"Verschwinde!", brüllte Maria, "Mir ist egal, wer du bist oder wer das da draußen war!"
Ich blinzelte und öffnete meine Augen nur langsam. Licht blendete mich. Etwas nasses landete auf meinem Gesicht und strich darüber.
"Samantha?" Marias Locken tauchten in meinem Blickfeld auf, "Hey, Kleine." Ihre sanfte Stimme fuhr wie warmer Tee durch meinen Magen und ich brachte ein Lächeln hervor. Sofort bereute ich es, denn ein Brennen schoss durch mein Gesicht. Geschockt hielt ich den Atem an, während Tränen in meine Augen stiegen. Hastig schloss ich sie und versuchte, nicht aufzuschreien.
"Schon gut." Maria klang gehetzt, "Die Scherben haben dein Gesicht und deine Schulter verletzt."
Eine warme Hand umfasste meine und drückte sie fest.
"Lass sie los.", zischte sie, "Und verschwinde!"
Unsicher löste sich der Händedruck, aber in meiner Panik, griff ich hastig nach dem Halt. Die Finger schlossen sich nur zögernd um meine Hand.
"Wenn ich gehe, wird sie sterben."
Mein Herz setzte einen Schlag aus und ich riss meine Augen auf. Hitze, statt Wärme, fuhr nun durch meinen Magen und als ich sein Profil erkannte, entfuhr mir ein Keuchen. Dean. Kribbeln fuhr durch meinen Magen und ich fühlte mich leicht. Er sah Maria ernst an, die auf der anderen Seite neben mir hockte.
"Das da draußen ist hinter ihr her.", erklärte er auf englisch, "Seit sie in der Bar war."
"Das?" Marias Blick hätte Dean getötet, wenn sie Superkräfte hätte, "Du bist die einzige Bedrohung, Stalker."
Er biss die Zähne zusammen und runzelte die Stirn. Seine Hand schloss sich noch ein Mal fest um meine, bevor er aufstand. Ich bekam Panik. Angst um mein verdammtes Leben!
"Dean.", brachte ich hervor und schmeckte Blut. Meine Lippe war also auch aufgerissen. Er blieb stehen und blickte mir direkt in die Augen. Ich bekam eine Gänsehaut.
"Nicht reden, Kleine.", sagte Maria hastig, bevor sie inne hielt und mit einem ungläubigen Blick auf ihn, zurück fiel. "Du bist Dean?" In ihrer Stimme schwang Verzweiflung mit. Er sah sie nur ausdruckslos an und dann wieder mich. Diese grünen Augen- am liebsten hätte ich geheult.
"Eure Alarmanlage ist kaputt.", sagte er nur mit seiner tiefen Stimme und verschwand im nun erhellten Flur. Ich begriff nichts mehr und setzte mich mit Marias Hilfe auf.
"Ich hole das Verbandszeug." Maria setzte mich auf den nächsten Stuhl. Mit einem letzten besorgten Blick, ließ sie mich allein. Kalte Nachtluft fuhr von hinten an meinen Rücken und ich bekam eine Gänsehaut. Ich starrte nur keuchend auf meine zitternden Hände auf meinem Schoß. Versuchte verzweifelt, zu verarbeiten. Dean, der Traum, das Lied. Dean.
"Ich sag es nicht noch ein Mal." Marias Stimme wurde beinahe schrill, "Verschwinde! Mir ist egal, wer du bist!"
Eine Tür knallte, aber an Marias Gesichtsausdruck sah ich, dass er nicht gegangen war. Erleichterung durchspülte mich.
"Maria.", murmelte ich und ignorierte das Brennen. Sie breitete die Sachen auf dem Küchentisch aus. Binden, Creme, Schere, Pflaster. Mit einem abschätzenden Blick auf mein Gesicht, entschied sie sich für Pflaster und Creme.
"Die Schnitte sind nicht so tief, dass sie genäht werden müssen." Ihre Stimme war monoton, während sie sich einen Stuhl heran zog und sich vor mich setzte, "Nur einer auf deiner Wange ist etwas tief- da muss ein Pfla-"
"Maria.", unterbrach ich sie mit Nachdruck. Sie sah auf und ihre dunklen Augen musterten mich streng.
"Ich verarzte dich und danach werfe ich ihn raus.", sagte sie, "Es ist nicht das erste Mal, dass du dich in jemanden, wie ihn, verknallst."
Jetzt wurde ich wütend und ich stand auf.
"Er bleibt hier!", brüllte ich beinahe und sie sah mich überrascht an. Hastig setzte ich mich wieder und räusperte mich, während ich ihrem Blick auswich.
"Ich glaube, er kann mir helfen.", fügte ich kleinlaut hinzu.
"Ach ja?" Sie machte sich nun an meinem Gesicht zu schaffen. "Soll er dir deine kaputte Psyche wegschießen?"
Ich biss die Zähne zusammen, aber reagierte nicht darauf.
"Er hat auf einen unsichtbaren Feind geschossen, Samantha." Maria klang beinahe vorwurfsvoll, während sie mein Gesicht eincremte, "Wie soll jemand im dritten Stock vor dem Fenster auftauchen, huh?" Ein Pflaster landete auf meiner rechten Wange. "Wir können froh sein, dass er nicht dich getroffen hat!" Sie löste sich von mir und beugte sich zurück. "Ich muss dich beschützen! Er ist ein fremder Mann, der dich stalkt und vermutlich dich treffen wollte! Wie wahrscheinlich ist es, dass ein gewaltbereiter Mann sich an dich ranmacht und kein Komplize, wenn nicht sogar der Waldmann selbst ist!?"
Gefühle jeder Art kochten in mir hoch. Ich fuhr auf und stieß dabei den Stuhl zurück. Mit einem letzten Blick in Marias Augen, den ich selbst nicht einordnen konnte, polterte ich in den Flur. Dean, der an der Wand neben der Eingangstür lehnte und an seiner Waffe rum handtierte, sah mich stirnrunzelnd an. "Alles ok?"
Das überforderte mich nun vollkommen und ich verschwand mit wehendem Rüschennachthemd in meinem Zimmer. Meine Adern wollten platzen. Meine Hände krallten sich in das Kissen, als ich mich auf das Bett warf und ich presste mein Gesicht in den weichen Stoff. Und ich schrie. Schrie den aufgestauten Druck heraus. Und endete in einem Schluchzer. Nun taub von Gefühlen und dem Geschehenem, lag ich auf dem Bauch- der Blick auf der Tür, während ich stumm vor mich hinweinte.
"Da draußen klebt Blut am Fensterbrett.", hörte ich Maria auf englisch brummen. Blinzelnd spitzte ich meine Ohren und hielt den Atem an.
"Warum ist da Blut am Fensterbrett?"
"Jemand verfolgt Samantha.", Deans Stimme war ernst.
"Warum hilfst du ihr?"
"Ich habe sie in der Bar kennen gelernt."
Stille.
"Ich bin gut ausgebildet. Wir schaffen das auch allein."
"Du verstehst nicht..", begann Dean nun fast gehetzt, "Dieser Typ ist gefährlich!"
"Wir schaffen das allein!", rief Maria, "Und jetzt geh."
Eine Tür quitschte, zögernde Schritte, eine Tür knallte.
Ich drehte mich auf die andere Seite, verbuddelte mich in der Decke und weinte. Angst baute sich in meiner Brust auf. Die Todesangst, die ich nur all zu gut kannte.
Noch in der Nacht kamen Kollegen von Maria und begutachteten den Tatort. Nach langen Diskussionen entschieden sie- aus Rücksicht auf meine Psyche- vorerst hier zu bleiben. Bis die Sache geklärt war. Allerdings sicherten sie die Wohnung neu. Hightech-Alarmanlage, kugelsichere Scheiben, Kameras.
"Ich bring dir gleich Suppe, Kleine."
Männer gingen in meinem Zimmer ein und aus- begrüßten mich mit einem unsicheren Lächeln und sicherten alles.
"Die Schnitte sehen schon ganz gut aus.", murmelte Maria lächelnd, während sie neben mir auf dem Bett saß und meine Wunden versorgte.
"Nein!", rief ich aus und stieß Maria weg, "Nicht meinen Laptop!"
Der Mann im Anzug warf Maria einen fragenden Blick zu und sie nickte. Ich sah sie mit meinem
vernichtensten Blick an.
"Das ist alles zu deinem Schutz, Kleine."
Ich antwortete nicht, sondern schob ihre Hände beiseite und legte mich wieder hin.
Maria klärte alles. Ärzte, Psychologen- sie kamen nun alle zu mir.
"Zur Klärung der Lage, wäre es sicher hilfreich, mit dem Schützen zu reden." Ich sah Maria mit hochgezogenen Augenbrauen an. Sie stellte das Tablett mit Toast und Orangensaft auf meinem Nachtisch ab, sah mich an und ging wieder. Bitter lächelnd, lehnte ich mich an die Wand. Ich hatte Recht und das wusste sie ganz genau.
Mein Kopf war zu voll, als dass ich einen klaren Gedanken fassen konnte. Die Gespräche mit meinem Psychologen könnten helfen, aber um mein größtes Fragezeichen zu klären, wäre es sehr kontraproduktiv. Es könnte Zufall sein, dass der Waldmann- wenn er es denn war- mich gefunden hatte und gleichzeitig Dean Winchester- wenn er es denn war- mich nach Hause gebracht hatte. Es könnte Zufall sein, oder, da ich Zufälle ausschließe, der Waldmann war ein Wesen. Nur- wie kam Dean Winchester nach Berlin und warum sollte ein Wesen meine Familie ermorden und mich verfolgen?
"Das ist unlogisch, Samantha.", murmelte ich und hielt meinen Kopf fest. Schüttelte ihn heftig, "Es existieren keine Wesen! Dean Winchester ist nicht real!"
Schnaufend wischte ich mir die nervenden Tränen von meinen geschundenen Wangen.
"Was passiert mit mir.." Mein Blick fuhr hoch zum Laptop, aber der war nach drei Tagen immer noch in den Händen dieser Monster- ich hoffte für sie, dass sie meine Dokumente nicht anrührten. Also schnappte ich mir Stift und Papier, holte aus dem untersten Schubfach des Nachttisches eine Flasche JackDaniels und schrieb drauf los. Ich schrieb alles auf. Meinen Traum, die Begegnung mit Dean. Ich schrieb die Verse des Liedes auf und alles, was ich über den Waldmann wusste. Und ich philosophierte. Nach gut fünf Stunden waren meine 20 Seiten übersät mit roten Fragezeichen und mein Kopf fühlte sich an, als hätte jemand mein Gehirn mit einem Kartoffelstampfer zu Brei verarbeitet.
-Was ist real? Was ist Fiktion? Was Traum?- Ich las meine letzten Fragen zum 100sten Mal, atmete tief ein und aus und schrieb die letzte: -Wenn alles möglich ist, wo ist dann der Unterschied?-
Mein Kopf war unfähig, zu denken. Also blieben die Gefühle auf sich allein gestellt. Und sie tobten. Stellten meinen Körper auf den Kopf. Hastig verstaute ich den Block und den Stift unter meinem Kissen und die Flasche unter dem Bett und legte mich hin.
"Dean Winchester.", murmelte ich und musste grinsen, als Kribbeln durch meinen Magen fuhr. Vielleicht war es ja wie bei Beetlejuice und ich musste ihn nur oft genug rufen, sodass er auftauchte.
"Dean Winchester.", sagte ich und seine grünen Augen strahlten mich an. Wärme durchfuhr meinen Körper. Keuchend, eine Hand auf meinem Bauch, schloss ich die Augen.
"Dean Winchester." Ich spürte seinen Händedruck und war sicher. War geborgen.
Und mir war es so scheiß egal, ob ich meinen Verstand verlor.
Ich schlief ein und träumte von ihm.
Uh well guys... was schlecht ist, gehört nach wie vor verbessert, eh? ;D
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Life is not what it seems.
FanfictionTW: Gewalt, Alkoholabhängigkeit, toxische Beziehungen, Mord, Manipulation, Depressionen, Sex, KEIN HAPPY END Ein grauenvoller Mord an ihrer Familie machte Samantha Wolf schlagartig zu einer Waise. Alkohol, Maria und ihre Lieblingsserie "Supernatural...