Mitternachtspicknick

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Es ist fast Mitternacht, als Hannah und ich wieder einmal durch Seoul hasten. Doch es ist keineswegs ruhig draußen, denn diese Stadt schläft niemals. Da sind zwei junge Frauen, die noch um diese Uhrzeit unterwegs sind, nichts Ungewöhnliches.

Ungewöhnlich ist eher ihr Ziel, bei dem nicht einmal eine Straßenbahn in der Nähe hält. Denn die Leute, die dort leben, werden wohl niemals mit der Straßenbahn fahren. Das Ziel ist The Hill im Viertel Hannam-dong. Ein Viertel, in dem sämtliche koreanische CEOs und Berühmtheiten leben. Zutritt zu diesem Viertel bekommt man nur, wenn man eine offizielle Einladung oder einen Pass hat, dass man selbst dort lebt. Das Gelände ist rund um die Uhr bewacht.

Hannah und ich nehmen uns von der letzten Bahnstation, die immer noch gute zwanzig Minuten von The Hill entfernt liegt, ein Taxi, welches uns an die Grenze bringen soll. Während der ganzen Fahrt haben wir kein einziges Wort gewechselt, jede von uns war zu sehr mit sich und ihren Gedanken beschäftigt.

Nach Namjoons Anruf hatte ich Hannah aus dem Badezimmer gezogen, ihr kurz erklärt, dass wir uns jetzt noch auf den Weg zu den Jungs machen würden und kurz darauf haben wir die Wohnung bereits verlassen. Wir haben nicht darüber gesprochen, warum wir uns mit ihnen in einem der reichsten Viertel Seouls treffen sollen. Wir haben auch nicht darüber gesprochen, ob es jetzt etwas Gutes oder etwas Schlechtes ist, dass wir uns so spät noch sehen müssen.

"Ich habe mal gelesen, dass sie hier wohnen.", bricht Hannah endlich das Schweigen, nachdem wir das Taxi bezahlt und die letzten Meter zu Fuß gegangen sind. Hier in Hannam-dong, gerade im Viertel The Hill, ist es viel ruhiger als in der City.

"Sie werden uns wohl kaum zu sich nach Hause einladen.", sage ich trocken. "Schließlich hätten wir dann noch mehr Material, das wir verkaufen könnten, nicht wahr?" Meine Stimme klingt bitter.

"Du hast recht, hier wird es sicher mehr als genug Konferenzräume und sowas geben."

Wir kommen an einem Eingangstor an, welches mit mehreren Schranken bestückt ist. Zwei Securityguards stehen rechts und links an den Seiten des Tores, mittig befindet sich eine kleine Kabine, in der eine dritte Person sitzt.

Bevor ich mich fragen kann, wie wir ohne offizielle Dokumente dieses Viertel betreten sollen, löst sich eine vierte Gestalt aus dem Schatten eines Gebäudes und kommt langsam auf uns zu. Es ist kein Geringerer als Kim Namjoon.

"Hallo, ihr zwei.", sagt er leise und steht ein wenig unschlüssig vor uns, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Wir erwidern ebenfalls leise eine Begrüßung und dann stehen wir einfach nur voreinander, denn scheinbar, warten wir alle darauf, dass jemand einen nächsten Schritt macht.

"Folgt mir einfach.", sagt Namjoon plötzlich und lotst uns zwischen den Sicherheitsleuten hindurch. Hannah wirft mir einen fragenden Blick zu, aber ich zucke bloß mit den Schultern und setze mich dann in Bewegung. Wir werden schon erfahren, was uns hierher verschlägt. Stumm bete ich, dass es einen positiven Grund hat, während wir dem Leader von BTS durch die stillen Straßen des Viertels folgen.

"Müsst ihr morgen arbeiten?", erkundigt er sich bei uns und ich schüttele den Kopf, während Hannah langsam nickt.

"Aber erst am Nachmittag. Su Ji hat ein Date, glaube ich.", erklärt sie und ich sehe ihre Zähne in der Dunkelheit aufblitzen, als sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitet. "Su Ji ist meine Chefin.", fügt sie hinzu und Namjoon nickt wissend.

"Und du hast frei?", richtet er das Wort dann an mich. Was soll das hier werden? Smalltalk? Wie kann er so locker mit uns plaudern, während uns immer noch der Vorwurf gemacht wird, dass wir Jungkooks Nummer verkauft haben?

"Ja, ich habe frei.", sage ich langsam und überlege, ob ich ihn darauf hinweisen soll, dass ich es nicht angemessen finde, wenn er so unbekümmert mit uns redet, obwohl er uns beschuldigt, die Privatsphäre eines Gruppenmitglieds derartig verletzt zu haben.

Willkommen in Seoul [BTS Fanfiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt