32.Kapitel

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Inuki schloss die Augen. Sein Geist öffnete sich, nahm Verbindung zu der Pflanze auf. Langsam fühlte er jedem Zweig, jedem Ast und Blatt nach, bis das undeutliche Bild im seinem Innern scharf wurde. Dann begann er zu leiten. Energie strömte durch seine Fingerspitzen und durchdrang die Hecken. Schließlich kam Bewegung in die Pflanze. Sie streckte sich, bildete in rasender Geschwindigkeit neue Triebe, schloss die Löcher im Dach. Seile rissen und Planen flatterten, begleitet von einigen welken Blättern, zu Boden. Doch Inuki nahm die Geräusche gar nicht war. Einzig die Hecke füllte seinen Geist. Blätter sprossen, breiteten sich aus, dem Sonnenlicht entgegen. Zugleich schlossen sich die letzten Löcher in der grünen Kuppel über ihnen. Nun würde kein Regen mehr durch das dichte Blätterdach dringen können.

Erschöpftließ Inuki die  Arme sinken. Schwindel überkam ihn und Kami musste ihn stützen, damit er nicht zu Boden sank.

„Gut gemacht.", lobte Dragon.

Inuki schloss die Augen. Er fühlte sich leer und verbraucht.

„Na, du wirst wohl eine Weile nicht mehr zaubern...", kommentierte Frozen, der fasziniert die zu Mäusegröße geschrumpfte Luna betrachtete.

Inuki lachte auf, doch es lag keine Freude darin. Auch das Lächeln auf den Gesichtern der anderen, die alle in einem Kreis um sie herumstanden, erlosch. Er hatte ja bei weitem keinen guten Grund zu zaubern. Schon seit einer Woche erwarteten sie Antwort aus der Hauptstadt, doch bisher hatte es noch keine Anzeichen gegeben, dass Dragons Brief überhaupt angekommen war. Mit jedem Tag wurde ihre Sorge um die vermissten Freunde größer. Eine deutlich fühlbare Spannung hatte sich im Drachenhort aufgebaut, aber bisher lief alles noch in gewohnten Bahnen.

„Also Leute, das Schauspiel ist vorbei! Zurück an die Arbeit!", trieb Lionesse die gaffenden Jugendlichen an. Eilig zerstreute sich die Menge. Nur einige wenige blieben zurück.

„So kann das nicht weiter gehen.", erklärte Frozen. Dragon reagierte nicht auf seine Aussage und wandte sich ab.

„He!", doch Dragon ignorierte auch Lionesse. Mit langen Schritten durchquerte er die grüne Halle. Erst kurz bevor er in den Felsengang eintrat, hob er eine Hand. Mit einem kurzen Wink bedeutete er ihnen zu folgen. Sie wechselten Blicke. Na endlich. Dragon würde etwas unternehmen.


Im Krater kamen sie zusammen. Seufzend ließ Dragon sich auf seinem Steinsitz nieder. Mit unerträglicher Ruhe strich er sich ein paar gelöste Haarsträhnen aus dem Gesicht. Inuki war noch immer nicht ganz wohl. Schließlich setzte er sich auf den Boden, um nicht Gefahr zu laufen, umzukippen.

„Allesin Ordnung, mein Junge?", fragte Dragon.

Inuki zuckte zusammen. So hatte ihn zuletzt sein Adoptivvater genannt und das auch schon vor einer Weile. Er konnte nicht glauben, dass der unnahbaren Mann auf seinem steinernen Thron sich tatsächlich aufrichtig um ihn sorgte. Scharf musterte er Dragon, der seinen Blick aufrichtig erwiderte. Diese blauen Augen. Wo hatte er sie schon einmal gesehen?

Inuki schüttelte den Kopf.

„Es geht mir gut.", versicherte er, vielleicht nicht ganz aufrichtig. Dragon sah ihn noch einen Moment prüfend an, dann lächelte er.

„Überanstreng dich nicht, ja? Du hast in der letzten Woche schon genug für unseren Garten getan. Jetzt auch noch das Dach zu reparieren war vielleicht etwas übertrieben."

Inuki winkte ab.

„Ach was. Ich kann ja schlecht rumsitzen und nichts tun. Kami hat ihren Unterricht, Sheyna und Frozen trainieren praktisch durchgehend und Maro ist nicht unbedingt gesellig, aber ich schweife ab. Wie wäre es, wenn Sie uns jetzt endlich von ihrem Plan erzählen?", wechselte Inuki das Thema.

Die Kinder des Drachen, Teil 1: Der schwarze TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt