Wir standen in einer dunklen Gasse. Gerade war ich dabei, den Beutel mit der Kleidung zu öffnen. Manuel beobachtete mich neugierig und als ich die Schuhe herausnahm, staunte er. „Sind die für mich?" „Nicht nur die." Ich holte noch die Hose und das Hemd raus. „Die sind doch unglaublich teuer", murmelte er. Dabei sah er sich die Hose ganz genau an. Seine dürren Finger strichen über den Stoff und über den goldenen Knopf, der die Hose zusammenhielt. „Das ist schon okay. Zieh dich um." Ich grinste Manuel an, der noch immer erstaunt die Kleidung ansah. Vermutlich hatte er noch nie in seinem Leben etwas so Wertvolles in den Händen gehalten. „Willst du mir dabei zusehen?", fragte er dann mit einem dreckigen Grinsen. Mein Blut in den Adern schien in der noch selben Sekunde zu erstarren und die Schamesröte stieg mir in den Kopf. Mit einer hastigen Bewegung drehte ich Manuel den Rücken zu. Von Manu kam daraufhin ein kurzes kichern. Ich wusste nicht wieso, aber der Gedanke, dass er vermutlich gerade nackt hinter mir stand, brachte mir ein flaues Gefühl in der Magengegend. Kein Negatives. Sondern eher ein Neugieriges und Sehnsüchtiges.
„Dreh dich um." Langsam drehte ich mich wieder in seine Richtung und als ich ihn erblickte, musste ich schlagartig nach Luft schnappen. Er war wunderschön. Das Hemd war etwas locker, doch hatte er es lässig in die Hose gesteckt. „Du siehst wunderschön aus. Also, ich meine. Es, es steht dir." Wieder dieses Hitzegefühl an meinen Wangen. „Danke." Auch Manuels Wangen waren rosig. „Wie willst du mich in die Burg bekommen? Wissen die Wachen nicht, wer die Burg betreten darf und wer nicht?" Manuels frage riss mich wieder in die Realität. „Wir gehen einfach an ihnen vorbei. Ich hoffe, dass ich ohne Probleme eine Begleitung in die Burg bekomme. Und wenn wir gefragt werden, dann bist du ein Prinz eines anderen Reiches, den ich aufgegabelt habe." Entschlossen nickte ich. „Denkst du wirklich, das glauben die uns?" Er lehnte sich gegen die steinerne Hauswand. „Lass es uns austesten." Ich beugte mich herunter und stopfte Manuels alte Kleidung in den Beutel hinein. Marlen würde die Sachen waschen oder direkt wegwerfen und eintauschen.
Wir waren auf dem Weg Richtung Burg. Gerade überquerten wir die Brücke, die zum großen Eingang führte. Manuel blieb mitten auf der Brücke stehen und ging zum Rand. „Der Blick von hier ist wunderschön. Ich hatte es vorher nur bei Nacht gesehen. Aber man kann wirklich sehr weit sehen." Er ließ den Blick über die Berge schweifen. Ich legte meine Hand auf seine Schulter. Sofort breitete sich von meinen Fingern eine wärme aus, bis hin zu meinem Herzen. Was das zu bedeuten hatte? „Warte ab, bis wir auf meinem Gemach sind." Manuel drehte seinen Kopf zu mir und strahlte mich an. Ich konnte in seinen grünen Augen sehen, dass er mehr als glücklich war.
Kurz vor dem Tor, richtete ich meine Kleidung. „Rede am besten nicht", flüsterte ich zu Manuel. Mit zusammengeschobenen Augenbrauen sah er mich an. Fast schon verzweifelt. Die Wachen musterten uns beide argwöhnisch, doch ließen uns passieren. Als wir durch das Tor gegangen waren, atmeten wir beide erleichtert aus. „Jetzt schnell rein." Ich griff Manuels Hand, ohne vorher über diese Berührung nachzudenken, und stürmte hinein, die Treppe hinauf, die Korridore entlang bis zu meinem Gemach. Erst dort ließ ich ihn wieder los. Völlig aus der Puste standen wir vor meiner Tür. „Seid willkommen, in ihrem neuen Zuhause", grinste ich und öffnete die Tür. Manuel blieb wie angewurzelt stehen und starrte in den Raum hinein. „Geh nur", forderte ich ihn auf. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Seine großen Augen schauten die Wände an, die Möbel, den Boden. Alles suchte er ab und staunte. Während er sich umsah, zog ich mir den Umhang aus und hing ihn auf die Garderobe.
„Gefällt es dir?", erkundige ich mich. Er stand an einen der großen Fenster, die auf die Ländereien zeigten. „Ich konnte noch nie so weit sehen. Wie gesagt, im Dunkeln ist die Sicht beschränkt und das Licht einer Kerze bringt nicht viel." Ich ging zu ihm und schaute hinaus. Die Sonne stand weit oben am Himmel und man sah, wie die Blätter der Bäume sanft im Wind hin und her wehten. „Wirst du weiterhin ins Dorf gehen, und den Leuten Nahrung bringen?", fragte Manuel mich. „Natürlich." Ich wollte nicht, nur weil ich ihm soweit geholfen hatte, bei allen anderen aufhören. Es war genug zu tun. „Ich hoffe Vater findet schnell eine Frau für mich", murmelte ich. „Willst du eine Frau?", fragte Manuel zurück. „Wollen schon. Am liebsten würde ich mir selbst eine suchen, in die ich mich auch verliebe. Aber das gibt es hier nicht. Aber ich will König werden, um hier alles zu verändern." Manuel nickte leicht. „Du wiederholst dich", sagte er dann schmunzelnd. Ich bemerkte es selbst und musste kurz herzhaft auflachen. „Stimmt." Ich seufzte mein Lachen weg und folgte wieder Manuels Blick in die Ferne. „Wie wäre es, wenn ich dir Wasser einlasse und du ein ausgiebiges Bad nimmst? Währenddessen werde ich warmes Essen auf mein Gemach bestellen." Grinsend sah ich ihn an. Er lächelte mich nun auch an. Aber es war ein anderes Lächeln als sonst. Ein dankbares. „Gern."
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Unerklärliche Liebe / Kürbistumor
FanfictionDer Prinz des Landes ist ein gutherziger Mensch. Er kann die Sitten der Zeit nicht nachvollziehen. Die Reichen stehen über den Armen und ihnen zu Helfen, das würde von seinen Vater, dem König, niemals in Frage kommen. Doch als der Prinz eines Tages...