Der knallrote Soßenfleck auf meinem weißen Shirt sieht einfach nur scheiße aus. Hätte ich wenigstens auf meine Hose gekleckert, würde man es jetzt nicht offensichtlich sehen wie auf meinem Oberteil. Nicht mehr sonderlich hungrig, nehme ich den Teller mit Spaghetti von meinem Schoß und versuche ich ihn auf den weißen Holztisch zustellen, was von dem Platz auf dem Boden, den ich eingenommen habe, nicht sonderlich leicht. Zu meinem Leidwesen fallen einige der roten Nudeln auf den Teppichboden, als ich es fast geschafft habe. Schnell schiebe ich den Teller noch ein wenig weiter, damit nicht noch mehr herunterfallen kann und hebe dann die Nudeln auf, um sie in den schwarzen Mülleimer zu werfen, der nur wenige Zentimeter von mir entfernt steht.
Schnell wische ich mir mit einer weißen Serviette, die ich aus der Mensa mitgenommen habe, weg, was sich ziemlich schwer gestaltet, weil die Soße sehr hartnäckig ist. Daraufhin werfe ich auch das Papier weg und lehne meinen Kopf gegen die weiße Wand, an der ich sitze, seit die Pause begonnen hat. Ein wenig schläfrig schließe ich die Augen und versuche zu vergessen, dass ich gerade in der Schule bin.
Ich wollte es einfach darauf ankommen lassen, dass ich neben Kyle sitzen muss, denn das wäre momentan das Unangenehmste, was mir im Augenblick passieren könnte und wenn ich ihn bitten würde sich nicht zu uns zu setzen, würde Morgan nicht mehr aufhören mich mit Fragen zu bombardieren. Genau das ist der Grund, warum ich jetzt mit meinem Essen auf dem Boden der Bibliothek sitze und mich vor allen verstecke.
Wie von weit weg nehme ich Schritte wahr, die immer näher kommen und plötzlich in meiner Nähe halt machen. Überrascht öffne ich die Augen, weil es total untypisch ist, dass sich in der großen Pause jemand hierher verirrt.
Vor mir steht ein blonder Junge, der in mit einem grauen T-Shirt, über dem er eine schwarze Jacke trägt, und einer schwarzen Jeans bekleidet ist. Beide Augenbrauen hat er fragend in die Höhe gezogen, während sein rechter Mundwinkel ebenfalls weiter oben sitzt als sonst anders und die Belustigung dieser Geste ist kaum zu übersehen.
"Was tust du hier, Kat?", Cameron kommt langsam auf mich zu und hockt sich vor mich. "Ich esse", antworte ich sofort, versuche aber gleichzeitig, aus Angst, dass er mir ansieht, was los ist, seinem Blick auszuweichen. Ein belustigtes Lachen entfährt ihm: "Nein, ich sehe doch, was los ist?" Sofort meine ich zu spüren, wie meine Wangen sich genauso rot färben wie die Tomatensoße, die ich vorher gegessen habe: "Oh Gott, echt?" "Ja, du versteckst dich hier vor irgendwem", sagt er ruhig und legt seine Hand auf meine. Erleichtert seufze ich. Glücklicherweise weiß er nicht, was wirklich los ist. Zwar merkt er, dass etwas los ist, aber nicht was los ist und wenn es nach mir ginge, soll er das auch nie erfahren, obwohl ich weiß, dass Lügen in einer Beziehung eigentlich gar nicht gehen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es besser ist, wenn er das nicht weiß. Wahrscheinlich würde Cameron Kyle wortwörtlich umbringen, wenn er davon wüsste und das kann ich nicht zulassen, denn obwohl ich momentan wenig Lust auf meinen früheren besten Freund habe, will ich nicht, dass er Krach mit meinem Freund hat.
"Also, wovor versteckst du dich?", bohrt er weiter und streichelt gleichzeitig sanft meine Hand. "Ich verstecke mich nicht", lüge ich hartnäckig: "Ich bin nur hier, weil ich noch ein paar Informationen für mein Geschichtsreferat brauche, dass ich in ein paar Tagen halten muss." "Wieso benutzt du nicht einfach das Internet?", fragt er verwundert, was mich dazu bringt amüsiert die Augen zu verdrehen: "Weil Bücher oft viel bessere Quellen sind. Außerdem gibt unsere Geschichtslehrerin Extrapunkte für die Recherche in Büchern." "Echt jetzt? Wieso hast du das nicht eher gesagt?", fragt er ehrlich überrascht: "Da muss ich mir ja vielleicht mal einen Büchereiausweis zulegen." "Ernsthaft? Du hattest doch noch nie ein richtiges Buch in der Hand, außer vielleicht ein Malbuch!" "Hey, ich hatte als kleines Kind auch mal so ein Buch aus der Sesamstraße", scherzt er gut gelaunt. Seine positive Stimmung reißt mich mit und lässt mich die Probleme mit Kyle für einen kurzen Moment vergessen, doch dieser Zustand hält nur an, bis Cameron weiter spricht: "Kann ich dich um etwas bitten, Katy?" Verwundert sehe ich ihn an und Spannung darauf, was er wohl von mir wissen kann, baut sich in mir auf: "Klar, immer raus damit!" Kurz räuspert er sich und sieht mir dann tief in die Augen: "Es ist mir unangenehm dich das zu fragen, aber heute ist die Beerdigung der Wölfe aus unserem Rudel, die vor wenigen Tagen gestorben sind, weshalb ich dich fragen wollte, ob du meine Begleitung sein willst." Unbewusst klappt mir mein Kiefer nach unten und ich sehe ihn überrascht an. Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass Cameron mich genau darum bittet, doch irgendwie finde ich den Gedanken anziehend, dass er mich in ein wichtiges Ereignis seiner Gemeinschaft einbinden will, weshalb ich wie von Sinnen nicke: "Natürlich, komme ich mit, wenn du dir das wünscht, aber dann musst du mir unbedingt sagen, was man zu einer Werwolfbeerdigung anzieht." Meine Worte haben ein schallendes Lachen zur Folge, woraufhin er sich grinsend den Bauch hält: "Ist das dein Ernst? Das ist das Erste, was du im Bezug darauf wissen willst?" "Ja, ist es. Ich will mich halt anpassen und nicht total fehl am Platz wirken, wenn ich da aufkreuze. Außerdem wäre ein Danke deinerseits nicht schlimm." "Tut mir leid, du hast natürlich recht. Danke, dass du mit mir kommst und natürlich werde ich dir alles erklären, wenn du das willst." Zufrieden drücke ich seine Hand sanft und liebevoll: "Natürlich, möchte ich das wissen. Schließlich bin ich deine Mate und es kommt nicht gut rüber, wenn ich nicht richtig informiert bin, oder?" Erst scheint es, als würde er überlegen, was er sagen soll, doch dann dreht er mein Gesicht zu sich und drückt seine Lippen sanft auf meine.
Wie immer bereitet sie ein mehr als gewohntes Kribbeln in mir breit und sorgt dafür, dass es für mich so anfühlt, als würde die Zeit still stehen.
Als er sich nach wenigen Sekunden, die für mich viel zu schnell voran schreiten, löst er sich wieder von mir. "Wieso grinst du so?", frage ich als Reaktion auf das breite Grinsen, dass er gerade aufgesetzt hat. "Ich bin echt super im Überzeugen", sagt er selbstsicher, doch ich verpasse seinem Ego einen kleinen Dämpfer: "Nein, hast du nicht. Ich habe mich selbst dazu entschlossen mit dir dahin zu gehen. Das hat nichts mit deinen Überzeugungskräften zu tun, Cam." Sein Grinsen erstirbt sofort und wird zu einem traurigen Schmollen, dessen Zweck es wohl ist, mich weich zu machen, doch so leicht gebe ich mich nicht geschlagen.
Stattdessen stehe ich vom Boden auf, greife nach meinem noch ziemlich vollen Teller und strecke ihm die Hand entgegen, um ihm hoch zu helfen: "Jetzt komm, ich bringe meinen Teller weg und dann erzählst du mir alles, was ich wissen muss." Widerwillig blickt er mich erst an, greift dann aber doch nach meiner Hand und lässt sich von mir auf die Füße helfen: "Du bist der Boss, Kat!"
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Garvin Lakes
Hombres LoboKaty Freeman lebt schon schon ihr ganzes Leben lang in der kleinen Stadt Garvin Lakes. Sie ist eine gute Schülerin und führt eigentlich ein ganz normales Leben, doch nach einer Party zum 18. Geburtstag ihres Klassenkameraden Cameron verändert für si...