Teil 29

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Meine letzte Idee war die Wassermühle. Vielleicht war er auch schon weitergewandert. Vielleicht ist er gar nicht mehr hier, sondern auf den Weg in das nächste Dorf. Oder das übernächste oder überübernächste. Ich stand auf und klopfte mir den Dreck vom Hintern. Manuel dachte, dass ich jetzt in meiner Burg sitze, die Krone auf dem Kopf und Anne an der Hand. Das wir Wein tranken und feierten und später, wenn das Fest vorüber ist, unsere Ehe mit dem Akt der Liebe besiegelten.

Ich ging den erdigen Weg entlang. Ich sah auf die Steine, auf die er balanciert war. Mit seinen nackten Füßen, die voller Hornhaut und Dreck waren. Die Füße, die zum Schluss weich waren. Ich umschlang mich selbst mit meinen Armen und ging weiter, bis hin zur Mühle. Die Tür stand angelehnt. Sorge hatte ich schon, dass der Bauer hier war und mich sehen könnte.

Langsam drückte ich die Tür auf, die ein knarrendes Geräusch von sich gab, und spähte in den Raum. Der Staub glitzerte in der Luft. „Manu?", rief ich in gedämpfter Stimme. Ich lauschte. Nichts. „Manuel?" Ich trat hinein, sah mich um. Doch ihn sah ich nicht. In keiner Ecke. Ich war frustriert. Er war wohl doch über alle Berge gelaufen. Vermutlich würde ich ihn wirklich nie wiedersehen. Und das nur, weil ich die Hochzeit angetreten war und ihm vorher nicht erzählt hatte, was mein Vorhaben war.

Ich schlug mit der Faust gegen die Eingangstür. „Verflixt!" Ich hatte mir einen Splitter in die Hand gerammt. Ich starrte wütend auf das Stück Holz an meinem Ballen. „Das auch noch." Ich versuchte ihn mit meinen Fingernägeln hinaus zu ziehen, doch gelang es mir nicht. „Sterbe ich halt dran", murrte ich und ging hinaus, aus der Mühle. Meine Hand fing an zu pochen und ich spürte mein eigenes Blut, welches aus der Wunde rann. Doch ich ignorierte sie. Ich ignorierte, dass ich blutete und ab und zu einen Tropfen verlor.

Die Leute im Dorf sahen mich an, als ich an sie vorbei gingen. Ein kleiner Junge, ich schätzte ihn auf elf Jahre, kam zu mir gelaufen und hielt mich am Arm. „Entschuldigen Sie, Sir." Er blickte mich mit strahlend blauen Augen an. Müde sah ich in sie. „Sind Sie der Herr, der uns die Leckereien gebracht hat?" Freudig sah er mich weiter an. Er war einer von denen, denen ich geholfen hatte. Einer, weswegen das alles passiert ist. Hätte ich Manuel nicht kennengelernt, wäre es anders verlaufen. Da wäre ich nun König und könnte dem Jungen jeden Tag du für den Rest der Zeit helfen. Bis er Alt und Grau war und starb. So wie ich irgendwann. „Ja, willst du was haben?", fragte ich ihn und griff schon zu meinem Gürtel. „Nein, Sir. Ich wollte Ihnen nur danken. Mein Vater hat die Krankheit überwunden und kann sogar wieder auf dem Feld arbeiten." Ich schmunzelte. „Das freut mich." Dann kam mir eine Idee. „Vielleicht könntest du mir jetzt helfen." Ich kniete mich vor ihm hin, sodass wir, mehr oder weniger, auf eine Augenhöhe waren. „Ich helfe Ihnen gerne." „Ich suche einen Freund von mir. Es ist wirklich wichtig." „Wie sieht er denn aus?" Ich musste grinsen. Er kannte sich hier viel besser aus als ich und würde Manuel wohl eher finden, als mich. „Er hat braunes, etwas längeres glattes Haar. Grüne Augen und trägt vermutlich ordentliche Klamotten. Vielleicht auch Adelige, das weiß ich aber nicht genau. Sein Name ist Manuel." Der Junge machte ein überlegendes Gesicht. „Hast du jemanden gesehen, auf die die Beschreibung zutrifft?" Ich legte meine Hand auf seine kleine Schulter. „Nein. Aber ich laufe gleich zu meinen Freunden, frage die und dann gehen wir alle zusammen suchen." Er hüpfte kurz freudig in die Luft. „Ich bin dir wirklich dankbar", meinte ich dann. „Ich komme heute Abend zum Marktplatz. Dann werde ich dir sagen, ob ich was herausgefunden habe." Ich nickte lächelnd. „Danke." „Wie darf ich Sie nennen, Sir?" Blaue glänzende Kinderaugen. „Nenn mich Patrick." Nun wurden sie groß. Sein Blick wanderte von meinem Gesicht, runter meinen Körper entlang. Je länger er starrte, desto größer wurden seine Augen und desto mehr klappte sein Mund auf. „Sind Sie. Oh, verzeihet Herr. Prinz, König Patrick." Er machte eine gütige Verbeugung. „Patrick reicht." Ich legte meine Hand auf sein Schopf. „Behalte meine Identität bitte in Stillschweigen. Und nun lauf, ich werde am Marktplatz warten." Der Junge nickte grinsend, drehte sich auf den Absatz um und rannte in höchster Geschwindigkeit die Gasse entlang.

Unerklärliche Liebe / KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt