Kapitel 48

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Das Wasser des Sees schlägt seichte Wellen, doch der Wind ist alles andere als frisch. Grinsend schließe ich die Augen und genieße die warme Sommerbriese, die an den Ärmeln meines T-Shirts zehrt und meine Haare umherwirbelt. Zwar war mir während der Anreise so kalt, dass ich eine Strickjacke anziehen musste, doch hier auf der Farm scheint das Wetter völlig anders zu sein. Es ist weder zu warm, noch zu kalt. Einfach nur angenehm.

"Also, bist du bereit schwimmen zu gehen?", fragt Cameron grinsend. Irgendwann auf dem Weg hierher hat er meine Hand genommen und sie bisher noch nicht wieder losgelassen. "Wir haben gar keine Badesachen", merke ich gerade erst jetzt. Cameron hat mich viel zu sehr beschäftigt, um daran zu denken. "Ist das schlimm? Wir könnten auch einfach unsere Sachen ausziehen", harkt er vorsichtig nach, doch der Gedanke, dass wir im Notfall nackt schwimmen könnten, scheint ihm gar nicht so sehr zu missfallen. "Nein, das war nur eine Feststellung. Sonst nichts", als er grinst, wächst meine Vermutung, dass er mich extra nicht daran erinnert hat Schwimmzeug mitzunehmen, immer weiter. Den Triumph werde ich ihm aber mich Sicherheit nicht gönnen. "Denkst du, dass das Wasser kalt ist?", lenke ich deshalb ab. "Eiskalt wahrscheinlich", grinst er.

Ohne lange zu überlegen, ziehe ich meine Schuhe aus, kicke sie mit einem Fuß zur Seite und laufe, über die braune Erde hinweg, auf den See zu. Kurz bevor Wasser und Festland aufeinander treffen, stoße ich mich vom Boden ab. Für wenige Sekunden fühlt es sich so an, als würde ich fliegen und ein überwältigendes Gefühl der Freiheit macht sich in mir breit. Als ich, mit den Füßen zuerst sammt Kleidung in das Wasser eintauche, bekomme ich allerdings fast einen Schock. Es ist, wie mein Freund es mir prophezeit hat, wirklich eisig. Sobald mein Kopf die Wasseroberfläche durchstoßen hat und wieder aufgetaucht ist, wische ich mir die braunen Haare, die nun überall an meiner Stirn kleben, und sehe meinen Mate auffordernd an: "Kommst du auch, du Memme?"

Diese Worte reichen, um seinen Kampfgeist zu wecken. "Ich bin keine Memme", widerspricht er und folgt mir mit einer Arschbombe ins Wasser. Grinsend schwimme ich langsam auf die Stelle zu, an der er eingetaucht ist.

Dort taucht er allerdings, zu meiner Überraschung, nicht mehr auf. Ein wenig verwundert sehe ich mich nach seinem blonden, aus dem Wasser ragenden, Haarschopf um, kann ihn allerdings nirgends entdecken. "Cameron?", rufe ich ein wenig verwirrt. Mit jeder Sekunde, in der er nicht auftaucht, mache ich mir mehr Sorgen um ihn.

Plötzlich schieben sich Hände um meine Augen und verbauen mir die Sicht. Kurz darauf spüre ich warmen Atem an meinem Hals: "Du warst ja richtig panisch, als du mich nicht gefunden hast." Diese 'Augen zu halten'-Nummer also wieder! Irgendwie scheint es ihm wirklich zu gefallen, wenn ich nicht sehen kann, was er macht. "Tut mir leid, dass ich mir nun mal Sorgen mache, wenn du auf einmal nicht mehr da bist", mein Tonfall ist bissiger als gewollt, denn scheinbar hat er sich absichtlich vor mir versteckt: "Und jetzt nimm deine Hände weg."

Von meiner plötzlich aufkommenden, schlechten Laune überrumpelt, nimmt er die Hände tatsächlich weg und dreht mich herum. Dass er das so einfach machen kann, obwohl ich gar nicht so gleich bin, verwundert mir. Werwolfbonus wahrscheinlich.

"Tut mir leid, aber ich wollte nur sehen, dass ich dir wichtig bin", mit dem Daumen fährt er sanft über meinen Mundwinkel. Dieses Mal zieht diese Zärtlichkeit bei mir aber nicht, dafür tun seine Worte einfach viel zu weh. "Du musst wirklich einen Test machen, um zu wissen, dass du mir wichtig bist, du Arschloch?", meine Stimme klingt schrill und bebt leicht: "Wärst du mir nicht wichtig, wäre ich wohl kaum mit dir hierhergefahren oder hätte an der Beerdigung von zwei Toten teilgenommen, deren Namen ich vorher nicht mal kannte? Warum können Jungs niemals erst denken, bevor sie handeln."

Überrascht von meiner Enttäuschung über sein Verhalten, sieht er mich stumm an. Das Licht des Mondes, der zu meiner Rechten bereits aufgeht, spiegelt sich in seinen Augen. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis er die Stimme hebt und somit die Stille zum Zerreißen bringt: "Tut mir leid, Kat. Ich dachte nur, dass ich dir nicht so viel bedeute, wie du mir, weil du es noch nie gesagt hast." "Dass ich dir etwas bedeute?", forschend kneife ich die Augen zu kleinen Schlitzen zusammen. "Nein, das andere", erst ist mir nicht klar, was er meint, doch dann wird mir klar, was er mir damit sagen will. Und da wird es mir klar! Ich habe die drei magischen Worte wirklich noch nie erzählt. Diese Erkenntnis trifft mich fester als jeder Schlag, den ich je eingesteckt habe, und bevor ich nur lange genug darüber nachdenken kann, öffne ich den Mund und beginne zu sprechen: "Ich liebe dich."

Wie gewünscht ist hier jetzt das neue Kapitel!

Garvin LakesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt