Kapitel 25

685 44 23
                                    

Mit einem schwarzen T-Shirt, welches Cameron gehört und mir viel zu lang ist, und einer kurzen Schlafhose in der gleichen Farbe, die eigentlich Claire gehört. Meine Füße habe ich nur mit Socken bekleidet, die gar nicht dazu passen. Die Sachen, die ich auf dem Ball getragen habe, habe ich in Camerons Zimmer gelassen, obwohl ich mein Kleid sowieso sofort in die Tonne kloppen konnte.

Unsicher komme ich die Treppe hinunter und entdecke Cameron, der auf dem Sofa sitzt und an seinem Handy herum hantiert. Interessiert steige ich langsam weiter die Treppe hinunter, um ihn nicht zu stören und bleibe dann am Treppenabsatz stehen. Mit meinem Ellenbogen stütze ich mich auf das Geländer und betrachte den Wolfsjungen.

Verbissen tippt er auf dem Display herum und flucht hin und wieder laut, was mich zum Lachen bringt, weil manche der Flüche einfach lächerlich klingen. Irgendwie süß ist er aber schon. Nein, Schätzchen. Diese Gedanken sind falsch!

Langsam und so leise ich kann, gehe ich auf ihn zu und stütze mich rechts und links von seinen Schultern ab. Als er nichts merkt, weil er so sehr auf sein Handy konzentrier ist, lehne ich mich mit dem Kopf über seine Schulter bis zu seinem Ohr und erschrecke ihn: "Buh!" Er erschreckt sich so sehr, dass er fast sein Handy fallen lässt und schaut mich dann verärgert an: "Oh man, Kat. Was sollte das denn?" Ich grinse belustigt über seine Reaktion und erwidere nichts. Sanft spüre ich seinen Atem auf meinem Gesicht und erst jetzt fällt mir auf, wie nah unsere Gesichter in diesem Moment aneinander sind. Auch Cameron scheint es gemerkt zu haben, denn er bewegt sein Gehirn immer weiter zu meinem. Genau in dem Moment, in dem seine Stirn fast meine berührt, zucke ich zurück und gehe ums Sofa herum, um mich dann, genau neben Cameron darauf fallen lassen. Entspannt lege ich meine Beine wieder um seinen Schoß und lasse den Kopf in den Nacken fallen:"Und? Wie steht mir dein Shirt?" "Gut", sagt er und legt sein Handy auf den Tisch. Für einen kurzen Moment betrachtet er mich nachdenklich und zieht dann sanft an meinen Socken:"Wehe du stinkst meine Socken voll, Kat." "Ach, wenn du die getragen hast, sind die ja schon einiges gewöhnt", necke ich amüsiert.

Kaum merke ich, wie mein Ärmel nach oben rutscht, doch Cameron bemerkt es sofort und schaut mich verwundert an: "Was hast du da an der Schulter, Kat?" Nun bemerke ich es auch und schiebe den Ärmel schnell nach unten: "Was meinst du? Da ist nichts?" Natürlich habe auch ich den großen lilafarbenen Fleck, der sich auf meiner Schulter ausbreitet, gesehen als ich vorhin in den Spiegel geschaut habe, aber ich hatte trotzdem gehofft, dass Cameron es nicht sieht, sodass ich mich, wenn ich wieder zu Hause bin, selbst darum kümmern kann. Wenn er mich, wie er sagt, nämlich wirklich liebt, wird er mich nicht einfach abwarten lassen, bis alles wieder verheilt ist, sondern total durchdrehen. Zwar schmerzt meine Schulter fürchterlich, aber eine Schmerztablette wird mir wenigstens für heute die Schmerzen nehmen, bis ich dann morgen zum Arzt gehe. Doch Cameron scheint das nicht einfach hinnehmen zu wollen.

Sanft zieht er mich auf seinen Schoß und sieht mir tief in die Augen:"Ich erkenne es, wenn du lügst, Kat." Mein Herz beginnt schneller zu schlagen und ich versuche mich von ihm runter zu bewegen, doch er legt seine Hände an meine Hüften, um mich auf sich zu halten. Wegen all des Körperkontaktes beginne ich leicht zu schwitzen. Merkt er nicht, wie unangenehm mir das ist? Ohne seinen Blick von meinem Gesicht abzuwenden, legt er eine Hand an mein Handgelenk und lässt seine Finger dann meinen Arm hinauf gleiten. Sofort bekomme ich eine Gänsehaut. Dann ist er bei meinem Ärmel angekommen und schiebt ihn nach oben, bis meine ganze Schulter frei liegt. Vorsichtig bewegt er seine Finger auf die große lilane Stelle und wartet meine Reaktion ab. Ich zucke vor Schmerzen zusammen und stoße einen leisen Fluch aus. Nun wendet er seinen Blick doch von meinem Gesicht ab und widmet sich nun meiner Schulter. Bei dem Anblick verengen sich seine Augen und ich sehe genau, dass er gerade am liebsten ausrasten würde. "Das sieht gar nicht gut aus, Kat", stellt er fest und versucht dabei so neutral wie möglich zu klingen, doch ich sehe, wie sehr ihm, das zu schaffen macht. "Ich weiß", gebe ich zu: "Ich wollte heute eine Tablette nehmen und morgen dann zum Arzt gehen." Kurz überlegt er: "Ich glaube, ich habe da eine viel schnellere Lösung. Geh mal von mir runter!" Erleichtert darüber, dass ich endlich wieder auf dem normalen Sofa sitzen darf, lasse ich mich auf den grünen Stoff zurückfallen und folge mit meinen Blicken Cameron, der schon wieder in die Küche verschwindet. Heute scheint das echt sein Liebling Ort zu sein!

Automatisch runzele ich die Stirn, als ich mit welchen Gegenständen in den Händen er zurückkommt, sage aber nichts, weil ich zu neugierig darauf bin, was er vorhat. Ich sehe zu wie er sich vor mir auf die Knie fallen lässt und den Ärmel erneut nach oben rollt, um wieder eine gute Sicht auf meine Schulter zu erhalten. Seine Hilfsmittelchen hat er auf dem Tisch abgestellt und wirkt fast wie ein Arzt, als er meine Haut nun ganz fachmännisch beäugt. Ohne seinen Blick zu heben und mir ins Gesicht zu schauen, nimmt er ein Glas mit einem widerlich riechenden, grünen Gemisch vom Tisch und recht es mir:"Trink das bitte." Skeptisch rieche ich einmal daran, bereue es aber sofort und würde meine Tat am liebsten rückgängig machen. So etwas Schreckliches habe ich noch nie zuvor gerochen. "Ich will das nicht trinken", murre ich und halte mir die Nase zu. Genervt starrt er mich an: "Los jetzt, runter damit!" Hin- und hergerissen kaue ich auf meiner Lippe herum und überlege, was ich jetzt tun soll. Letztendlich komme ich zu dem Entschluss, dass Cameron mich, wahrscheinlich, nicht vergiften, sondern mir nur helfen will - was ich stark hoffe -, weshalb ich mir die Nase zuhalte und das Gesöff in mich hinein kippe. Im ersten Moment schmeckt es gar nicht so schlecht, doch als ich gerade denke, dass es doch ganz erträglich ist, beginnt es scheußlich zu schmecken und mir fällt fast das Glas aus der Hand, weshalb ich es schnell absetze. Cameron blickt mich vorwurfsvoll an: "Hab dich nicht so. So schlecht schmeckt es schon nicht." Er hat ja gut reden. Wahrscheinlich hat er selbst das noch nie getrunken, sondern irgendwelche besonderen Werwolfheilungskräfte, die ihm das hier ersparen. Doch als der Schmerz in meiner Schulter plötzlich nach lässt, bin ich dankbar darüber, dass ich das Getränk getrunken habe. Überrascht werfe ich einen Blick auf meine Schulter und bemerke, dass der schreckliche lila Farbton durch ein weniger leuchtendes gelb-grün ersetzt wurde. Es wirkt, als wäre eine Woche vergangen in der ein blauer Fleck einfach nur Scheiße aussieht und durch das Endstadium eines Blutergusses ersetzt worden. Zum Test drücke ich vorsichtig auf meine Schulter. Schmerzen tut es zwar trotzdem noch, doch viel abgeschwächter als noch einige Sekunden zuvor. Wie verzaubert starre ich Cameron an und wahrscheinlich steht mein Mund sperrangelweit offen, doch das ist in diesem Moment das, was mich am wenigsten interessiert. Der Junge hat bereits begonnen sanft etwas Salbe aufzutragen und einen Verband um die, ein Stück weit verheilte, Verletzung herumzuwickeln. "Wow, ich will mehr haben", bettele ich, doch Cameron sieht mich ernst an: "Vergiss es. Trink noch ein Glas mehr und du musst automatisch kotzen. Frag deinen Bruder!" Betreten blicke ich ihn an: "Na gut, dann halt nicht. Aber danke trotzdem." Urplötzlich und total unbewusst beginne ich laut zu gähnen. "Müde, Kat?", fragt er und streichelt meine Wange sanft, was mir irgendwie unangenehm ist. "Ja", gähne ich erneut und stehe von der Couch auf. "Willst du heute in meinem Bett schlafen?", fragt er und fügt dann noch hinzu: "Ich schlafe auch hier auf dem Sofa, wenn du das willst." Kurz denke ich über sein Angebot nach, bis ich dann erkenne, dass es vernünftig und dass ich mich darauf einlassen sollte: "Das klingt tatsächlich gut." "Gut, dann bringe ich dich eben nach oben", er reicht mir seine Hand, welche ich grinsend ergreife. Macht er jetzt etwa einen auf Gentleman?

Garvin LakesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt