12.Kapitel

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Inuki beobachtete seine Schwester so gebannt bei ihrer Arbeit, dass er die dunkel aufziehenden Wolken überhaupt nicht bemerkte, bis der erste Tropfen kalt auf seinem Kopf landete. Er breitete die Hände aus und starrte auf die sich darauf perlenden Regentropfen. Winzige Verschmutzungen trieben im sonst klaren Wasser. Ein zielsicherer Treffer auf seine Nasenspitze schreckte ihn aus seiner Trance. Inuki warf einen Blick zu Kami hinüber. Sie machte eine hilflose Geste.

Inzwischen klebte seine Kleidung nass auf der Haut. Er schauderte. Mit der Sonne war auch die Wärme verschwunden. Der Gepard schüttelte sich die Tropfen von den Schnurrhaaren und nieste. Dabei sah er erstaunlich süß aus und Inuki wagte es, sich in Bewegung zu setzten. Er ging hinüber zu Kami und dem Verletzten und der Dämon ließ es geschehen.

Dann lag er plötzlich im Gras.

Etwas scharfes piekte in seinen Nacken und Kami stieß einen Schrei aus. Inuki wand sich, ohne wirklich zu begreifen was geschehen war. Ein grober Druck auf seine Schulter presste ihn wieder in das nasse Gras. Diesmal erkannte er eindeutig den Griff einer Hand. Jemand hatte ihn so schnell zu Boden geworfen und sich auf ihn gekniet, dass Inuki es noch nicht einmal mitbekommen hatte. Luna knurrte drohend.

„Keine falsche Bewegung."

Die Stimme seines Angreifers war ruhig und ungewöhnlich Tief, leise und gleichzeitig dröhnend laut, als käme sie aus einer großen Höhle.

Das Pieken wurde zu einem Stechen, als die Klinge seine Haut ritzte. Inuki versteifte sich. Luna winselte.

Und Kami fasste den Mut zu sprechen.

„Wenn Sie denken, dass wir das getan haben liegen Sie falsch."

Ihre Worte waren klar und fest, kein bisschen ängstlich und Inuki hörte jedes einzelne ganz deutlich, konnte sich aber dennoch keinen Reim darauf machen. Was sollte wer denken?

„Ich bin Heilerin.", fuhr sie fort, „Wir haben ihn hier gefunden und ich habe ihn behandelt. Hätte ihm keiner geholfen wäre er jetzt vermutlich tot."

Schweigen. Der Griff an seiner Schulter lockerte sich ein wenig, doch die Klinge im Nacken hob sich keinen Millimeter. „Denken Sie nicht, dass uns der Dämon angegriffen hätte, wenn wir diesem Mann auch nur ein Haar gekrümmt hätten?", fragte sie weiter, „Aber schauen Sie, er sitzt dort ganz ruhig."

Die Klinge verschwand, doch das Gewicht auf seinem Rücken blieb. Erneut erhob sich die Höhlenstimme.

„Warum solltet ihr ihm helfen?"

Kami zögerte keine Sekunde.

„Weil ich jedem helfen möchte, der Hilfe braucht.", antwortete sie mit todernster Stimme. „Deshalb bin ich ja Heilerin geworden."

„Du bist keine Heilerin." , kommentierte der Fremde.

Als sein letztes Wort verklang erkannte Inuki erstaunt, dass kein Gewicht mehr auf seinem Rücken lastete. Er rollte auf den Rücken und kam blitzschnell in die Hocke. Kauernd konnte er zum ersten Mal einen Blick auf den Mann mit der merkwürdigen Stimme erhaschen. Vor Schreck fiel ihm fast die Kinnlade herunter und der Fremde zog, vielleicht belustigt, eine Augenbraue nach oben. Vor ihm stand der Mann, der bis gerade eben noch schwer verwundet am Fuß der Eiche gelegen hatte. Aber das war unmöglich. Inuki wandte den Kopf. Tatsächlich hatte der Verletzte sich keinen Zentimeter bewegt. Er hatte sich lediglich verdoppelt. Ein Zwilling.

Auch Kami musste das erkannt haben. Deshalb hatte sie versichert, dass sie nicht für die Verletzungen verantwortlich waren. Inuki kam auf die Füße. Reflexartig legte er eine Hand in den Nacken. Als er sie vor sein Gesicht hielt wusch der Regen rotes Blut von seinen Fingerspitzen.

Die Kinder des Drachen, Teil 1: Der schwarze TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt