Ich liege auf meinem Bett und denke nach. Gedankenverloren blicke ich mich in meinem Zimmer um und nehme Details wahr, die mir vorher so noch nie aufgefallen sind.
Da ist ein Polaroidbild, das sich langsam von der Wand löst, ich widerstehe dem Drang, es vollständig abzureißen, ein grüner Fleck an der linken Wand meines Zimmers, vermutlich Nagellack und überall verstaubter Krimskrams, von dem ich mich einfach nicht trennen kann.
Das ist so eine meiner Eigenarten: Dieses krampfhafte Festhalten von Erinnerungen und Gedanken, damit ich bloß nichts vergesse und immer weiß, wie schön alles war. Denn irgendwann sind die Tage, die ich gerade erlebe, die guten, alten Zeiten.
Klingt, als würde ich verdammt viel erleben und immer auf Achse sein. Das stimmt in Teilen, würde ich sagen. Augenblicke wie dieser - dass ich einfach nur auf dem Bett liege und nichts tue - sind eher selten. Ich kann einfach nicht stillsitzen, konnte ich noch nie.
Gleichzeitig ist mein Leben aber auch furchtbar langweilig und einfach stinknormal. Tagein, tagaus dasselbe Spiel, ohne irgendwelche tollen Abwechslungen.
Wenn ich es mir recht überlege, ist alles an mir stinknormal. Meine braunen Augen, die einfach nur braun sind und nicht einmal einen tollen Goldstich haben oder schokoladenfarben sind, meine braunen Haare, die langweilig in einem etwas herausgewachsenen Longbob herunterhängen und mein Gesicht, das man unter tausenden nie erkennen würde, weil es so gewöhnlich ist. Ich mache ein stinknormales Freiwilliges Soziales Jahr in einem stinknormalen Kindergarten, wohne in einem stinknormalen Reihenhaus und werde vermutlich nie aus diesem stinknormalen Leben ausbrechen können.
Abenteuer will ich erleben, das Unbekannte, das mich reizt, erforschen, aber ich verlasse meine Komfortzone ja doch nie.
Aber genau das sollte ich tun, gerade jetzt, denn jetzt bin ich jung und frei. Ich muss raus und etwas Neues erleben und zu mir selbst finden.
Vorher kann ich unmöglich ein Studium wählen und genau das ist es, womit mir meine Mutter schon seit ich letzten Sommer mein Abitur gemacht habe in den Ohren liegt. "Geh studieren, Kind, du verschenkst wertvolle Jahre!"
Wie soll man sich überhaupt für etwas entscheiden, bei der Unendlichkeit an Möglichkeiten, die sich einem bieten? Ich bewundere meine Schulfreunde, die nach dem Abitur sofort wussten, welchen Weg sie einschlagen würden und ich bin gleichzeitig unglaublich neidisch auf sie, denn ich weiß nicht einmal, was ich als nächstes zu Mittag essen werde.
Ich setze mich auf und lasse die Beine von meiner Bettkante baumeln. Aufräumen sollte ich mal wieder, wenn ich mich hier so umsehe. Der Wäscheberg wächst immer mehr und es muss dringend Staub gewischt werden.
Aber man muss eben Prioritäten setzen, denke ich, und deshalb lange ich erstmal nach meinem Handy, das irgendwie zwischen meiner Unterwäsche in der Kommode gelandet ist und checke meine Nachrichten.
Hannah hat mir geschrieben, meine beste Freundin, die eigentlich mit mir zusammen studieren wollte und sich dann einfach nach Südkorea verkrümelt hat, um dort Medizin zu studieren.
»Wann kommst du mich besuchen?«
Gute Frage, Hannah-Banana.
Das ist tatsächlich ein Gedanke, der mich schon beschäftigt, seit sie vor einem halben Jahr weggezogen ist. Was, wenn ich einfach mitgegangen wäre? Hätte ich meinem Leben eine neue Wendung gegeben? Hätte es mich aus meinem Alltagstrott herausgerissen, mir neue Perspektiven aufgezeigt?
»Sobald meine Eltern mich gehen lassen.«
Das antworte ich ihr, denn ich weiß, dass meine Eltern niemals zulassen würden, dass ich den Beginn meines Studiums noch länger aufschiebe und nochmal ein Weilchen in Seoul vor mich hin vegetiere.

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Willkommen in Seoul [BTS Fanfiction]
Фанфик[ABGESCHLOSSEN] Als Helen im Sommer in den Flieger nach Seoul steigt, hat sie einen Plan: Sie wird das beste Jahr ihres Lebens in der glitzernden Metropole verbringen, ihre Freiheit und Unabhängigkeit genießen und sich selbst finden, bevor sie sich...