Ein Podcast mit Folgen

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Ich sitze an dem kleinen runden Tisch in Hannahs Wohnbereich, rutsche auf dem Stuhl herum und kaue an meinem Stift. Es ist Montag und ich habe heute früher Feierabend gehabt, weshalb ich mich jetzt eingehend mit der Planung des Podcasts beschäftigen kann. Seit ich bei ERIS arbeite, ist mir wieder aufgefallen, wie sehr ich es liebe, vor einem Mikrofon, einer Kamera oder auf der Bühne zu stehen und wie gerne ich Konzepte entwickele.

In der Schule war ich immer an den organisatorischen Dingen beteiligt. Ob es um unseren Abiball ging oder um die Schülerzeitung, das Sommerfest oder den Weihnachtsbasar: Ich war immer mit Leidenschaft dabei. Man kann zwar nicht abstreiten, dass es durchaus anstrengend mit mir sein kann, weil immer alles perfekt sein und genau den Vorstellungen entsprechen muss, aber trotzdem haben mir solche Aufgaben schon immer Spaß gemacht. 

Eine weitere Sache, die mich wahnsinnig motiviert, was den Podcast betrifft ist, dass ich endlich mal wieder das Gefühl habe, etwas gut zu können. Seit ich in Seoul bin, fühle ich mich nämlich leider oft genug, als hätte ich den Intelligenzquotienten eines Toastbrots. Doch diesen Podcast, den will ich richtig anpacken, genauso wie meinen Job bei ERIS. In der Schule waren die guten Noten immer meine Motivation und der Wunsch, sich alle Türen offenhalten zu können, damit ich mich in der Wahl meines Studiums nicht einschränken muss. Jetzt ist es die Resonanz meiner Arbeitgeber und der Zuhörer, die unser Podcast hoffentlich bekommen wird, die mich gehörig anspornt.

Für den Titel des Podcasts würde ich wirklich gerne ein englisch-koreanisches Wortspiel verwenden, da ich einfach ein absoluter Flachwitz-Freak bin, doch irgendwie fällt mir bisher nichts Sinnvolles ein. Ich würde ja Mia fragen, die definitiv eine kreative Ader hat, aber die ist gerade mit ihren Klausuren beschäftigt und denkt an nichts anderes als Bio-Chemie.

Das Wortspiel muss also warten und ich mache weiter mit den Konzepten für die einzelnen Folgen. Viel länger als fünfundvierzig Minuten sollte ein einzelner Beitrag vermutlich nicht gehen, da die Datei sonst zu groß zum Herunterladen wird und die Menschen auch irgendwann das Interesse verlieren. Kurzweilig muss es sein und auch interessant. Eine Kombination, die nicht allzu leicht ist.

Die nächsten zwei Stunden kritzele ich Ideen in mein Notizbuch, streiche einzelne Dinge durch, schreibe neue dazu und immer so weiter. Irgendwann lasse ich den Stift sinken, schüttele meine Hand aus und beschließe, dass ich Hannah endlich mal im Katzencafé besuchen und sie gleichzeitig auch abholen könnte. Soweit ich weiß, hat sie nämlich gleich Feierabend. Ich schnappe mir mein Handy und mein Portemonnaie und erwische gerade noch die Bahn.

Es gibt nichts Anstrengenderes für mich, als in Seoul Bahn zu fahren, da die Haltestellen selbstverständlich auf Koreanisch durchgesagt werden und ich mich jedes Mal auf's Neue hoch konzentrieren muss, weil ich sonst Gefahr laufe, irgendwo auszusteigen und völlig verloren zu sein.

Endlich erreiche ich die richtige Station und laufe mit Hilfe von Google Maps zwei Straßen weiter, bis ich ein uriges Lädchen erreiche, welches sich als das Katzencafé entpuppt. Ich stecke mein Handy in die Hosentasche, öffne die Tür und renne prompt jemandem in die Arme. Es ist der gut aussehende Typ, der uns letztens auf dem Campus angegrinst hatte. Wie heißt er noch? Ursli?

"Oh Gott, entschuldige bitte.", rufe ich und wiederhole es direkt nochmal auf Englisch. Er lacht laut los.

"Also, ich kann schon Deutsch, gute Frau.", sagt er und hält mir die Tür auf. "Schließlich komme ich aus der Schweiz."

"Das heißt überhaupt nichts.", entgegne ich schnippisch. "Schließlich gibt es die deutsche, italienische und französische Schweiz." Die Streber-Helen hat soeben ihren ersten Auftritt in Seoul gehabt.

Er nickt beinahe anerkennend und setzt dann wieder sein freches Grinsen auf.

"Trotzdem kann ich Deutsch." Sein leichter schweizerdeutsche Akzent ist irgendwie süß. Er hält immer noch die Tür auf, obwohl ich das Café schon längst betreten habe. Mir fällt auf, dass er muskulöse Arme und einen guten Kleidungsstil hat.

Willkommen in Seoul [BTS Fanfiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt