⚜️Kapitel 21⚜️

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Ian

Ich war schon eine ganze Weile wach. Ich hatte mich nur deswegen nicht bewegt, weil ich nicht wollte, dass die junge Frau in meinen Armen wach wurde. Ich beobachtete sie und fand immer mehr Kleinigkeiten an ihr, die sie in meinen Augen noch attraktiver machten. So war zum Beispiel ihr Mund ganz leicht geöffnet, wenn sie schlief. Die  vereinzelten Sommersprossen sah man nur dann, wenn man ihr genauer ins Gesicht schaute. Alles an ihr war zierlich und fein, selbst ihre Finger. Aber diese Tatsache war mir schon bei unserem ersten Treffen aufgefallen. Ihre goldenen langen Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten und trotzdem schafften es mehrere Strähnen sich aus dem Zopf zu befreien. Amelie krallte sich an meinem T-Shirt fest und verhinderte so, dass ich von ihr wegkam.

Mein Handy vibrierte und ich zog mich über Amelie hinweg um an das Teil dran zu kommen. Sie öffnete verschlafen die Augen. Als sie mein Gesicht über ihrem sah, schreckte sie erschrocken auf und verpasste mir mir der Stirn einen heftigen Kinnhacken. Gerade so schaffte ich es, dass Handy zu packen und hielt es brummend mit zusammen gekniffenen Augen hoch. Der Schmerz, den ich gerade fühlte, durchzog mein komplettes Gesicht. Ich sah buchstäblich Sterne vor meinen Augen.

Wahrscheinlich begriff Amelie was gerade geschehen war und versuchte schnell auf die Beine hoch zu kommen. Da es unter dem Dach immer noch nicht viel Platz gab, krachte ich über ihr zusammen und drückte sie mit meinem Körper runter. Ihr entwich die Luft aus Lunge, während ich krampfhaft versuchte von ihr abzusteigen.  Sie zog laut Luft ein und hielt plötzlich unter mir still. "So wird das nichts. Steig von mir ab und bitte brich mir nicht sämtliche Knochen." Ich sah in die leuchtenden karamellfarbenden Augen und hielt inne. "Ich gib mir Mühe, aber du solltest vielleicht auch damit aufhören, mich fest zu halten." Flüsterte ich und sah auf ihre Lippen. Sie war nur wenige Centimeter von mir entfernt. Amelie sah ihre Hände an und zog sie, als sie verstand was ich meinte, hastig zur Seite. Ich rollte mich über sie hinweg und widmete mich schließlich meinen immer noch vibrierenden Handy. Gespannt hörte ich zu. Immer noch schweigend legte ich auf und sah Amelie nachdenklich an. "Was ist passiert?" Sie sah mich besorgt an. Ich kratzte mich nachdenklich an meinem Bart. "Meine Pläne haben sich gerade um 180 Grad geändert. Ich fürchte du musst noch eine Weile mit mir auf der Flucht bleiben und Marco muss auch noch auf die Abrechnung mit mir warten."

Zuerst sah sie nachdenklich aus, doch dann lächelte sie mich an. "Wo geht es denn hin?" Ich zeigte ihr, dass sie mir folgen sollte, was sie schließlich auch tat.
"Ich muss aufreumen, damit jemandem der mir wichtig ist, nicht weh getan wird." Amelie sagte nichts dazu, doch das war auch gar nicht nötig. Sie folgte mir, nicht weil ich sie dazu zwang, oder darum bat. Nein sie folgte mir, weil ich es wollte. Sie stellte keine Fragen und wehrte sich auch nicht dagegen. Dadurch kam mir ein plötzlicher Gedanke, der mich wie ein helles Licht überwältigte. Konnte es sein, dass Amelie Miller mich mochte? Vielleicht sogar mehr als sie wusste? Ich hielt kurz inne, um mich an dem Gedanken festzuhalten. Irgendwie wurde mir warm ums Herz und ich merkte, wie ein Pflänzchen der Hoffnung und Freude, in der dunklen Höhle, in der ich all das vetsteckt hatte, was mir erlaubt hätte glücklich zu werden, begann zu sprießen. Ich sah Amelie an, die ganz nah an mir, auf dem Dach des Gebäudes stand und fühlte eine innere Zufriedenheit.

Eins interessierte mich doch noch. "Willst du mir keine Fragen stellen, oder wissen wo es lang geht?" Sie schaute mich erschrocken an, schüttelte den Kopf und griff ängstlich nach meiner Hand. "Nein. Lass uns bloß hier lebend runter kommen, dann wirst du mir alles und viel mehr erzählen und das auch noch freiwillig!" versprach sie mir. "Sag bloß du hast auch noch Höhenangst?" Auch wenn es nicht so gemeint war, so klang meine Frage doch überheblich und eingebildet. Diese Ton war der Blondine auch nicht entgangen. "Nein, hab ich nicht! Dieses Gefühl das ich gerade empfinde, ist unlogisch und es ist irrational. Das hier ist nicht  hoch... " Sie schob vorsichtig ein Bein vor, um von dem Dach runter schauen zu können, hielt sich aber trotzdem dabei krampfhaft an meiner Hand  fest. "Das hier... " Sie zeigte mit dem Finger in den Abgrund. "Das hier ist unsagbar, schrecklich und und fürchterlich dolle hoch!" Zum Schluss wurde ihre Stimme immer leiser und pipsiger. Die Situation wäre wann anders sicherlich lustig, doch die Blässe in ihrem Gesicht und die stärke mit der sie meine Hand festhielt, warnten mich davor, über das Thema Witze zu reisen.

"Ich werde dich Huckepack nehmen und wir beide schweben gleich, wie in einem Traum, über das komplette Anwesen hinweg, fast so wie auf einer Seilbahn auf einen Spielplatz. Ok?" Sie sah mich vertrauensvoll mit weit aufgerissen Augen ohne zu blinseln an und nickte. "Wir sind schon mal gemeinsam in die Tiefe gestürzt, also wird das hier hoffentlich nicht schlimmer werden." Ich empfand in diesem Augenblick nichts anderes als Bewunderung für sie.

Hat sie häufig Angst? O ja, das hat sie. Lässt sie sich davon abschrecken? Niemals!

"Du hältst dich so dolle wie es dir nur möglich ist, an mir fest und ich verspreche dir, wir kommen lebend unten an." Amelie kaute nervös auf ihrer Unterlippe.  Entschlossen sah sie schließlich  zu mir hoch. "Gut. Aber wehe du läßt mich fallen, dann werde ich dich als Geist heimsuchen und dich huibuien!" Ich lachte auf, "Deal. Du darft mich auch besuchen, ohne ein Gest zu sein. Außerdem, sollte ich dich fallenlassen, dann wird dein Vater mich köpfen, deine Mutter mich kastrieren und Milan höchstwahrscheinlich in klitzekleine Teile zerlegen. Ich stelle hiermit offiziell fest..." Ich holte hief Luft und breitete weit die Arme aus. "Du bist einfach viel zu kostbar, um dich fallen zu lassen." Jetzt war sie diejenige die breit grinste. "Du willst doch nur leben du Schlingel." Immer noch grinsend, nickte ich zustimmend. " Jawoll. Das stimmt. Können wir uns darauf einigen, dass wir beide noch zu jung sind, um zu sterben?" Sie gab mir keine Antwort darauf, stattdessen umarmte sie mich und brumte mir in mein Shirt, dass ich es hinter uns bringen solle. Es fühlte sich gut an sie in meinen Armen zu halten. Es fühlte sich so an, als hätte es schon immer genauso sein sollen...

Ich gab ihr eine Anweisung und sie sprang hoch, so dass ich sie am Hintern hoch heben konnte. Wir setzten uns auf das von mir vobereitete Gerüst und ließen uns durch die Luft gleiten. Ich tat das was ich versprach, ich hielt sie fest.

Der kalter Morgenwind beschleunigte unseren Rutsch, sodass das Ganze nur einen kurzen Moment dauerte.

Erstaunlicherweise war Amelie sofort wieder da. Es gab kein Geheule, kein Gejammere, kein Gemeckere und auch sonst nichts, was ich sonst von einer Frau erwartet hätte. Sie stieg von mir ab und lief Richtung Geländewagen. "Was? Kein Danke Ian, oder wenigstens gut gemacht Ian?" Ich sammelte mich und sah ihr gespielt genervt hinterher. "Beeile dich, du großartiger Ian. Denn man hat uns gesehen du obermächtiges, Du!" Ich zuckte mit den Schultern. "Schon besser." Ich stieg in den Wagen und wir brausten los.

"Wo birngst du mich hin?" fragte sie mich während sie im Seitenspiegel Ausschau nach unseren Verfolgern hielt.

"Wir beide fahren jetzt zu Hannes, Joschua, Julie und Harper Bennett. Ich werde ihren Ex finden, töten und wie ein Stück Scheiße entsorgen. Danach bringe ich dich zu deinen Eltern und kümmere mich um Marco." Amelie schnallte sich an. "Klingt doch nach einem Plan! Na dann los. Gib Gas. Wir haben Besuch. Zeig den Luschen aus welchem Holz wir geschnitzt sind!"

Wir. Sie sagte 'aus welchem Holz WIR geschnitzt sind'. Das klang wie Musik in meinen Ohren. Ich fühlte mich glücklich und wie ein verknallter 13-jährige, konnte ich einfach nicht aufhören zu grinsen.

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Der VollstreckerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt