Ich war durch die halbe Burg spaziert, bis ich mich wieder vor meiner Tür fand. So langsam müsste ich mich Manuel stellen. Ich griff mit schwitziger Hand an die Klinke und drückte sie runter. Manuel lag in unserem Bett. Ich schlich an ihn ran und konnte unter der Decke seine friedlichen Atemzüge erkennen. Sachte und so leise wie möglich, setzte ich mich ans Bett und beobachtete ihn lächelnd. Was ist, wenn ich mit Anne spreche? Wenn ich ihr berichte, dass ich sie nicht heiraten kann, weil ich jemanden liebte. Würde sie mit mir ziehen und gegen die Hochzeit stimmen? Oder ist sie zu vernünftig dafür? Ich konnte es nicht einschätzen. Dafür kannte ich sie zu wenig.
Zärtlich strich ich über Manuels Wange. Ich wollte ihn nicht verletzen. Doch so wie es aussieht, musste ich es.
(...)
Und dann war es soweit. Ich saß vor meinen Spiegel. Manuel saß auf meinem Bett und beobachte mich, wie ich mich selbst anstarrte. Marlen stand hinter mir und frisierte mein Haar. Sie machte mich fertig für die Hochzeit. Nervös knabberte ich mir auf der Unterlippe rum. Langsam schmeckte ich Blut. „Marlen?", sprach ich leise. „Ja, Herr?" Sie sah mir durch den Spiegel hindurch, in die Augen. „Es ist gut so", sagte ich dann. Mir war es egal, wie genau ich aussah. Mir war es egal. Nach dieser Hochzeit würde mein Leben nicht mehr das sein, wie es mal war. Ich wäre unglücklich. Mehr als unglücklich. Vielleicht so unglücklich, dass ich irgendwann verrückt werde und mich aus dem höchsten Turm unserer Burg stürze. Dann wäre Anne allein Königin und Herrscherin über Vaters Land. Dann wäre Manuel allein. Ich schluckte und stand auf. Meine Tracht war pompös.
„Manuel, es tut mir so leid." Ich ging auf ihn zu. Sofort stand er vom Bett auf und umarmte mich. „Mir auch." Diese Antwort verstand ich nicht. Was tat ihm leid? „Wie meinst du das?", erkundigte ich mich also. „Das du diesen Weg einschlagen musst." Er strich mir liebevoll über den Rücken, welcher später noch mit dem roten Umhang bedeckt sein würde.
(...)
Ich stand vor dem Altar. Auf ihm lag das Buch, welches das Eheversprechen beinhaltet. Daneben lagen die Kronen, welche uns nach der Trauung auf den Kopf gesetzt wird. Die Gäste hatten sich eingefunden. Manuel saß auf meinem Gemach, ganz alleine und zerbrach vermutlich an der Tatsache, dass ich gleich nicht mehr seins war. Das alles, die Hochzeit, sie würde ein Keil zwischen Manuel und mir treiben. Sie würde alles zum Einstürzen bringen. Mein Kinn fing an zu zittern und ich musste mich bemühen, meine Tränen zurück zu halten. Schließlich sah mir meine und Annes Familie zu. Das Volk wurde eingeladen zu diesem Anlass, auf meinen Wunsch. Doch in die Burg wurde niemand gelassen. Vater hatte es so gewünscht. Aber ich hatte durch die Fenster sehen können, dass die Brücke voll mit Leuten war, die auf die Krönung warteten. Darauf hofften, dass danach alles besser wurde.
Und dann setzte die Musik ein. Alle Anwesenden erhoben sich und sahen zur großen Tür, welche von zwei Rittern bewacht wurden. Sie wurde von der anderen Seite geöffnet und dann stand dort Anne. Ihr Gesicht war verdeckt von einem weißen Schleier. Ihr Kleid hatte leichten Tüll. Es war wunderschön. Mir fiel das Kinn runter, doch ich fing mich schnell wieder. Ich erinnerte mich an Vaters Worte. Ordentliches Auftreten. Erwachsen sein. Vernünftig und adelig. Ich stellte mich gerader hin und sah zu, wie Anne leichtfüßig auf mich zuschritt. Neben ihr ging ihr Vater. Als sie kurz vor mir zum stehenblieb, konnte ich ihre wunderschönen Augen durch den Schleier schimmern sehen. Sie strahlten mich glücklich an. Gleich sind diese Augen nicht mehr glücklich. Sie umarmte ihren Vater innig und trat dann zu mir auf die Empore. Ich reichte ihr, so wie mir es erklärt wurde, die Hand. Ihre war in einen weißen Handschuh.
Der Pfarrer fing an mit seiner Rede. Die Menge hatte sich gesetzt. Anne stand mit gegenüber. Gleich hebe ich ihren Schleier hoch. Gleich sagt sie ja. Gleich sage ich nein. Gleich breche ich ihr Herz und werde der Prinz, der seine Prinzessin vor dem Altar stehen lassen hat.
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Unerklärliche Liebe / Kürbistumor
Fiksi PenggemarDer Prinz des Landes ist ein gutherziger Mensch. Er kann die Sitten der Zeit nicht nachvollziehen. Die Reichen stehen über den Armen und ihnen zu Helfen, das würde von seinen Vater, dem König, niemals in Frage kommen. Doch als der Prinz eines Tages...