Am nächsten Morgen saßen Manuel und ich am Tisch und nahmen ein Frühstück zu uns. Ich bemerkte, dass er immer wieder zu mir sah aber wieder auf seinen Teller schaute, wenn ich ihn erwischte.
Das Klopfen an meine Tür unterbrach unser Essen. „Ich geh hin. Es kommt keiner rein, keine Angst", sagte ich zu Manuel, der gerade aufspringen wollte. Ich stand selbst auf und schlenderte zur Tür. Langsam machte ich sie auf und streckte meinen Kopf hinaus, damit man auch bloß nicht hineinsehen konnte. Es war Anne, die in einem roten Kleid vor mir stand. Ihre Wangen trugen ein leichtes Rosa und ihre blauen Augen glänzten freudig, als sie mich sah. „Was machst du denn hier?", fragte ich jedoch leicht erschrocken über ihren Besuch. „Störe ich?", fragte sie. Ich warf kurz einen Blick zu Manuel, der mich mit besorgter Miene ansah. „Nein, du störst nicht", meinte ich dann zu Anne. Sofort glitten ihre Mundwinkel nach oben. „Ich wollte fragen, ob du Interesse hättest, am Abend, mir noch euer Gut zu zeigen. Ich möchte alles kennenlernen." Freundlich lächelte sie mir ins Gesicht. „Sicher. Ich werde dich nach dem Abendessen abholen." Ihr Lächeln wurde breiter. „Ich freue mich. Bis zur Dämmerung." Sie drehte sich um und ging leichtfüßig den Gang davon.
Ich musste paar Mal blinzeln, bis ich die Tür wieder schließen konnte. „Heute Abend also was vor", sagte Manuel mit verschränkten Armen. Nickend kam ich wieder zurück und setzte mich auf meinen Platz. „Freut mich, dass ihr euch so gut versteht", fügte er dann hinzu. Er klang ab genervter denn je. „Was ist dein Problem?", fragte ich dann schnippisch zurück. Fassungslos sah er mich an. „Ich habe kein Problem." „Und warum verhältst du dich so?" Ich war wütend. „Ich verhalte mich ganz normal." Er rutschte mit dem Stuhl zurück. „Ich geh an die frische Luft." Und dann stand er auf, warf dabei noch seinen Krug um und ging aus der Balkontür. Mir war der Appetit vergangen. Wütend und gleichzeitig verwirrt, rutschte ich auf meinen Steiß und starrte auf das halbe Brot, was in der Mitte des Tisches lag.
(...)
Den ganzen Tag über hatten wir nicht wirklich miteinander gesprochen. Es war eine beklemmende Situation und ich konnte mir es nicht erklären. Und nachfragen, das traute ich mich nicht. Manuel saß auf dem Boden, auf dem Teppich vor meinem Kamin, und schnitzte an einem Holzstück herum. Ich hatte mir ordentliche Klamotten angezogen, denn ich wollte los gehen, um Anne abzuholen. Seufzend drehte ich mich zu Manuel. „Ich werde dann jetzt los." Keine Reaktion. „Bis später." Frustriert drehte ich mich um und ging. Mir tat es furchtbar weh, dass er so war.
Bei Anne angekommen, klopfte ich und sofort wurde mir von einer brünetten Magd geöffnet. „Seid gegrüßt, Prinz." Ihre Falten umspielten ihre Lippen, während sie mich mit falschem lächeln ansah. „Die Prinzessin ist jeden Augenblick fertig. Bitte haben Sie noch etwas Geduld." „Ich warte." Die Magd schloss wieder die Tür. Augenverdrehend ging ich zu einem der Fenster, wo ich über den Innenhof schauen konnte. Frauen brauchten immer so viel Zeit. Das kannte ich von meiner Mutter. Das müsste ich wohl ab sofort für den Rest meines Lebens ertragen. Aber dann, nur kurze Zeit später, trat sie aus ihrem Gemach. „Guten Abend," stotterte ich. Ich war baff über ihre Schönheit. „Hallo Patrick." Wieder glitzerten ihre Augen mich so verliebt an. „Mein Vater wollte, dass uns Wachen begleiten. Es ist wohl sicherer, wenn wir nicht allein raus gehen, wenn die Sonne schon untergeht." „Das ist sicherer, da hat dein Vater recht."
Wir gingen die Gänge entlang, ich erzählte ihr wann die Burg gebaut wurde, wie lange es gedauert hatte und noch einige Dinge, die sie vermutlich gar nicht wissen wollte, da sie doch recht uninteressant waren. Jedoch brabbelte ich einfach drauf los.
Die Wachen liefen mit ihren Schwertern, immer ein Stück weit hinter uns. „Und hier lang geht es zu unserem Dorf. „Ich zeigte mit dem Finger den Weg entlang, den ich vor nicht allzu langer Zeit, jeden Tag, gegangen war. Für Manuel. Heimlich versteht sich. Anne ging weiter voran, bis wir auf der Brücke standen. „Es ist wirklich so idyllisch hier." Lächelnd sah sie in das Rot der untergehenden Sonne. „Ich schaue mir oft die Umgebung an", erzählte ich ihr. Ich stützte mich mit den Armen auf die Mauer und schaute hinunter auf den Fluss. Anne stellte sich direkt neben mir und tat es mir nach. Die Wachen stellten sich in die Mitte der Brücke und passten weiterhin auf uns auf. War es ein passender Moment für unseren ersten Kuss? Mein Herz fing an im Galopp zu klopfen. Ich nahm meinen Mut zusammen und legte meinen Arm um Annes Schulter. Lächelnd sah sie mich an und legte dann ihren Kopf gegen mich. Ich hatte noch nie in meinem Leben einen so schönen Augenblick erleben dürfen. Doch tief in meinem inneren war eine Blockade. Eine Blockade, die mich hinderte meine Lippen mit ihren zu vereinen. „Patrick, ich freue mich auf unser gemeinsames Leben", flüsterte sie dann. In meinem Hals bildete sich plötzlich ein Kloß, als sie mich dann wieder so ansah. Ihr Gesicht so nah an meinem. „Ich, ich mich auch. Ja. Vielleicht, ich meine, es ist schon spät und. Vielleicht sollten wir wieder rein gehen. Außerdem müsste ich mal ganz dringend für Prinzen." Ich nahm hektisch meinen Arm von ihr weg und taumelte einen Schritt zurück. Anne sah mich verunsichert an. „Oh, dann, okay. Werden wir wieder rein gehen." Mit gesenktem und vermutlich Blutrotem Kopf, gingen wir schweigend zurück. Ich brachte sie zu ihrem Gemach, bekam noch einen Kuss auf die Wange und ging dann zu meinem. Ich fühlte mich schlecht und so unfassbar dumm. Ich hatte mich selbst in ein schlechtes Licht geworfen. Genau das, wovor ich selbst angst hatte und vor dem Vater mich gewarnt hatte. Ich rieb mir mit der Hand über die Augen und ging zurück zu meinem Raum, zurück zu Manuel. Ich musste mit ihm sprechen. Unseren Streit aus dem Weg räumen.
Doch als ich mein Gemach betrat, sah ich ihn nicht. Nur die Tür zum Balkon stand offen. Ich sah hindurch und sah Manuel dort stehen. Neben ihm leuchtete eine Kerze, schwach tanzend im Wind. Er drehte sich nicht um, als ich kam und zeigte keinen Blick, als ich mich neben ihn stellte. Von hier aus konnte man die Brücke sehen. Er hatte alles beobachtet.
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Unerklärliche Liebe / Kürbistumor
FanficDer Prinz des Landes ist ein gutherziger Mensch. Er kann die Sitten der Zeit nicht nachvollziehen. Die Reichen stehen über den Armen und ihnen zu Helfen, das würde von seinen Vater, dem König, niemals in Frage kommen. Doch als der Prinz eines Tages...