I feel so numb

1K 43 108
                                    

"Guten Abend.", sage ich erstickt. "Ich brauche den nächstmöglichen Flug nach Südkorea."

"Guten Abend, Miss.", erwidert die Dame am Schalter freundlich. "Der nächste Flug nach Südkorea geht morgen früh um 6:30 nach Daegu. Passt das für Sie?"

Ich schüttele heftig den Kopf. Das passt mir überhaupt nicht. Jede Sekunde, jede Minute, in der ich hier bin, ist eine zu viel.

Was mache ich jetzt?

"Nein, das geht leider nicht.", platze ich heraus. "Gibt es überhaupt keine Möglichkeit, heute noch nach Südkorea zu kommen?"

"Miss, es ist bereits nach 22:00! Der Flugbetrieb wird in weniger als einer Stunde eingestellt." Die Dame sieht mich bekümmert an und ich reiße vor Schreck die Augen auf. Ich kann auf keinen Fall hier bleiben! Zur Not schwimme ich, es ist mir völlig gleich.

"Dann geben Sie mir einen anderen Flug.", sage ich, ohne richtig darüber nachzudenken und beuge mich ziemlich verzweifelt weiter vor, um ihr flehend in die Augen zu sehen. "Egal wohin!"

"E-egal wohin, Miss?", fragt sie ungläubig und ihre Hand zuckt zu ihrer Computermaus. Ich nicke bekräftigend und weiß, dass ich hemmungslos anfangen werde zu heulen, wenn sie jetzt verkündet, dass es überhaupt keinen Flug mehr gibt, den ich heute noch nehmen kann.

"Im Flieger A1725 ist noch ein Platz frei. Wenn Sie sich beeilen, bekommen Sie den Flieger noch." Sie sieht mich beinahe mitleidig an. Ich spüre allerdings nur irrationale Freude, die mich durchzuckt. Ich kann wirklich verschwinden! "Er geht nach Hanoi."

"Wo liegt das?", frage ich konfus. An jedem anderen Tag wären mir meine mangelnden Geografiekenntnisse mehr als peinlich gewesen, aber jetzt gerade habe ich sowieso keinen Kopf dafür.

"In Vietnam, Miss. Es ist die Hauptstadt.", erwidert die Dame vorsichtig und ich bekomme das Gefühl, dass sie mich am liebsten gar nicht fliegen lassen würde, weil ich ihrer Meinung nach nicht in der richtigen geistigen Verfassung bin. Womit sie vermutlich auch gar nicht so unrecht hat. Wer würde schon so einen riesigen Wind machen und direkt das Land verlassen, anstatt sich erstmal nur ein anderes Hotel zu suchen oder gar am Flughafen zu übernachten?

"Oh.", sage ich nur und jetzt ist es mir doch ein bisschen unangenehm. "Das hätte ich wissen müssen."

"Soll ich Ihnen diesen Flug buchen?"

"Ja, bitte. Vietnam klingt toll!"

Es dauert einen Moment, bis sie meine Personalien aufgenommen und das Flugticket ausgedruckt hat. Dann teilt sie mir mein Gate mit und erklärt kurz, wo ich mein Gepäck aufgeben kann.

"Machen Sie schnell!", ruft sie mir hinterher, als ich mit einem Danke auf den Lippen und meinem Koffer in der Hand davon sprinte. "Sie haben nicht mehr viel Zeit!"

So schnell wie heute habe ich in meinem ganzen Leben noch keine Sicherheitskontrolle und kein Boarding durchlebt. In weniger als einer halben Stunde sitze ich in dem großen Airbus und rolle fünf Minuten später auf die Startbahn zu. Gerade noch rechtzeitig, denke ich, und ärgere mich ein bisschen, dass ich keinen Fensterplatz mehr erhaschen konnte. Ich habe mich innerlich schon richtig darauf eingestellt, dass ich die traurigste Musik höre, die ich nur finden kann, während ich zusehe, wie sich die glitzernde Metropole immer weiter entfernt, während wir höher in die Luft steigen.

Stattdessen bin ich zwischen zwei mittelalten Geschäftsmännern eingequetscht, die beide eingeschlafen sind, bevor die Maschine sich auch nur einen Zentimeter bewegt hat. Zweifelsohne eine Ausgangssituation, in der man nicht dramatisch losheulen und sich selbst bemitleiden kann - auch wenn ich mich gerade sehr danach fühle. Ich bin erschöpft und mein Knie, mit dem ich auf dem Boden aufgeschlagen bin, als Jungkook mich mit sich gerissen hat, pocht unangenehm und erinnert mich schmerzhaft an die Geschehnisse der letzten Stunden. Doch ich kann mich nicht gehen lassen, nicht jetzt und nicht hier.

Willkommen in Seoul [BTS Fanfiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt