37.

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Ich strich durch seine nassen Haare. Sein Kopf lag auf meinem Bauch und seine Hände fuhren über den weichen Stoff seines Pullis. "Brandon bitte sag mir jetzt was los ist. Du machst mir Angst". Er atmete hörbar tief ein und aus.

"Es war kurz vor meinem 15. Geburtstag. Die Europameisterschaften standen an. Fabienne und ich waren in top Form und so gut wie nie. An jenem Tag hatten wir Training. Unser Trainer wollte die neue Hebefigur üben. Es war eine sehr waghalsige Figur. Fabienne sollte sich dreimal drehen ehe ich sie wieder fange. Wir übten die Kür bis zu der Stelle der Hebefigur. Fabienne stieß sich ab, sprang hoch und drehte sich. Nur leider falsch. Ich konnte sie nicht fangen und sie kam mit der Kufe an meinen Arm. Es hat sofort geblutet und alles war rot. Mein Trainer hat mich ins Krankenhaus gebracht weil die Wunde genäht werden musste. Da der Verdacht auf Blutvergiftung bestand, nahm man mir Blut ab. Seid diesem Tag hatte ich das Krankenhaus nicht mehr verlassen. Ich hatte Leukämie Maddy".

Mir stockte der Atem. Ohne es zu bemerken schossen Tränen aus meinen Augen. Brandon setzte sich auf und sah mich an.

"Ich hatte Blutkrebs. Nachdem ich die Diagnose bekam brach für mich meine Welt zusammen. Ich wollte sterben. Ich wollte aufgeben. Ich wollte keine Therapie, keine Hilfe. Bis mir Amelia den Kopf gewaschen hat. Sie sagte ich solle an mich glauben. Ich solle Hoffnung haben und um mein Leben kämpfen. Es nicht so einfach weg werfen. Ich hab sie damals ausgelacht und sie gefragt wofür es sich noch zu kämpfen lohnt. Sie meinte man soll für die Menschen kämpfen die einen lieben und die man selbst liebt. Ohne Amelia hätte ich es nie geschafft. Meine Mutter ist unter der Last meiner Krankheit zusammen gebrochen. Mein Vater hat sich vor mir geekelt. Er hat meine Mutter verlassen und sich eine neue Frau gesucht. Meine anderen beiden Brüder, Samuel und Nick, wollten auch nichts von mir wissen. Nick hatte nur seine Karriere als Motorradfahrer im Kopf und Samuel sein Auslandsjahr in Australien bei den Ureinwohnern. Natürlich hatte sich Amelia testen lassen. Doch sie war negativ. Weder sie noch Mom konnten mir helfen. Also wurde ich auf die Liste von Eurotransplant gesetzt. Aber es kann lang dauern bis man ein passendes Knochenmark findet. Die Monate vergingen und kein passendes Knochenmark. Auf meinem Kopf waren weniger Haare als bei meiner Geburt. Ich fühlte mich nicht nur körperlich schlecht, sondern auch seelisch. Bis Amelia mir die dunkelblaue Cap geschenkt hat. So konnte ich meinen kahlen Kopf bedecken. Eines Nachts bin ich aus dem Krankenhaus ausgebrochen. Ein paar Freunde, die sie zu dem Zeitpunkt nicht mehr waren, wollten ein Autorennen fahren. Mir war es sowieso egal ob ich lebe oder sterbe. Also bin ich gefahren. Ich hab sogar gewonnen doch es war mir eigentlich egal. Die Suche nach einem passenden Knochenmark ging weiter. Inzwischen war ich über ein Jahr im Krankenhaus gefesselt. Bis plötzlich alles ganz schnell ging. Mein Arzt kam in mein Zimmer gestürmt und meinte man hätte ein Knochenmark das zu 100% passt. Ich wurde in den OP gebracht und operiert. Als ich aufwachte saß meine Mutter an meinem Bett und weinte bitterlich. Ich hab sie gefragt warum. Sie hielt mir einen Zeitungsartikel hin. Ein Motorradfahrer war tödlich verunglückt. Ich suchte nach dem Namen. Nick Wilder. Mein ältester Bruder hatte mir das Leben gerettet indem er starb. Ich konnte mit dieser Last nicht weiter in Paris leben. Deshalb habe ich mich für das Jahr entschieden. Beim Abschied von Amelia habe ich so geweint, dass ich meinen eigentlichen Flug verpasst hatte. Ich wollte Amelia nicht verlassen. Aber als ich dann bei euch ankam und dich das erste Mal sah, war ich sofort in dich verliebt. Wie du in mich reingelaufen bist und dachtest ich wäre dein Bruder. Ich fand dich sofort niedlich. Doch ich habe dich auch gehasst. Du hast mich so sehr an Amelia erinnert. Ich wollte nicht an die grausame Zeit denken. Darum habe ich dich anfangs gehasst. Doch mit der Zeit haben meine positiven Gefühle für dich überwogen. Als ich Amelia heute morgen gesehen habe, kam alles wieder hoch. Der Schmerz den ich fühlen musste, die Trauer um Nick, sie gemischten Gefühle für dich".

Bis jetzt war er ruhig und gefasst doch im nächsten Moment schossen ihm die Tränen aus den Augen. Ich zog ihn an mich und er weinte an meine Brust. Er schlang seine Arme um meinen Bauch. Und er weinte.

Das verflixte Jahr    #Wattys2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt