Kapitel 35

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Gelangweilt stochere ich in meiner Lasagne herum und versuche so gut es geht an den Gesprächen meiner Freunde teilzunehmen, obwohl mir das sichtlich schwerfällt. Meine Gedanken kreisen schon seit Beginn der Mittagspause um nichts anderes als meinen Nachbarn Cameron und seine Verwandlung zum Werwolf. Seit er mir gesagt hat, dass er sich bald verwandeln wird, frage ich mich, wie sowas abläuft und ob es weh tut. Ich habe mir vorgenommen ihn bei einer passenden Gelegenheit einmal zu fragen. Schließlich bin ich seine Mate und habe das Recht so etwas zu erfahren. Wenn er dieses Argument immer nutzen darf, kann ich das schließlich sicher auch einmal tun. Das ist doch nur fair!

Als sich plötzlich jemand neben mir räuspert, werde ich sofort zurück in die Realität gezogen und zucke fast augenblicklich zusammen. Erschrocken blicke ich zu der Person, die sich rechts neben mir postiert hat, hinauf. Aus seinen, nachwievor leuchtenden, Augen blickt er mich freundlich an und sofort fällt mir das Lächeln auf, das auf seinen Lippen immer breiter wird. Aus dem Augenwinkel sehe ich die verwirrten Blicke meiner Freunde, die ihre Unterhaltung unterbrochen zu haben scheinen, um uns zuzuhören. Natürlich weiß ich genau, was er will, aber für einen kurzen Moment werde ich ihn noch zappeln lassen. Deshalb wende ich mich wieder an Morgan und frage: "Wie war der Matheunterricht gerade eigentlich?" "Katy", sagt sie warnend und schaut vielsagend zu Cameron herüber, um mir indirekt zu sagen, dass ich benehmen und Cameron fragen soll, was er will, doch ich habe weiterhin vor sie zu ignorieren, aber plötzlich stellt mir jemand etwas vor die Nase.

Ich brauche einige Sekunden, um zu verstehen, dass es Camerons Hand war, die sich in mein Sichtfeld geschoben hat. Einige weitere Sekunden dauert es, dann bis ich den weißen Becher bemerke, der vor mir auf der schweren Tischplatte steht. Sofort sehe ich durch die weiße Pape, die eine grüne Flüssigkeit in sich festhält, dass sich mein Lieblings Tee im Inneren befindet. Weiß er etwa, dass ich nahezu süchtig nach grünem Tee bin. Überrascht hebe ich den Kopf und starre Cameron an: "Was ist das?" Sein Grinsen kann er nicht unterdrücken: "Ein Tee, Kat!" "Ich weiß", sage ich kopfschüttelnd, um klarzustellen, dass ich nicht komplett dumm bin: "Eher wollte ich wissen, warum du mir einen Milchshake vor die Nase stellst." "Weil ich dir einfach etwas Gutes tun wollte, Kat", der Spitzname klingt aus seinem Mund fast wie ein Gebet, was mein Herz auf eine wunderbare Weise erwärmt. "Danke", grinse ich und höre, wie Morgan fragt, ob er sich zu uns setzen will, was er mehr als gerne zu hören scheint, wenn man bedenkt, wie schnell er sich neben mich auf die Bank quetscht. Sein Arm schlingt sich um mich herum und zieht mich sanft an Cameron heran, was bei meinem besten Freund Kyle ein genervtes Schnauben auslöst. Für einen Moment frage ich mich, was er hat, doch dann hallen Morgans Worte in meinem Kopf wieder und erinnern mich daran, dass Kyle, ihrer Meinung nach, auf mich steht, was ich aber immer noch nicht wirklich glaube. Um allen am Tisch einen Gefallen zu tun, antworte ich lieber nicht, sondern wende mich an Cameron. Dann reicht mir Cameron noch eine Tüte und zieht im Gegenzug meine Lasagne zu sich herüber. Fragend sehe ich ihn an: "Was wird das?" "Ich esse deine Lasagne", erklärt er und krallt sich dann auch noch meine Gabel vom Tablett. Perplex sehe ich ihn an, doch dann schiebt er mir die Papiertüte hin: "Hab dir im Gegenzug noch was mitgebracht." Mit einem mehr als fragenden Blick öffne ich die Tüte, muss dann aber grinsen, als ich sehe, was sich darin befindet: "Woher weißt du, dass ich Donuts mag?" "Ich habe da so meine Quellen", murmelt er ordentlich kauend. "Wieso kaufst du mir ausgerechnet heute etwas zu essen?", frage ich verwundert. Er zuckt mit den Schultern: "Heute habe ich eben meine Spendierhosen an!"

Sofort ertappe ich mich, wie mein Blick zu seiner Hose wandert, was meinem Nachbarn selbst wohl aufzufallen scheint. Schnell versuche ich meinen Blick von dem Schoß abzuwenden – nicht so, dass ich den Anblick nicht genieße- und ihm wieder ins Gesicht zu schauen.

Lieber achte ich auf den Geruch des Gebäcks in der Tüte, ziehe ich den pinken Donut mit einer Handbewegung heraus und betrachte ihn gierig. Ich spüre, wie sich mein Nachbar sich zu meinem Ohr hinunterbeugt: "Ich wünschte, du würdest mich mal ansehen, wie du diesen Donut ansiehst." Seine Worte lassen mich angenehm erschaudern, sorgen gleichzeitig aber auch dafür, dass meine Wangen einen rosa Farbton annehmen.

Morgans Blick verrät mir, dass sie gehört hat, was er gesagt hat, weshalb meine Augen sich plötzlich weiten. Das Lächeln, welches sich auf ihren Lippen schlichen hat, ist selbst in ihrer Stimme wieder zu finden: "Ich finde es so merkwürdig, dass du zu jeder Tageszeit Donuts essen kannst, Katy." Grinsend beiße ich in die Süßigkeit: "Donuts sind auch nur schwule Bagels." (War kein Angriff auf Homosexuelle! Ich habe nichts gegen Homosexuelle!) Lachend wischt Cameron einen kleinen Rest Zuckerguss, der an meinem Mundwinkel klebengeblieben ist, weg: "Du kommst nach der Schule doch mit zu mir, oder?" Seine Finger betäuben meinen Mund und ich bekomme das Gefühl, dass ich unfähig bin zu antworten, weshalb ich lieber nur nicke, ohne darüber nachzudenken, wo ich gerade zugestimmt habe. Ach, dieser Junge bringt mich einfach um den Verstand und entfacht in mir die merkwürdigsten Gefühle!

Garvin LakesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt