6.Kapitel

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Nach einigem Suchen fand er ihn.

Na endlich.

Ausgestreckt lag er auf der Hügelkuppe, als würde er in den strahlend blauen Himmel schauen, während der Wind mit seinen langen schwarzen Strähnen spielte.

Kuro sah aus als ob er schliefe.

Das war seineChance.

Möglichst lautlos zog er einen Samen aus dem Beutel an seinem Gürtel. Er hatte die Größe einer Walnuss, war aber glatt und brachte wunderbare Schlingpflanzen hervor mit denen man so einiges anstellen konnte. Doch am wichtigsten war im Moment, dass er sich gut werfen ließ.

Die Wölfin an seiner Seite beobachtete ihn aufmerksam.

Inuki bedeutete ihr leise zu sein und holte aus.

Pfeilschnell überbrückte der Samen die zwanzig Meter. Da er selbst weiter unten am Hang stand hatte Inuki keine andere Wahl gehabt, als in einem Bogen zu werfen. Wenn alles klappte würde das Wurfgeschoss genau auf seiner Stirn landen.

Tja, da war wieder dieses 'wenn'.

Natürlich klappte es nicht.

Einen Moment bevor der Samen sein Ziel erreichte hob Kuro den Arm vor das Gesicht und fing ihn sicher zwischen zwei Fingern.

„Netter Versuch,Brüderchen."

Locker aus dem Handgelenk warf Kuro den Samen zurück. Seine Enttäuschung überspielend steckte Inuki diesen zurück in den Beutel und erkletterte den Rest des Wegs bis zur Hügelkuppe.

Wortlos setzte er sich neben Kuro und ließ sich schließlich, dessen Beispiel folgend, mit dem Rücken ins Gras sinken.

Es war früher Nachmittag. Die Sonne stand hoch am Himmel und fühlte sich wunderbar an. Der Frühling kam gerade und erwärmte die Luft. Vögel bauten Nester in den wenigen Bäumen und den vielen Wolkenspalten.

Es war wieder angenehm hier auf der Wolke, mehrere tausend Meter über dem Erdboden. Hier, wo sie sicher waren vor der Angst und dem Hass der Menschen.

Inuki schloss die Augen und gemeinsam genossen sie das Sonnenlicht.

Ohne Vorwarnung knallte etwas hartes gegen seinen Kopf.

Stöhnend setzte er sich auf. Er musste sich nicht einmal umdrehen um zu wissen, wer ihm da gerade eine verpasst hatte.

Kuro neben ihm hatte den Schlag natürlich abgefangen.

In seiner Hand lag diesmal ein rabenschwarzer Hammer, dessen Stiel bis außerhalb von Inukis Sichtfeld reichte. Schlangengleich zerfiel das Werkzeug in einzelne Strähnen, die sich zurückzogen und in Zöpfen wieder um den Kopf des jungen Mädchens legten, das sie aus violetten Augen wütend anfunkelte.

„Schwesterchen.", kommentierte Kuro.

„Schwesterchen.", wiederholte Inuki, „Ouch!"

Der Hammer über seinem eigenen Kopf schlug erneut zu.

„Ich bin älter als du!"

„Nur einen Tag.", maulte er zurück beließ es aber dabei. Tatsächlich waren sie nämlich alle drei nicht Blutsverwandt.

„Also, was willst du?", fragte Inuki.

„Was ich will? Sag mal geht's noch?"

Sie war kurz davor zu explodieren. Ihre Haare tanzten in der Luft und wechselten im Sekundentakt zwischen rötlich-braun und schwarz. Selbst der sonst so ruhige Kater zu ihren Füßen hatte die Zähne gebleckt.

Die Kinder des Drachen, Teil 1: Der schwarze TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt