Teil 1

2.3K 120 39
                                    

Ich stand, aufgestützt auf der Mauer, auf meinem großen Balkon und sah in die Ferne über die Berge. Der Wind wehte mir durch mein Haar hindurch. Über den Gipfeln der hohen Tannen kreisten einige Vögel. Ich vermutete, dass sie Ausschau nach Aß hielten.

Ich vernahm Schritte hinter mir, die näher zu kommen schienen. Ich erhob mich und drehte mich um, um in das Gesicht meiner Mutter zu sehen. „Worüber denkst du nach?", fragte sie mich. Auch ihr Blick ging über die Baumwipfel unseres Landes. „Über nichts wichtiges, Mutter. Ich habe nur überlegt, was wohl die Vögel dort suchen." Ich deutete mit meinem Kopf in die Richtung, wo sie ihre Kreise zogen. Meine Mutter verfolgte meine Deutung und beobachtete die Tiere kurz. „Vermutlich suchen sie Aß", war ihre Antwort. Ich nickte. Das war ja auch schon meine eigene Vermutung. „Willst du deinen Vater begleiten ins Dorf?", fragte sie mich dann. „Ins Dorf?" Ich war verwundert über diesen Vorschlag. Es kam nicht oft vor, dass man sich, wie die meisten aus dem Adel sagten, zu dem niederen Gesinde begab. „Schauen ob alles Rechtens ist." Mutter sah mich auffordernd an. Es war keine Bitte, sondern ein Zwang. Ich musste mit. „Ich werde mich fertig machen, Mutter." Ich senkte demütig meinen Kopf und ging hinein in mein Gemach. Meine Mutter folgte mir. „Lass dir nicht allzu viel Zeit", sagte sie noch zu mir, ehe sie die große Tür meines Reiches öffnete und hinausging. Mit einem lauten Knall fiel sie wieder in ihr Schloss.

Ich seufzte. Meine Motivation mit meinem Vater ins Dorf zu reiten hielt sich in Grenzen. Er war kein netter Mann. Er verabscheute die dreckigen Menschen auf den Straßen. Für ihn war nur Macht wichtig. Nicht das wohl der Bewohner unseres Königreichs. Wenn ich eines Tages König werde, dann würde ich alles anders machen. Das ganze Gold, was sich in unsere Schatzkammer verbarg, dass würde ich da nicht lassen. Ich würde es nutzen, um den Armen ein Zuhause aufzubauen. Um Essen für sie zu besorgen. Egal ob neue Tiere zum Schlachten oder Samen für die Bauern. Hauptsache, dass es ihnen besser ginge.

Ich hatte mich fertig gekleidet und ging hinaus aus meinen Gemach. Der Weg zu unserem Innenhof führte durch die hohen Gänge unserer Burg. Ich musste so einige Treppen hinunter gehen. Meine Eltern, das Königspaar und ich, der Prinz, wir wohnten ganz oben. Das Symbolisierte die Macht unser noch stärker. Das meinte jedenfalls Vater immer. Ich fand allerdings, dass er Humbug redete. Dennoch liebte ich es, dass man von soweit oben einen sehr weiten Ausblick über die Berge und Wälder hatte. Unsere Burg lag so schon sehr weit oben auf einem Berg. Prunkvoll sah man sie schon von weitem. Das Dorf lag unterhalb der Burg, getrennt von uns durch einen Fluss. Die Landschaft war wirklich wunderschön.

Ich kam im Innenhof an, wo auch schon ein paar Ritter aus der Königsgarde standen. Sie begleiteten den König zum Schutze seiner. Auch meine Leibwächter erkannte ich. Sie waren mein Alter und ich kannte sie gut. „Seid gegrüßt." Alle drei machten eine Verbeugung. Ich schritt an ihnen vorbei und erkannte, dass es Michael, Maurice und Claus waren. Mit ihnen hatte ich in Kindesalter oft trainiert. Ich nickte ihnen höflich zu, bevor ich mich auf meinen Rappen schwang.

Vater beobachtete mich mit kritischem Auge. Er hatte immer an mir auszusetzen. Aber darauf ging ich selten mehr ein. „Ich bin soweit", gab ich ihm bekannt. Er saß auf seinem großen weißen Pferd und trieb es an, als er meine Worte hörte. Somit ritten wir los. Vater, ich und zwei Ritter auf Pferden und die restlichen Ritter zu Fuß. Ebenso meine Leibwächter.

Der Weg führte uns über die lange Brücke, hinunter durch den Wald. Dann noch das Stück an den Feldern und Wiesen vorbei, bis wir das Dorf erkannten.

Unerklärliche Liebe / KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt