Es war ziemlich simpel. Es langeweilte mich beinahe.
Maria hatte Dean abgeführt und ich hatte ihn ansehen können ohne nur die geringste Reue zu spüren. Ich ließ ihn sogar eine volle Nacht im Gefängnis. Soweit ich weiß, sollte er so etwas gewohnt sein. In dieser Nacht schloss ich mich in meinem Zimmer ein und plante die nächste Woche.
Ich war nicht dumm- wenn die beiden es denn wussten, dann vergaßen sie es regelmäßig: Mir war vollkommen bewusst, in welchem Maße mein Verstand sich bereits verabschiedet hatte. Meine Gedanken und Gefühle und Prioritäten und Meinungen- einfach alles beruhte auf Fakten! Sollten sie mich doch abgehoben nennen, aber ich kannte mich absolut. Und bis zu 80% auch Dean. Bei Maria würde ich sogar noch höher pokern. Daher wusste ich, dass Marias Hang zu Loyalität und zweiten Chancen ihre Schwäche und meine Chance war, mir selbst Beweise zu beschaffen, dass Dean echt war.
Mit einem Gefühl von Freiheit im Bauch, packte ich alles nötige ein. Einen kurzen Moment hielt ich inne, als ich ein Bild meiner Familie in der Hand hielt. Ich kannte keinen dieser Menschen, es waren nur noch verwaschene Träume, aber dieses Bild war mit das einzige, was mich daran erinnerte, warum ich noch lebte. In so vieler Hinsicht. Trotzdem steckte ich es in den Rucksack, schlich mich aus der Wohnung und stieg in Marias Streifenwagen- ich hatte ihr die Schlüssel und die Marke geklaut. Es war beinahe enttäuschend, wie leicht das alles ging, ich hatte ehrlich gesagt mit mehr Wiederstand gerechnet. Besonders von Maria. Schnaufend fuhr ich davon- nun gut, das ersparte mir unnötig Drama mit ihr. Sie, die mein anderer Grund war, zu Leben. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht und als ich die Sirene anstellte, wurde es zu einem Grinsen. Adrenalin huschte durch meinen Körper. Es machte Spaß, so durch Berlin zu fahren.
Zu schnell kam ich an. Den Rucksack ließ ich im Auto. Dean hatte zwar seinen "geliehenen" Impala, aber der Streifenwagen war geiler!
Mit jedem Schritt, dass ich dem Gebäude näherkam, fühlte ich mich sicherer. Ich brauchte mich noch nicht einmal ausweisen! Sagte nur Marias Namen, der Mann hinter dem Schreibtisch nickte gelangweilt und führte mich zu Dean. Er saß hinter Gitter und ich konnte nicht anders, als zu lächeln. Als er mich entdeckte, sah ich nicht die geringste Spur von Überraschung. Verdammt- er wusste, dass ich kommen würde. Schon war meine Freude über sein Leid dahin. Aber als ich ihm die Handschellen anlegte, holte ich mir etwas von dem Gefühl zurück. Ich führte Dean ab und verfrachtete ihn in den Wagen, wobei er sich den Kopf stieß. Lachend schlug ich die Tür zu und lief um das Auto herum. Er funkelte mich wütend an und ich schenkte ihm einen Luftkuss.
"Womit habe ich das verdient?", zischte er. Ich raste durch die Stadt.
"Was genau, Hon?", ich blinzelte unschuldig.
"Was ist nur in dich gefahren!", brüllte er, als ich einem anderen die Vorfahrt nahm. Er war nicht angeschnallt und die Hände auf seinem Rücken durften sehr unbequem sein. Ich lachte auf und fuhr auf die Autobahn. Die Sirene war sehr hilfreich. Dean hielt seinen Mund, er schien verstanden zu haben, dass er zumindest während wir fuhren, keine Informationen bekommen würde. Er spielte bereitwillig mit, als ich ihn aus dem Auto zerrte.
"Sam- das hier ist ein Motel."
"Und?", fragte ich. Er sah mich nur an, aber hielt verbissen den Mund. Ich bezahlte für eine Nacht und vergewisserte mich, dass der Typ Dean sah. Wir blieben zwei Stunden, ich ließ Maria meine Bürste da und fuhr dann mit Dean weiter. Erst im dritten Motel, redeten wir wieder miteinander.
"Ich habe Hunger.", sagte Dean. Er saß auf dem Bett, während ich meinen Lieblingspulli aufriss und auf den Boden warf.
"Muss scheiße sein.", gab ich zurück. Zwang mich, ihn nicht anzusehen. So langsam verflog das Adrenalin. Meine Wut. Und Gefühle kamen hoch.
"Es ist Mitten in der Nacht und du bist sicher sehr müde."
"Mach dir um mich keine Sorgen.", sagte ich mit einem Kloß im Hals, schnitt mit der Schere in die Hand und verteilte Blut auf dem Tisch.
"Du hinterlässt eine Fährte, oder? Für Maria?"
"Gut erkannt, Sherlock."
"Samantha!", rief Dean und es klang überraschend verzweifelt. Ich sah ihn fragend an. Seine grünen Augen flehten mich an. Ich schluckte und sah auf das Werk, das ich auf dem Plastik hinterlassen hatte.
"Bitte, rede mit mir."
"Warum? Willst du mir sagen, dass du mich brauchst?", brachte ich hervor und schulterte meinen Rucksack, "Aber das tust du ja tatsächlich."
Als ich auf ihn zuging, wich ich seinem Blick aus. Ich zerrte ihn auf die Beine und verschwand hinter seinem Rücken.
