Ich ritt mit meinem Pferd ins Dorf. Die Bauarbeiten waren im vollen Gange. Ich hatte Handwerker angeheuert, die die maroden Häuser reparierten. Meine Leibwachen gingen neben mir her. Manuel, der mich auf schritt und tritt begleitete, ritt auf seinem schwarzen Ross hinter mir her.
Im Dorf angekommen, staunte ich. In den zwei Jahren, wo ich nun regierte, hatte sich so viel verändert. So viele Häuser wurden renoviert. Am Rande des Dorfes wurden neue errichtet. Die Bürger verbeugten sich vor mir, als ich an ihnen vorbeiritt. Mich machte es jedes Mal froh, wenn ich die Leute sah. Alles hatte sich ins Positive geändert. Genau so, wie ich es mir erhofft hatte.
Am Marktplatz angekommen, schwang ich mich vom Rücken des Pferdes, überreichte Michael, einer meiner Wächter, die Zügel und ging zu Manuel. „Kommst du mit?" Ich reichte ihm meine Hand. Elegant stieg er vom Pferd und reichte auch seine Zügel in Michaels Hand. „Wartet hier", sagte ich zu ihm.
Manuel und ich gingen allein weiter. Ich hatte hier keine Angst, dass ich überfallen wurde. Natürlich war das anders, wenn ich wo im ungeschützten unterwegs war. Im Wald oder zwischen Feldern. Da gab es immer unständige Leute, die nach meinem Leben oder meinem Gold gierten. Aus dem Grund mied ich offene Flächen, wo keine Leute waren.
Wir betraten engere Straßen, bis hin zu der Gasse, durch welche ich damals geschlüpft war, um Manuel zu besuchen. Ich griff seine Hand. „Erinnerst du dich häufig an die Zeit zurück?", fragte ich, ohne ihn anzusehen. Er zögerte mit seiner Antwort. „Ich vermisse nichts daran", sagte er dann schließlich. „Das einzige, was ich vermisse ist, dass ich keine Pflichten hatte." Er lachte kurz. „Die hast du doch jetzt auch nicht. Du kannst tun und lassen was du willst. Solange du deinem Manne nicht fremdgehst." Ich grinste ihn an. Natürlich wusste ich, dass er dies niemals tun würde. „Du weißt, wie ich das meine." Er lächelte zu Boden. Ich blieb stehen, als wir den Brunnen erreicht hatten. „Ich erinnere mich häufig daran, wie du hier gesessen hast. Mit deinen fettigen Haaren und deinem Gesicht voller Schmutz. Deine zerrissene Kleidung. Keine Schuhe an den Füßen." Ich starrte auf den Platz, wo er gesessen hatte. Manuel legte seinen Arm um meine Hüfte. „Ich bin dir noch immer so dankbar, dass du mir geholfen hast. Das du das ganze Dorf so unterstützt. Du bist wirklich der liebevollste Mann, den ich kenne." Er zog mich sachte an seinen Körper. „Aber ohne dich, hätte ich das vielleicht nie geschafft." Wir sahen uns an, ehe wir lächelten und uns küssten.
(...)
Ich saß an meinem Schreibtisch. Vor mir lag eine Karte. Mit müden Augen sah ich auf sie herab, bis es an meiner Tür klopfte und ich meinen Kopf anhob. „Ja?", rief ich und wartete, bis sie aufging und ich sehen konnte, wer mich bei meiner, ach so wichtigen Arbeit, störte. Es war Marlen. „Ich habe etwas Gebäck für Sie. Ebenso einen Tee." Sie kam mit einem Tablett hinein. Ich schob eine Seite meines Tisches frei. „Danke dir." Marlen stellte das Tablett ab. „Wie geht's dir?", erkundigte ich mich. Ich sah sie seltener, seitdem sie ihr Kind bekommen hatte. Sie hatte sich in einer der Ritter verguckt. Ihre Liebe hatte ich erlaubt. „Es ist anstrengend. Aber wir bekommen das hin. Maurice ist für unseren Sohn da, solange ich arbeite." Sie lächelte und schenkte mir Tee ein. Ich hatte ihnen ein Kämmerchen angeboten, was sie dankend annahmen. So hatte das Kind es gut, hier im warmen der Burg. Ich liebte Marlen zu sehr, um sie irgendwo wohnen zu lassen. „Wie geht's dem kleinen?" Ich nahm den Krug mit dem Dampfenden Getränk. „Er macht sich gut. So langsam lächelt er schon bewusst." Ein stolzes lächeln glitt auf ihre Lippen. Und auch meine formten sich fröhlich. Dann senkten sie sich aber und mein Blick ging in die Ferne. Gerne hätte ich auch einen Nachfolger für mein Reich. Doch dies hatte ich damals, mit der Ablehnung von der Hochzeit, entschieden. Ich würde nie eigene Kinder haben. Nie einen Thronfolger, welcher blaues Blut unserer Familie trug.
