"Ich denke nicht, dass ich das machen kann, Helen-ssi." Lee Hae sitzt kerzengerade wie eh und je auf ihrem Bürostuhl und sieht mich stirnrunzelnd an. Ihre schlanken Finger umfassen den edlen Kugelschreiber und ihre Fußspitze tippt in immer höher werdendem Tempo klackernd auf den Boden, wie immer, wenn sie angespannt ist. "Es ist zu kurzfristig."
"Ich weiß, dass es kurzfristig ist.", antworte ich kleinlaut und rutsche nervös auf meinem Stuhl herum. "Es ging nicht anders."
"Sie rauben mir den letzten Nerv.", stellt meine Chefin fest und ich fühle mich gleich noch ein bisschen mieser. "Können Sie Ihre Reise nach Singapur nicht um wenige Wochen verschieben? Bis dahin könnten wir den Dienstplan problemlos anpassen."
"Das würde ich sehr gern, aber es geht wirklich nicht anders." Ich kann ja schlecht darum bitten, dass die Konzerte verschoben werden. Schon jetzt bereue ich meine Kurzschlussreaktion während der Seoul Music Awards und bin drauf und dran Lee Hae zu versprechen, dass ich doch nicht fliege. Es war sowieso eine dumme Idee.
"Ich würde Sie gehen lassen. Eine Vertretung ließe sich sicher finden.", sagt Lee Hae zu meiner Verwunderung gedehnt und ich reiße überrascht die Augen auf. "Unter einer Bedingung..."
Na, großartig. Ich hätte mir denken können, dass die Sache einen Haken hat. Wahrscheinlich darf ich für die nächsten drei Monate Überstunden machen. Doch selbst das würde ich in Kauf nehmen, wenn ich es mir recht überlege.
"Was denn?", frage ich also und merke, wie mir das Herz in die Hose rutscht, als ich ihr leichtes Lächeln sehe. Sie wird etwas von mir verlangen, was ich ihr nicht geben kann.
"Nehmen Sie mein Jobangebot an."
Herr im Himmel.
Irgendwie habe ich mit allem gerechnet, aber nicht, dass sie meinen so dringenden Wunsch nach zwei freien Tagen dazu nutzt, mich zum langfristigen Bleiben in Seoul zu überreden. Kurz zweifele ich daran, ob sie diese Aussage überhaupt ernst meint, doch als ich in ihre erwartungsvollen Augen blicke, ist mir die Antwort eigentlich klar.
"Lee Hae-ssi..." Ich seufze tief und kann nicht verhindern, dass ich verzweifelt klinge.
"Schade.", erwidert sie enttäuscht, obwohl ich das Angebot noch gar nicht abgelehnt habe. "Aber einen Versuch war es wert."
"Ich habe doch noch gar nichts gesagt.", gebe ich zurück und wieder umspielt ein kaum sichtbares Lächeln ihre Mundwinkel, diesmal jedoch kein bisschen hinterlistig, sondern beinahe mitfühlend.
"Aber ich sehe Ihnen an der Nasenspitze an, dass Sie es nicht annehmen werden. Zumindest jetzt noch nicht.", erklärt sie und ich weiß, dass sie recht hat. "So wichtig Ihnen diese Reise nach Singapur auch ist, sie ist Ihnen nicht wichtig genug, um Ihr gesamtes Leben umzukrempeln. Und dafür habe ich vollstes Verständnis, Helen-ssi. Ich würde Sie nur wirklich gerne im Sender behalten, das wissen Sie ja mittlerweile nur zu gut. Verzeihen Sie, dass mich an dieser Stelle mein Egoismus übermannt hat."
"Es ist nicht so, dass ich diesen Job hier nicht liebe und auch lebe." Nahezu jeder Tag in der Redaktion ist mir eine Freude. Auf keinen Fall soll Lee Hae denken, dass ich ihr Angebot nicht mit jeder Faser meines Körpers wertschätze. Wäre ERIS nun ein Sender in Deutschland, am besten in der Nähe meiner Heimatstadt, hätte ich ihr sofort zugesagt. "Sie wissen gar nicht, wie viel es mir bedeutet, hier zu arbeiten und auch Ihr Vertrauen zu genießen. Doch ich kann einfach nicht jetzt schon entscheiden, ob ich mein ganzes Leben wirklich für immer ändern möchte. Ich kann nicht."
"Das verstehe ich doch.", sagt Lee Hae leise. "Auch wenn Sie glauben müssen, dass ich eiskalt im Herzen bin und nur geschäftsorientiert denke und handele, versichere ich Ihnen, dass ich Sie verstehe. Und dass ich Sie nicht drängen werde."
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Willkommen in Seoul [BTS Fanfiction]
Fiksi Penggemar[ABGESCHLOSSEN] Als Helen im Sommer in den Flieger nach Seoul steigt, hat sie einen Plan: Sie wird das beste Jahr ihres Lebens in der glitzernden Metropole verbringen, ihre Freiheit und Unabhängigkeit genießen und sich selbst finden, bevor sie sich...