"Das hat nichts damit zu tun, dass..." Dean brach ab, auch seine Stimme klang belegt. Ich atmete tief ein und aus. Mein Brustkorb zitterte. Mit einem klicken löste ich die Fesseln und er wandte sich langsam zu mir um. Blickte auf mich hinab. Und als ich nicht reagierte, nur auf seine Schuhe starrte, wagte er es, nach meinem Gesicht zu fassen. Ich ließ es zu, dass er es anhob, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. Ich ließ es zu, dass er mir die Tränen von den Wangen wischte und meiner Wut den Wind aus den Segeln nahm. Ich ließ zu, dass sein Kuss mich tröstete und mir Ruhe schenkte. Geborgenheit. Einen Moment schöpfte ich alles aus und genoss ihn mit jeder Faser. Gott- mein Dean. Mein Dean. Da war er. Als ich mich von ihm löste, lächelte er auf mich hinab.
"Hey, Sam."
"Hi, Dean."
Sein Herz raste, so wie meines. Er fasste nach meiner verletzten Hand und sah sich den Schnitt an. Stirnrunzelnd und etwas besorgt, sah er zu mir auf.
"Es muss sehr echt wirken, Dean." sagte ich und zog meine Hand aus seiner, "Pass auf." Sofort schlug ich wieder um. Die sanfte Samantha- die, die Liebe brauchte und auch wollte, die konnte ja meinetwegen ab und zu vor schauen, aber jetzt musste wieder ich die Zügel in die Hand nehmen.
"Ich habe dich befreit, da wusste ich nicht, dass du der Waldmann bist, okay?"
Dean runzelte die Stirn, aber nickte.
"Du hast mich entführt. Natürlich- nachdem du meine Familie umgebracht hast, willst du auch mich töten."
"Moment.", sagte er und schüttelte den Kopf, "Das macht keinen Sinn."
"Hm?", fragte ich und lief in die Küche.
"Wollte er dich töten, hätte er es längst getan."
"Stimmt! Das habe ich vergessen. Okay, dann-"
"-will ich dich behalten. Für mich. Du bist mir nützlich. Auf irgendeine merkwürdige Weise. Du-"
"Ich bin das, was die Lücke in dir schließt.", sagte ich langsam und setzte mich. Dean stand vor mir und sah auf mich hinab. Erkenntnis huschte in seine Augen.
"Ich bin verletzt, bröckle. Irgendetwas stimmt mit mir nicht. Und als ich dich gesehen habe, wusste ich, dass du mich zusammenflicken kannst. Aber deine Familie war im Weg. Ich brauche deine vollkommene Aufmerksamkeit."
Ich schaffte es nicht mehr zu nicken. Mir raubte das alles den Atem. Nur langsam ratterte mein Verstand. Zahnrad für Zahnrad. Kämpfte gegen einen Wiederstand. Als hielt es jemand mit aller Kraft fest.
"Sam..", Dean hockte sich vor mich hin und fasste nach meinem Gesicht, "Ich pass auf dich auf, okay? Der Waldmann kann dir nichts anhaben, solange ich bei dir bin."
Ich atmete tief ein und aus und auch, wenn ich ihm noch nicht vertraute, fühlte ich mich in diesem Grün zu Hause. Ob ich das nun wollte oder nicht. Also nickte ich und stand auf.
"Wir werden in einen Wald fahren, das Auto dort stehen lassen, hineinlaufen, mein...Familienfoto verstecken, sodass Maria es finden kann und... und... "
"Was?", fragte er.
"Ich werde meine Sachen dalassen, wir verteilen unser Blut, legen eine falsche Fährte, die sich im Wald verliert und dann fahren wir mit dem Bus oder so zurück nach Hause."
"Was? Aber..."
"Ich habe noch was zu erledigen." Als ich seinen verwirrten Blick entdeckte, wich ich ihm aus und lief mit dem Rucksack hinaus.
"Ja, Dean. Ich habe Geheimnisse vor dir."
"Was für welche?"
Er ließ es nicht darauf beruhen. Wir saßen schon im Auto, ich krallte mich an das Lenkrad und starrte nach draußen. Alles in mir wehrte sich dagegen, es ihm zu sagen. Aber er musste wissen, was aus mir geworden war. Wenn das alles hier funktionieren sollte, dann musste er mich kennen! Voll und ganz!
"Ich brauchte Geld, okay? Ich habe mir Waffen besorgt, habe in Clubs Kampftechniken gelernt, ich rauche... Du weißt gar nicht, wie viel Geld das Rauchen verschlingt."
"Samantha.", drängte er.
"Maria hat mir mein Geld nicht gegeben. Naja- sie behauptete, ich hätte mein Erbe schon aufgebraucht, aber das glaube ich nicht. Sie wollte es mir einfach nicht geben, weil sie nicht wollte, dass ich dich suche und finde!"
"Was hast du getan, Sam? Wie hast du dir Geld beschafft."
"Zuerst war ich Kellnern, aber das brachte zu wenig und dann... ich habe jemanden kennengelernt. Und durch ihn bin ich in gewisse Kreise geraten."
"Nun sag schon!", rief er ungeduldig und beinahe wütend. Ich schloss meine Augen, startete den Motor und erst, als wir schon fuhren, murmelte ich: "Ich war abhängig. Ich bin eine Diebin." Und noch leiser, aber bestimmt fügte ich hinzu: "Ich bin eine Hure."
"Das ist deine Schuld. Ich hasse dich."
Was schlecht ist, gehört verbessert! Haut raus! :P
DU LIEST GERADE
Life is not what it seems.
FanfictionTW: Gewalt, Alkoholabhängigkeit, toxische Beziehungen, Mord, Manipulation, Depressionen, Sex, KEIN HAPPY END Ein grauenvoller Mord an ihrer Familie machte Samantha Wolf schlagartig zu einer Waise. Alkohol, Maria und ihre Lieblingsserie "Supernatural...