„Bring Manuel bitte auch etwas, ja?" Ich verbannte meine Gedanken zurück in meinen Hinterkopf. „Sicher." Marlen nickte, drehte sich dann um und wollte gehen. Ich runzelte die Stirn. Kurz bevor die Tür zuging, rief ich sie zurück. Verwirrt kam sie zu mir und schaute fragend. Vermutlich dachte sie, sie hätte etwas verkehrt gemacht. „Euer Sohn. Wenn er Alt genug ist und die Ehre annehmen will, würde ich ihn gerne als mein Thronfolger ansehen lassen." Ich faltete meine Hände vor meinen Mund und sah in Marlens graue Augen. „Unser Sohn?" Sie wirkte erschrocken, gleichzeitig aber geehrt. „Euer Sohn", wiederholte ich mich. Marlen legte sich ihre Hand auf das Herz. „Danke." Dann machte sie einen Knicks. Ich grinste. „Nun bringen sie Manuel sein Gebäck." Marlen wurde rot, grinste, drehte sich um und ging freudig aus dem Raum hinaus.
(...)
Im nächsten Winter legte sich das Land in tiefes Weiß. Ich stand am Fenster meines Gemachs, in der Hand hielt ich einen heißen Tee aus getrockneten Kräutern, welche wohlig dufteten. Das Holz im Kamin knisterte und brachte eine wärmende röte in den Raum. Ich hörte nur das Feuer und dann das Rascheln unseres Bettes. Manuel befreite sich aus den Decken. „Guten Morgen", sagte ich, noch immer den Blick aus dem Fenster. Ich hörte ihn zu mir gehen. „Na." Er küsste mein Schulterblatt. „Gut geschlafen?" Ich nickte. „Ich bin schon länger wach. Der Sonnenaufgang war wirklich schön." Nun stellte er sich neben mich. „Immer verpasse ich das schönste am Morgen." „Dann solltest du aufstehen, wenn du wach wirst und nicht noch mal die Augen zu machen." Frech grinste ich ihn an. Er verdrehte die Augen und ging, nackt wie er war, zum Tisch und goss sich Tee ein. Dann kam er zurück und stellte sich neben mich. Zusammen blickten wir ins ewige Weiß, welches so friedlich und beruhigend war.
Am Nachmittag, nachdem wir einen Braten gegessen hatten, zogen wir uns dicke Pelzmäntel an, um einen Spaziergang zu tätigen. Ich liebte es, wenn der Schnee unter den Füßen knirschte und alles glitzerte, im leichten Schein der Sonne.
Manuel und ich gingen Hand in Hand den kleinen Weg entlang, welcher in die gegengesetzte Richtung vom Dorf führte. Man erkannte die Rauchschwaben, die aus den Schornsteinen stiegen. Mein wunderbares Dorf, mit wunderbaren Menschen. Tim, der kleine Junge, der mich zurück zu Manuel gebracht hatte und somit mein und sein Leben bestimmt hatte, war ein gern gesehener Gast unseres Hauses. Er erlernte das Lesen und Schreiben. Ich mochte den Jungen. Er sollte mein Botschafter werden, sobald er das konnte, was er können musste.
„Sieh da." Manuel deutete mit dem Fingern in das kleine Waldstück hinein. „Was ist da?", fragte ich nur. „Siehst du das nicht?" Ich formte meine Augen zu schlitze, in der Hoffnung besser sehen zu können. Dann sah ich einen gewaltigen Hirsch. Er kratzte mit seinem Geweih Rinde vom Baum ab. „Ist der nicht schön." Manuel und ich beobachteten den Hirsch. Auch unsere Wachen stellten sich zu uns und sahen den Hirsch zu, wie er dort majestätisch stand und sein Geweih rieb. Dann knackte es. „Herr im Himmel", hauchte Michael neben mir. Ein zweiter Hirsch, noch prunkvoller als der Erste, kam in unser Blickfeld und stellte sich neben den ersten Hirsch. Dieser sah ihn an und rieb dann seine Nase gegen die des anderen. „So etwas habe ich noch nie gesehen", flüsterte Manuel. Ich schmunzelte. Die beiden Hirsche gingen so liebevoll miteinander um. Sie erinnerten mich an Manuel und mich.
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Und wiedereinmal geht eine Geschichte zu Ende. Ich habe ziemlich damit gehadert, ob ich sie jetzt beenden oder noch fortführen soll. Aber ich denke, dass ein Ende gut passt. Ich hoffe, sie hat euch gefallen und eure Enttäuschung über das Ende hält sich in Grenzen.
Danke auch für die lieben Kommentare, die ihr mir hinterlässt. Das motiviert einen wirklich, weiter zu machen. :)
> Wenn ihr noch mehr lesen wollt, dann schaut bei meinen anderen Geschichten vorbei. Zudem gibt es bald auch wieder eine neue Story mit einem Thema, welches ich noch nie aufgegriffen habe.
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Unerklärliche Liebe / Kürbistumor
FanfictionDer Prinz des Landes ist ein gutherziger Mensch. Er kann die Sitten der Zeit nicht nachvollziehen. Die Reichen stehen über den Armen und ihnen zu Helfen, das würde von seinen Vater, dem König, niemals in Frage kommen. Doch als der Prinz eines Tages...