Einen Tag nachdem ich Cameron die Ansage gemacht habe, hat er kein Wort mehr mit mir gewechselt und wirkte total in Gedanken versunken, wenn ich ihn im Unterricht oder auf den Fluren gesehen habe. Fast wirkte es so, als würde er alles um sich herum ausblenden. Kurz vor der Pause habe ich sogar gesehen wie erst fast gegen eine Tür im Flur gelaufen wäre. Zum Glück hat mein Bruder ihn gerade noch davor gerettet sich vor der ganzen Schule zu blamieren, obwohl er es wahrscheinlich schon irgendwie verdient hätte. Dann wäre ich wenigstens nicht die Einzige, die gegen irgendwelche Gegenstände läuft. Ich erinnere mich nur zu gut an die Laterne, dich ich mit dreizehn Jahren übersehen haben und an die Glastür, die mir ebenfalls irgendwie entgangen sein muss.
In meine Gedanken versunken, bemerke ich Morgan erst, als sie mir auf die Schulter tippt. Erschrocken zucke ich zusammen und schaue überrascht zu ihr auf. Sie streckt mir mit einer Hand die Kinokarten hin, die sie gerade gekauft hat, bis ich eine nehme. Während der Mittagspause in der Schule haben wir verabredet, dass wir noch am selben Tag nach dem Unterricht um sechs Uhr ins Kino gehen, weil ich mich total schuldig gefühlt habe, weil ich noch am vorigen Tag absagen musste. "Hey", grüße ich und werfe dann einen Blick auf die Karte, um sehen welchen Film sie ausgesucht hat. Den Titel kenne ich nicht, weshalb ich sie fragend ansehe: "Worum geht's in dem Film?" "Das ist ein Fantasyfilm. Ich weiß ja wie sehr du Fantasyzeugs liebst", grinst sie. Ich grinse sie dankbar an. Tatsächlich stimmt es, dass ich Fantasy liebe und das weiß sie auch. Auf meiner Seite des Zimmers, das ich mir mit meinem Bruder teile, liegen, überall auf dem Boden verstreut, Fantasybücher. "Wie lange bist du schon hier?", fragt Morgan interessiert und fummelt an dem Verschluss ihrer Tasche herum. "Seit etwa zehn Minuten", erwidere ich: "Also, noch nicht so lange. Ich hatte Angst, dass du denkst, dass ich nicht komme, wenn ich nach dir komme." Vorher hatte ich mir stundenlang überlegt, dass sie vielleicht denken könnte, dass ich sie schon wieder versetze, wenn ich zu spät komme. Ich hasse es meine Freundin zu enttäuschen und will echt nicht, dass sie wütend auf mich ist. Schließlich ist sie auch immer für mich da. Deshalb sollte ich auch immer für sie da sein und ihr wegen Cameron nicht absagen. Ich habe ein eigenes Leben, über das er gar nicht zu entscheiden hat und es macht mich verrückt, wenn er das versucht. Sie muss grinsen:"Nein, keine Angst. Ich verstehe es doch, wenn du einmal wegen etwas Wichtigem absagst." "Das ist ja der springende Punkt", erkläre ich: "Er wollte mit mir über nichts wirklich Wichtiges reden." Sie zieht fragend eine Augenbraue hoch: "Was dann?" Ich antworte nicht sofort, sondern weiche ihrem Blick aus.
Von der "Mate" – Sache kann ihr schließlich nicht erzählen und wie soll ich ihr, da erklären, warum er mich plötzlich Daten möchte, doch als sie mich nach wie vor eindringlich ansieht, antworte ich leise: "Er hat mich um ein Date gebeten." Grinsend sieht Morgan mich an, anstatt wütend zu wirken, weil ich ihr deshalb abgesagt habe, damit er mich fragen kann: "Wow, das hätte ich nicht erwartet. Was hast, du sagt?" Da muss ich ihr zustimmen. Wüsste ich nicht, dass ich seine Mate bin, was mich mittlerweile total nervt, könnte ich es auch nicht nachvollziehen, dass er plötzlich etwas von mir will. Zwar bin ich nicht total hässlich, aber Camerons und meine merkwürdige Vergangenheit hätte mich früher immer davon abgehalten einem Date zuzustimmen oder überhaupt länger als eine Minute mit ihm zu reden. Seit ich weiß, dass er mich, wie er meint, liebt, sehe ich ihn irgendwie mit anderen Augen. Ein wenig verändert hat er sich schon, wenn ich bedenke, wie er sich um meine Schulter gekümmert oder wie er mich in der Mensa nach seinem Geburtstag angesehen hat.
"Ich habe unter einer Bedingung zugestimmt", erkläre ich leise. Meine Stimme zittert ein wenig, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich es ihr erzählen soll oder nicht. In meinem Bauch flattert etwas unsicher und ich beginne mich zu fragen, ob das hier ein Fehler ist. Kann ich Morgan wirklich alles erzählen oder bringe ich sie damit in Gefahr? Vielleicht könnte jemand ja auch versuchen sie zu entführen, wenn sie zu viel weiß. Schließlich waren diese Werwolfjäger, die unseren Homecomingball unterbrochen haben, hinter den Werwölfen aus Garvin Lakes her, also wollen sie mich, als Camerons Mate, vielleicht auch in die Finger bekommen. "Welche Bedingung?", fragt sie interessiert und hört auf an ihren Sachen herumzuspielen. "Ich habe ihm gesagt, dass er mir beweisen muss, dass er sich verändert hat, damit ich mich von ihm nicht abwende", erkläre ich. "Das heißt, dass du ihm eine letzte Chance gegeben hast?!", schlussfolgert sie. Ich nicke widerwillig: "Genauso ist es!" Sie grinst: "Ihr habt also ein Date?" Zustimmend brumme ich ein leises "Ja". Gerade als sie noch mehr Fragen stellen will, sehe ich, dass wir nun in unser Kino hinein können, weil der Film gleich anfängt. Das kommt mir gelegen, weil sie nun beginnt gezieltere Fragen zu stellen, die ich lieber nicht beantworten sollte. Meine Angst mich zu verraten wird immer größer: "Oh, guck mal. Wir können jetzt ins Kino. Komm schnell!" Erst wirkt sie überrascht, doch dann folgt sie mir, als ich von dem Stuhl, auf dem ich gesessen habe, aufspringe und zu einem Mann laufe, der meine Karte abreißen soll. Aus dem Augenwinkel sehe ich Morgans verwirrten Blick. Zwar habe ich sie für einen Moment von dem Thema abbringen können, aber später wird sie sicher weiterhin Fragen stellen.
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Garvin Lakes
WerewolfKaty Freeman lebt schon schon ihr ganzes Leben lang in der kleinen Stadt Garvin Lakes. Sie ist eine gute Schülerin und führt eigentlich ein ganz normales Leben, doch nach einer Party zum 18. Geburtstag ihres Klassenkameraden Cameron verändert für si...