Privatstunden

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"I love dance and singing. It's my passion.", sagt Jungkook langsam und feierlich und sieht mich danach so erwartungsvoll an, dass ich es fast nicht übers Herz bringe ihm zu sagen, dass der erste Teil nicht ganz korrekt war. Schließlich strengt er sich wirklich an und das auch schon länger als die angekündigte halbe Stunde.

Wir sitzen auf dem Teppich vor dem Couchtisch, Wörterbücher, Collegeblöcke und verschiedenfarbige Textmarker vor uns ausgebreitet. Im Hintergrund läuft leise irgendwas Klassisches von Smetana.

"Is that correct?", drängelt Jungkook nun und ich freue mich, dass er wirklich versucht, nur Englisch zu verwenden.

"Fast.", sage ich und er stöhnt enttäuscht auf.

"Was war denn jetzt schon wieder falsch?"

"Sag du es mir.", provoziere ich ihn und er schließt die Augen und legt sich ein bisschen dramatisch eine Hand an die Stirn.

"Ich weiß nicht."

"Auf Englisch.", mahne ich ihn.

"I don't know."

"Du weißt es. Wenn ich dir den Satz nochmal sage, dann traue ich dir zu, dass du deinen eigenen Fehler findest.", versuche ich ihn zu motivieren. Ich merke, dass er gefrustet ist, vor allem, weil er nicht so schnell lernt, wie er es sich erhofft hat und er mich während des Koreanischunterrichts nicht so oft korrigieren musste wie es jetzt bei ihm der Fall ist.

"Komm schon, du kannst das." Ich stupse ihn leicht in die Seite und nicke ihm aufmunternd zu. "Es war fast perfekt. Hör zu-"

"Ja, nur fast.", murmelt er und fährt sich mit der Hand über seine müden Augen. "So wie immer.", rutscht es ihm dann raus und ich seufze.

Dass er ein ziemlich schlechtes Bild von sich selbst hat, ist mir schon relativ früh aufgefallen. Ich weiß nicht, woher seine Gedanken kommen, aber was er auch tut, er kann nie richtig zufrieden mit sich sein. Das Gefühl kenne ich nur zu gut, denn ich finde auch immer, dass meine Leistung noch besser sein könnte und dass sich noch mehr aus mir herausholen lässt, aber ich lasse mich davon meist nicht so runterziehen, wie Jungkook es manchmal tut.

"Du musst überhaupt nicht perfekt sein.", sage ich langsam.

"Doch, muss ich. Ich-"

"Pscht." Ich bin kurz davor, ihm den Mund zuzuhalten. Und extra für ihn bringe ich die nächsten Sätze in meinem wackligen Koreanisch heraus. "Es ist okay, Jungkook, wirklich. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn man etwas nicht perfekt kann und wenn man nicht perfekt ist. Niemand ist das. Wir sind immer noch Menschen und machen Fehler."

"Da waren jetzt aber schon ein paar Grammatikfehler in deinen Sätzen drin.", sagt er mit einem schwachen Grinsen und ich muss lachen.

"Siehst du? Tonnen von Fehlern. Auch bei mir. Damit muss man leben."

"Also gut, sag mir, was falsch ist.", seufzt er und setzt sich ein bisschen aufrechter hin.

"Hör zu: I love dance and singing. Was klingt da seltsam?" Ich weiß, dass er selbst drauf kommen kann und wird. Ich will, dass er diesen kleinen Triumph erlebt, dass er seine eigenen Fehler sieht und besiegt.

"Hm." Er überlegt einen kurzen Moment, ich sehe, wie es in ihm arbeitet. Plötzlich reißt er erfreut die Augen auf.

"I love dancing and singing. It's my passion.", verkündet er und ich gebe ihm einen High Five.

"Perfekt."

"War gar nicht so schwierig."

"Sag ich doch."

Willkommen in Seoul [BTS Fanfiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt