10.Kapitel

32 3 0
                                    



Erst als er die untere Wolkengrenze durchbrach und einen verschwommenen Blick nach unten werfen konnte wurde Inuki bewusst, was er da gerade getan hatte. Der Fahrtwind riss an seinen Kleidern, trieb ihm Tränen in die Augen und zerrte an seinen Haaren. Panik überkam ihn. Er wedelte mit den Armen, um zu fliegen wie ein Vogel, auch wenn er das unmöglich konnte. Die Bewegung verlangsamte seinen Fall kein bisschen. Stattdessen begann er zu rotieren. Völlig haltlos wirbelte er um die eigene Achse. Fest presste er die Augen zusammen und wünschte sich wider besseren Wissens, das Ganze sei ein Traum.Gleich würde er aufprallen. Hart aber nicht tödlich, die Augenwieder öffnen und merken, dass er aus dem Bett gefallen war. Aber da kam kein plötzliches Erwachen.

Scheinbar endlos fiel er Richtung Erdboden, obwohl in Wirklichkeit vermutlich nur Sekunden vergingen. Etwas klatschte gegen seinen Unterschenkel und Inuki entrang sich ein Schmerzenslaut. Er musste die Wipfel der Bäume erreicht haben, die er durch den Tränenschleier ganz unten hatte erkennen können. Gleich würde er auftreffen.

Ungebremst.

Und im Gegensatz zu Kuro würde er das unter keinen Umständen überleben. Erneut peitschte dieses Etwas gegen sein Bein. Doch diesmal verschwand es nicht gleich wieder. Fest, wie eine Würgeschlange, wand es sich um seinen Unterschenkel und zog. Inuki konnte später nicht sagen ob er sich zu ihr, oder Kami sich zu ihm bewegt hatte, auf jeden Fall aber spürte er kurz später etwas warmes und weiches gegen seinen Rücken drücken. Er schnappte nach Luft und öffnete die Augen doch einen Spalt breit.

Vor Schreck schrie er laut auf. Die Bäume waren schon so nah. Viel zu nah. Inuki konnte jedes einzelne im letzten Sonnenlicht glänzende Blatt erkennen.

Plötzlich ein Ruck. Dünne Stränge schwarzen Haares schnitten ihn in Schultern, Bauch und Beine, als Kami ihren Sturz bremste. Aus den Augenwinkeln konnte er die weit geöffneten Spitzen aus Haaren geformter Flügel erkennen.

Er hatte nicht einmal gewusst, dass sie das konnte!

Erleichterung breitete sich in ihm aus und er versuchte, sein schnell pochendes Herz zu beruhigen. Sie würden sicher landen. Ein erneuter Blick nach unten brachte ihn zurück in die grausame Wirklichkeit. Sie fielen langsamer, ja, aber noch immer mit einer Geschwindigkeit bei der sie sich alle Knochen im Leib brechen würden. Ihre Spannweite reichte nicht aus um sie Beide zu halten. Inuki kämpfte die erneut hochkommende Panik nieder. Irgendetwas musste er doch tun können!

Seine Hand wanderte in Richtung seines Beutels. Die Haarstränge behinderten ihn, doch sobald Kami aufging, was er vorhatte, lockerte sie diese. Langsam griff er hinein und versuchte fieberhaft irgendeinen Samen zu finden, der ihnen jetzt nutzen konnte. Da schloss sich seine Hand um etwas walnussgroßes, glattes und einLächeln stahl sich auf sein angstverzerrtes Gesicht. Wenn das funktionierte müssten sie nichts befürchten wenn nicht...

dann würden sie sterben.

Wieder dieses 'wenn', aber diesmal musste es einfach gutgehen.

Es musste.

Inuki nahm Verbindung mit der ungewachsenen Pflanze auf und schleuderte den Samen nach unten. Sobald er den Boden berührte befahl Inuki ihm zu wachsen. Fingerbreite Ranken streckten sich ihnen entgegen, bildeten erst ein Kreuz, dann einen Stern und schließlich ein über eine Lichtung gespanntes Spinnennetz. Es musste funktionieren.

Der Aufprall presste ihm die Luft aus den Lungen. Bäume ächzten, Äste krachten und Ranken barsten. Kurz wurde ihr Sturz verlangsamt, dann riss auch der letzte Teil des Netzes. Hart schlugen sie in einem Regen aus Stöcken und zerfetzten Pflanzenteilen auf dem moosigen Waldboden auf. Atemlos blieben sie liegen. Aneinander gebunden, mit schmerzenden Kratzern und Prellungen, aber am Leben.

Die Kinder des Drachen, Teil 1: Der schwarze TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt