Kapitel 2

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Als es zur Mittagspause klingelt, beende ich noch den Satz, den ich gerade geschrieben habe, und beginne dann langsam meine Sachen zusammen zu packen, während alle um mich herum beim Klang des Geräusches aufspringen und in die Cafeteria hetzen. Sobald ich all meine Sachen ordentlich eingesammelt habe, mache auch ich mich gemächlich auf in die Cafeteria. Auf dem Weg dorthin, mache ich aber noch einen kurzen Halt an meinem Spind, um meine Bücher zu verstauen und mein Geld zu holen. Erst als mir der Geruch des Essens in der Mensa in die Nase steigt, merke ich, wie hungrig ich bin. Schnell stelle ich mich in die Schlange an und fange an darauf zu warten, dass ich dran bin.

Nach kurzer Zeit stellt sich ein Mitschüler hinter mich und fragt dämlich: "Ist das hier das Ende der Schlange?" Was ist das denn für eine Frage? Sieht er etwas irgendwo anders noch eine Reihe von Menschen irgendwo warten: "Nein, wir alle verkehrt herum. Du bist dran!" Leider fällt er darauf rein, da er einer der Menschen ist, der alles glaubt, was man sagt, um selbst nicht denken zu müssen. Das weiß jeder hier in der Schule! "Okay, danke", erwidert er und läuft einfach an mir vorbei zur Theke, wo das Essen ausgeteilt wird. Ich schlage mir eine Hand vor die Stirn. War ja klar! Logisch denkende Menschen sind so selten. Trotzdem folge ich ihm in meinem Blick, um die Reaktionen der anderen gut sehen zu können. Diese folgen sofort. Einige der Leute in der Schlange beginnen ihn leicht zu boxen, während andere ihm wüste Beschimpfungen an den Kopf werfen, was ich ziemlich heftig finde. Nun fühle ich mich doch schuldig, weil ich ihn auf die falsche Spur gelenkt habe. Ich wusste ja, dass er nicht unbedingt der Klügste ist.

Nervös beginne ich auf meiner Lippe herumzukauen und will gerade einschreiten, da tippt mir jemand auf die Schulter, wodurch ich erschrocken herumfahre und die Person hinter mir überrascht anblicke. Dann ändert sich mein Blick jedoch, da ich erkenne, wer mich da angetippt hat. Es ist mein unorganisierter Bruder Ryder. Wieso unorganisiert? Na ja, ich wette, dass er schon wieder sein Geld vergessen hat, weil er so lange gebraucht hat, um sich fertig zu machen. Jedenfalls ist es schon manchmal so und dann fragt er mich in der Mittagspause immer, ob er sich von mir etwas leihen kann. Weit voraus ahnend, ziehe ich einen 5 Dollar Schein aus meiner Hosentasche und halte ihn vor Ryders Nase. Dieser will sofort danach greifen, doch ich ziehe ihn schnell weg und verlange: "Hey, du bekommst mein Geld nur, wenn du versprichst morgen früh darauf zu achten, dass du selbst welches mitnimmst. Ich kann dir nicht ständig was leihen." Er legt eine Hand an seine Brust und hebt die andere zum Schwur: "Ich verspreche, dass ich morgen darauf achten werde." Das bringt mich wieder zum Lachen und ich stecke ihm das Geld in die Tasche: "Gut, hier hast du es." "Danke, Sis", erwidert er fröhlich und stellt sich hinter mir an. Egal wie oft wir miteinander streiten, ist es schön einen Bruder zu haben und ich würde ihn niemals eintauschen.

Als ich endlich daran bin, lächele ich die schwarzhaarige, etwas dickliche Cafeteriafrau freundlich an, doch sie blafft nur:"Spaghetti oder Fischstäbchen?" Ich will sie grüßen, doch sie fragt erneut, woraufhin ich antworte:"Spaghetti!" Die Frau greift nach ihrer riesigen Suppenkelle und einer riesigen Zange. Mit der Zange greift sie mehrmals in einen Topf mit Nudeln und zieht einige Spaghetti heraus. Diese klatscht sie auf meinen Teller. Darauf folgt dann auch sofort die rote Soße, die irgendwie ziemlich merkwürdig und so gar nicht wie Tomatensoße aussieht. Ohne einen weiteren Kommentar nehme ich den Teller und lege das Geld genau passend auf den Tresen.

Mit meinem blauen Tablett in der Hand, steuere ich auf einen Getränkeautomaten zu und krame umständlich ein Zweieurostück aus meiner Tasche. Umständlich versuche ich mit einem angestrengten Blick im Gesicht mein Tablett irgendwie auf meinem Oberarm zu positionieren und mit beiden Händen die Knöpfe des Automaten zu drücken, was leider total schief geht. Zwar schaffe ich es die Münze hineinzuschieben, doch die Tasten kann ich nicht mehr drücken, bevor das Tablett vom meinem Arm fällt. Doch es landet nicht, wie erwartet, auf dem dreckigen Cafeteriaboden, sondern in den Händen einer anderen Person. Verwirrt hebe ich den Kopf und blicke zu meinem Retter: "Oh Gott, danke Kyle. Wie kann es sein, dass du mich immer wieder rettest?" Auf seinen Lippen entsteht ein freundliches Lächeln, welches in mir einen Schauer der Freude verursacht. Ich liebe dieses Lächeln. Es ist so typisch für meinen Freund und total ehrlich. Um ihm das Tablett möglichst schneller wieder abnehmen zu können, drücke ich auf den Knopf für grünen Tee, nachdem ich einen Becher unter die Düse, aus der das heiße Getränk strömt, gestellt habe. Dann nehme ich es ihm endlich ab und packe den, nun vollen, Becher darauf. "Kommst du mir nach draußen?", frage ich, dann ein wenig gestresst von all den Sachen, mit denen ich gerade balanciere und laufe, mit ihm im Schlepptau, über die Flure nach draußen, ohne seine Antwort überhaupt abzuwarten. Ich bin mehr als froh darüber, dass er mir einfach hinterherläuft, ohne dass ich ihn lange darum bitten muss. Mit dem Fuß stoße ich die großen Türen auf und nehme dann, sobald ich draußen bin, einen kräftigen Atemzug. Ich liebe den Sommer. Einige der grünen Blätter segeln von den Bäumen hinunter und landen auf den grauen Steinen. All das Grüne um mich herum erweckt die Energie in mir und sorgt dafür, dass ich sofort den Drang verspüre mich irgendwohin zu setzen und nicht mehr rein zu gehen. Selbstsicher laufe ich auf den Tisch zu, an dem wir in jeder Pause sitzen. Mittlerweile setzt sich kein anderer mehr dahin, weil er weiß, dass es unser Tisch und die meisten Leute wollen sich mit mir keinen Tisch teilen, also hat sich die Möglichkeit für so gut wie alle bereits erledigt. Die meisten wissen aber auch nicht, dass es mich überhaupt gibt, obwohl ich schon seit sechs Jahren mit ihnen in den gleichen Kurs gehe. Gleichzeitig stellen Kyle und ich das Tablett auf der blauen Tischplatte ab und setzen uns. Zwar sind es nur billige Tisch, aber sitzen kann man daran trotzdem. "Wie war die Spanischstunde?", fragt mich Kyle interessiert, als ich mir gerade einige Spaghetti in den Mund schieben will. "Ganz gut", erwidere ich kauend. Zum Glück kann ich das auch ohne, dass zu schmatzen und allen ganz deutlich zu zeigen, was ich esse. Das ist nämlich ziemlich widerlich und mir wird immer schlecht, wenn ich den Leuten dabei zusehen muss, wie sie ihr Essen außerhalb ihres Mundes laut schmatzend verspeisen.

Morgan höre ich schon von weitem, als sie, mit ihrem Rucksack über der Schulter, herbeigelaufen kommt. Als ich sie ansehe, weiß ich genau, wieso sie sich so sehr beeilt. "Hast du etwa die sechste Stunde geschwänzt?", frage ich vorwurfsvoll. Sie weicht meiner Frage einfach aus: "Solltest du nicht lieber deinen Tee trinken? Sonst dehydrierst du." Ich verdrehe die Augen, freue mich aber trotzdem darüber, dass sie mir wenigstens zuhört. Schließlich sage ich oft genug, dass ich süchtig nach grünem Tee bin und dass mein Körper zu sechzig Prozent aus Wasser und zu vierzig Prozent aus grünem Tee. Es ist fast schon sowas wie eine Sucht. Ich bleibe jedoch beharrlich: "Versuch nicht vom Thema abzulenken. Du hast geschwänzt, oder?"

Doch sie antwortet auch dieses Mal nicht, sondern deutet nur auf etwas am Eingang der Schule. Überrascht folgen Kyle und ich ihrem Blick. Sofort entflieht ein genervtes Stöhnen meiner Kehle, welches meine momentane Gefühlswelt perfekt beschreibt.

Dort steht niemand geringeres als Ashley Walsh. Ihr langes blondes Haar fällt ihr in Wellen über die Schultern und in ihren hautengen Sachen zieht sie die Blicke von fast allen auf sich. Glücklicherweise gehörte ich normalerweise zu den Wenigen, die ihren Blick abwenden und weiter essen können, doch heute ist es anders. Dieses Mal ist ihr Cameron Ross, ihr fester Freund, auf den Fersen, was auch nichts Ungewöhnliches ist. Das Einzige ungewöhnlich ist, dass Cameron mehrere Briefumschläge in der Hand hält, die er sofort an alle zu verteilen beginnt. Es wundert mich, dass er das tatsächlich tut. Er ist der beliebteste Junge an der Schule und nebenbei noch Footballspieler. Fast könnte er einer dieser typischen Bad Boys aus den Büchern sein, die alle Teenager so gerne lesen. Sein blondes, strubbliges Haar fällt ihm in die Stirn und sicher würde einige Leute verdammt viel dafür geben ihm hindurch zu fahren. Aus dem Augenwinkel sehe ich bereits die ganzen Mädchen, die sich nach ihm verzehren und ihren Blick von ihm nicht abwenden können. Langsam gehen Cameron und Ashley alle Tisch ab und reichen jedem, hier draußen sitzenden, Schüler einen Briefumschlag.

Bei unserem Tisch bleibt Ashley stehen und schaut uns argwöhnisch an. Ich fühle mich fast wie in einem Zoo, in dem ich das Tier und sie die Besucherin ist. Unsere Blicke treffen sich und ich beginne die Zähne aufeinander zu pressen. Kann sie bitte einfach woanders hingucken? "Ist was?", fragt Morgan an meiner Stelle und spricht damit genau das aus, was ich gerade gedacht habe. Als sie jedoch nicht antwortet, haben Kyle, Morgan und ich einfach nur unsere Augenbrauen. Meine Finger schließen sich um den, mit Tee gefüllten, Pappbecher und ich beginne weiter zu trinken. Das Schweigen geht einfach so weiter, bis Cameron ebenfalls an unseren Tisch kommt und seinen Arm um seine Freundin legt: "Komm schon Baby, gib ihnen die Einladungen!" Mit einem genervten Seufzen nimmt sie zwei Einladungen und schleudert sie vor Morgan und Kyle auf den Tisch. Diese schauen das Paar überrascht an. Dass ich keine Einladung bekomme, war zwar schon klar, aber trotzdem verletzt es mich zu ein wenig. Man konnte es aber voraussehen, wenn man die Vergangenheit von Cameron und mir kennt.

Schon seit unserer Geburt sind wir Nachbarn und haben uns in den ersten Jahren auch ziemlich gut verstanden, aber etwas im Alter von zehn Jahren, kam Ashley in unsere Klasse und von da an veränderte sich alles. Er begann nur noch mit ihr befreundet sein zu wollen und dafür zu tun, was immer sie wollte, egal wie sehr er mich damit verletzte. In der Middle School ging es dann mit dem wirklichen Mobbing los und in der High School hat er kein Wort mehr mit mir gewechselt, was mehr oder weniger schade ist.

Ermahnend stößt Cameron Ashley leicht in die Rippen, woraufhin sie zu meiner Überraschung, ebenfalls einen Umschlag vor mich hin legt, was sie aber nicht schafft, ohne ihre Nase zu rümpfen, als sie unsere Blicke treffen. Meine Augenbrauen wandern fragend in die Höhe und auf meiner Stirn entstehen Falten. Verwunderung macht sich in mir breit: "Was ist das?" "Das sind Einladungen zur Party, die ich zu meinem achtzehnten Geburtstag feiere. Die ganze Schule ist eingeladen", erklärt er sofort, als er meinen Blick bemerkt. Genervt verdrehe ich die Augen. Das wird er so oder so wieder als Chance nutzen, um mich vor allen bloß zu stellen, was ich echt nicht brauche, weshalb ich die Einladung in die Hand nehme und in den Müll, der sich nur wenige Meter von uns entfernt befindet, werfe. Gerade als ich jedoch zum Wurf ausholen will, greift Morgan nach meinem Arm und hält mich auf: "Warte kurz, Katy. Sicher, dass du nicht doch hingehen willst. Das würde sicher lustig werden." "Nein", erwidere ich einfach sofort. Mein Entschluss, der eigentlich total feststand, gerät jedoch ins Wanken, als ich Cameron enttäuschten und auch ein wenig betrübten Blick sehe. Er wirkt als würde ihn mit meiner Aktion aus irgendeinem Grund verletzt haben. "Überleg es dir doch wenigstens", bettelt Morgan: "Du weißt, dass ich nicht gerne allein auf Partys gehe." Nun doch grinsend, verdrehe ich die Augen: "Na gut, ich überlege es mir, aber ich kann nichts versprechen." Nicht nur Morgan, sondern auch Cameron, strahlt vor sich hin. Mein Magen zieht sich jedoch bei dem Gedanken an die Party unangenehm zusammen und am liebsten würde ich sofort weglaufen.

Bin super unzufrieden hiermit!

Garvin LakesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt