Den ganzen Tag über schwirrte mir der Junge aus dem Dorf im Kopf rum. Selbst, als ich beim essen saß oder Schwertkampf übte. Was er wohl machte? Ob er sich gerade irgendwo befand, wo er schlafen konnte oder ob er sich was zu essen gekauft hatte? Vielleicht stahl er auch im Augenblick etwas, von jemanden. Oder er saß auf der Erde und schnitzte seinen Stock. Er war für mich ein interessanter Mensch. Dieses aufmüpfig Aggressive. Aber eigentlich war er ein trauriger Mensch, der sich nur nach einer besseren Heimat sehnte.
Ich war gerade auf dem Weg in unseren Garten, da ich mich noch etwas in die Abendsonne setzen wollte. Ich liebte es, wenn der Himmel ein rot annahm und die Sonne hinter den Bergen verschwand. Ich trabte gerade die Treppe hinunter, als mir mein Vater über den Weg lief. „Hallo Vater", begrüßte ich ihn mit einer Verbeugung. Das musste ich. Auch, wenn er mein Vater war, musste ich die Regeln einhalten und dem König meine Unterwürfigkeit zeigen. „Wohin des Weges?", erkundigte er sich. „In den Garten, frische Luft atmen." Ich bemerkte, dass in seinem graubraunen Bart ein Stück Fleisch hing. Dadurch hatte ich Mühe, nicht loszulachen. Vermutlich kam er vom Abendessen und ging auf sein Gemach, um zu Ruhen. „Warst du nicht heute schon genug an der Luft?", fragte er mich. „Wie meinst du das?" Ich war verwirrt über diese Frage. „Mir ist zu Ohren gekommen, dass du dich im Dorf rumgetrieben hast. Das machen wir nicht. Das Königshaus zeigt sich da nur selten. Wir gehören nicht zu den einfachen Leuten." „Vater ich, ich wollte nur noch mehr sehen. Unserem Volk geht es nicht gut. Sie sind arm und brauchen Hilfe." Ich sah ihn verzweifelt an. Wenn ich seine Hilfe bekommen würde, könnten wir beide, das ganze Königshaus, so viel erreichen und den Leuten helfen ein gutes Leben zu führen. „Wir helfen schon, indem wir ihre Häuser reparieren", sagte Vater. Ich seufzte. „Aber sie wollen auch Medizin, essen, sauberes Wasser. Vater, die Leute sterben dort. Ein reines äußerliches Bild zeigt doch nicht, dass es unserem Volke gut geht. Wenn es dem Volk auch gut geht, dann wird auch der Rest besser." Ich wollte ihn mit allen Worten, die mir einfielen, davon überzeugen, dass wir auch anders Helfen konnten. „Mein Wort zählt, nicht deines. Wenn du anders herrschen willst wie ich, dann warte bis zu meinem Ableben. Oder heirate eine Dame aus einem anderen Hause und ziehe dort ein." Mit den Worten schritt er weiter die Treppe empor und ließ mich mit offenen Mund stehen.
Wütend ging ich also auch weiter, bis ich draußen ankam. Ich setzte mich unter die große Weide, zwischen Teich und stamm und lehnte mich an sie. Ich mochte es, hier zu sitzen. Die Seerosen blühten schön und auf dem Wasser schwammen zwei Enten. Ich beobachtete sie, wie sie ihre Hälse Unterwasser steckten und ihre Schwänzchen in die Höhe streckten. Dabei zupfte ich das Gras aus der Erde.
Ich würde den Leuten gerne viel mehr helfen. Ich beschloss gleich Morgen früh einen weiteren Auslug ins Dorf zu machen. Ich wollte nicht nur Geld verteilen, sondern auch etwas essen. Beim Frühstück blieb so oder so immer einiges über. Das würde ich einfach mitgehen lassen und an die verteilen, die mir begegneten.
Und das tat ich. Am nächsten Morgen bat ich Marlen um ein sehr großes Frühstück. Sie brachte mir Brötchen, die ich an drei Tagen nicht geschafft hätte. Dazu Wurst und Käse in verschiedensten Formen. Auch einige Eier waren dabei. „Sie haben aber einen großen Hunger, Herr", bemerkte Marlen kichernd, als sie das dritte Tablett auf den Tisch stellte, wo ich meine Mahlzeiten zu mir nahm. „Kann ich dir was anvertrauen?", fragte ich dann, als ich mir eines der Brötchen aufschnitt. „Natürlich" kam es von ihr zurück. „Setz dich doch." Ich zeigte auf den Stuhl mir gegenüber. Ich mochte es nicht, wenn sie neben dem Tisch stand und wartete, bis ich ihr was auftrug. Kurz schaute sie mich irritiert an, nahm dann aber meine bitte an und setzte sich. „Bitte behalte das jetzige gesagte für dich. Ich habe vor, ohne Vaters Einverständnis, den armen im Dorf zu helfen. Ich finde es nicht richtig, wie er mit seinem Volk umgeht. Er ist kein guter König und das wissen alle. Nur er selbst ist vom Gegenteil überzeugt." Marlens Anblick verriet mir, dass sie nicht wusste, was sie dazu sagen sollte. „Ich weiß, dass du der selben Meinung bist, aber nur zu nett bist, es zu sagen", kicherte ich und klopfte mein Ei an der Kante meines Krugs auf, um es zu pellen. „Möchtest du auch was?", fragte ich sie noch. Schnell schüttelte sie den Kopf. „Danke Herr. Ich habe schon gefrühstückt." Ich zuckte nur mit den Schultern und machte mich über das Essen her. Die Reste packte ich in meinen Beutel und ich brauchte sogar einen zweiten, um wirklich alles zu verstauen.
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Unerklärliche Liebe / Kürbistumor
FanficDer Prinz des Landes ist ein gutherziger Mensch. Er kann die Sitten der Zeit nicht nachvollziehen. Die Reichen stehen über den Armen und ihnen zu Helfen, das würde von seinen Vater, dem König, niemals in Frage kommen. Doch als der Prinz eines Tages...