passiert?" Besorgt musterte sie mein Gesicht. "Nichts".

Von wegen nichts. Am liebsten hätte ich sie angeschrien und aus meinem Leben vertrieben, doch als sie ihre kleine Hand auf meine Wange legte, hielt ich, ohne es zu merken, die Luft an. "Lass uns nach hinten gehen. Deine Wunden müssen versorgt werden." Milan übernahm das Programm und ich ließ mich von Amelie hinterher ziehen.

Wir kamen in einem kleinen Zimmer an, das voller Kostüme, Schminke, Schuhe und weiterem nutzlosen Zeug war. Ich setze mich auf einen von Amelie, mir zugewiesenen Stuhl und betrachtete sie. Sie zog sofort die Schuhe aus. Schon fast genüsslich stellte sie die geschundenen Füße auf den Boden ab und schloss zufrieden die Augen. Ein erleichetertes Seufzen entfloh ihr. Sie band ihre Haare mit einem Haargummi zusammen und kniete sich hin, um unter einen Spiegel zu kriechen. Die Leggins betonte ihren  schönen und knackigen Hintern. Ich musste mich zwingen wegzuschauen. Amelie zog einen Erste-Hilfe-Kasten unter dem Spiegel hervor und begann damit, in ihm rumzuwühlen.

Jetzt sah sie wieder wie die Amelie aus, die ich kennengelernt hatte. Sie setzte sich zu mir und begann damit mein Gesicht von dem verkrusteten Blut zu befreien. "Wer hat dir das angetan?" Ihre Stimme war ruhig und beruhigend. "Spielt keine Rolle." Sie nickte nur. "Es tut mir leid" würgte ich beinahe heraus. "Was tut dir leid?" Sie schaute mich fragend an und ich konnte nicht anders als mir selbst zu gestehen, das sie wunderschöne Augen hatte. Ich liebte den leuchtenden Farbton ihre Augen. Flüssiges Karamel, das sich in Vollmilch-Schokolade verwandelte, wenn sie böse war. Sie brauchte keine Schminke um schön auszusehen. Sie war genau so wie sie war, wunderschön. "Keine Ahnung. Ich glaube alles. Irgendwie ist mir alles entglitten. Es hätte nicht passieren dürfen." Ich sah Schmerz ih ihren Augen aufleuchen und verstand, dass sie mich missvertanden hatte. Sie zog ihren Arm weg und sah zum Boden. "Ich hätte keine Gefühle für dich entwickeln dürfen. Das ist falsch. Mir ist schon mal sowas ähnliches passiert. Allerdings hatte ich das Mädel wie eine Schwester gemocht, nicht so wie dich jetzt." Amelie drückte mir ein Cool-pack in die Hand. "Könntst du vieleicht für eine Sekunde das Maul halten, damit ich mich um deine Lippe kümmern kann?" Ich schob ihre Hand beiseite. "Amelie, das was ich dir zu sagen versuche, ist wichtig. Allso lass mich bitte ausreden!" Sie nickte und schaute mich erwartungsvoll an. "Ich rede die ganze Zeit von Toni. Antonia war die kleine Schwester von Milan. Ich sollte sie beschützen und es kam wie es kommen sollte. Toni war erst 16. Sie verliebte sich in mich und gestand mit irgend wann mal ihre Gefühle. Ich war ehrlich und meinte, das sie wie eine Schwester für mich sei und das aus uns nichts werden kann. Diese Worte verletzten sie und sie sprang aufgewühlt aus dem Auto. Der Fahrer hinter uns konnte nicht schnell genug reagieren." Ich sah auf den Boden und merkte wie die Schuldgefühle wieder hoch kamen." Milan hasst mich dafür und ich mich auch".

Als ich Amelie ansah, sah ich Tränen in ihren Augen. Sie blinzelte die schnell weg und räusperte sich. "Ich verstehe nicht was das mit uns zu tun hat?" Ich lehnte mich zurück und sah sie ernst an ."Ich habe nicht gut genug auf Toni aufgepasst. Ich will nicht, dass dir das gleiche zustößt, nur weil ich meine Gefühle nicht im Griff habe." Ich sah zwischen ihren Augen hin und her und hoffte irgendwas in ihnen zu erkennen zu können.

"Ian. Du bist ein Esel."

"Was?" Ich dachte ich hätte mich verhört. Ich gestand ihr, dass ich Gefühle für sie habe und sie bezeichnet mich als Nutzlasttier? "Du hast mich schon richig verstanden. Du bist ein Esel." Sie machte sich lang und sah mich nachsichtig an. "Ich bin keine 16. Ich bin nicht die Schwester von Milan. Ich bin nicht Toni. Wenn mir was passieren könnte, dann nur deswegen, weil ich mein Klappe nicht halten konnte. Ich bin durchaus in der Lage eine Abweisung von dir zu verkraften. Ich bin kein Kind!" Sie zuckte mit den Schlter. "Sag ich doch. Du bist ein Esel. Außerdem ist mir klar, dass du nichts mit mit anfangen möchtest. Du hast mir gleich zu Beginn gesagt, dass ich bloß ein Job für dich bin. Es ist ok. Du musst dich für nichts rechtfertigen."

Ok. Ich konnte nicht damit rechnen, das das Gespräch diese Wendung annimmt, aber ich musste zugeben, ich war erleichtert war. Ich lächelte sie an. "Nein Herzchen, ich bin der Volstrecker und kein Esel." Jetzt grinste sie auch. "Na gut du Vollstrecker. Was auch immer sich gerade zwischen uns entwickelt, es wird  Zeit brauchen. Merke dir eins, ich werde mich nicht von dir herumkommandieren lassen. Ich nehme keine Befehle von dir entgegen. Du kannst übrigens aufhören jeden Laternenmast, der sich in meiner Nähe befindet anzuknurren. Klar? Ich habe zwar Interesse an DIR, aber was du daraus machst, liegt nur bei dir. Die restliche Männerwelt ist einfach nur da. Finde dich damit ab, sonst werde ich dich, aus einem fahrenden Auto stoßen." 

Mein Lippe schmerzte wie verrückt, doch ich konnte einfach nicht anders als zu lächeln. Mit alldem was sie sagte konnte ich umgehen. Mit Erleichterung stellte ich fest, dass ich das was sie von mir verlangte, ihr auch geben konnte.

"Darf ich dich jetzt küssen ohne  das ich mich davor fürchten muss, das meine Kronjuwelen dran glauben müssen?" Amelie schaute mich verspielt an. "Aber nur wenn du die Klappe hältst."

Selbstverständlich konnte ich sie nicht küssen, denn plötzlich stand eine blonde Frau vor uns, die uns bat, sie ins  Büro vom Schef zu begleiten. Es ist klar, dass wir der Bitte nachgekommen waren, doch im Büro war nicht nur unser Gastgeber, sondern auch noch  Amelies Eltern.

Als die beiden uns Händchen haltend rein kommen sahen, wurde mir ganz mulmig zumute.

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Der VollstreckerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt