Teil 31

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Die Wachen musterten mich schweigend, kreuzten aber nicht ihre Speere, als Manuel und ich den Torbogen durchschritten. „Das hat schon mal geklappt", flüsterte ich ihm zu. Vermutlich hatte ich mehr Angst als er. Meine Hände schwitzten regelrecht. Doch ich bemerkte eine Schweißperle, die sich an seiner Schläfe bildete.

Wir betraten die Burg, gingen die große Treppe rauf in mein Gemach. Dort schloss ich die Tür. Es sah noch genauso aus wie ich es verlassen hatte. „Wie gehen wir vor?", fragte ich und setze mich auf einen Stuhl. Manuel kniete sich vor mich auf den Boden. „Wenn du ihn suchst?" „Nein." „Sprich mit Anne?" „Was soll das bringen?" Wir seufzten beide gleichzeitig. Und dann, als wäre es abgesprochen gewesen, ging die Tür mit Schwung auf und Vater stand dort.

Erst sah er mich an, dann Manuel. Sein Auge zuckte. Dann wieder mich. „Ist das dein Lustknabe?", fragte er mich, mit den Finger auf Manuel gerichtet. Schnell sprang ich auf und stellte mich vor Manuel, der sich rasch aufrichtete. Ich hatte Sorge, dass Vater seine Wachen auf ihn schickte. „Nein, Vater. Das ist mein geliebter." Ich versuchte meine Stimme nicht tanzen zu lassen. Doch sie zitterte mehr, als je zuvor. „Dein geliebter", wiederholte Vater. Er schritt nach vorne, die Hände am Rücken. Manuel griff mein Handgelenk. Er hatte Angst. Ich konnte es spüren. Hatte er Angst um sich? Um mich? Vermutlich um unser beide Wohl. „Was hat ein Bettlerjunge aus dem Dorf hier zu suchen?", fragte Vater dann ruhig. „Er gehört zu mir. Er ist kein Bettlerjunge mehr. Er ist ein Teil von mir. Vater, bitte." Er schritt wieder zurück. Die Wache drückte gerade meine Tür zu. „Weißt du, dass Mutter wegen dir weint? Das Anne am Boden zerstört ist und unser Stand bei ihrem Königshaus nun verachtet wird?" Er blieb stehen. Wütend sah er mich an.

Ich senkte meinen Blick. „Das hatte ich vermutet, weswegen ich das eingehen wollte. Doch im letzten Augenblick hatte ich gemerkt, dass ich für den Rest meines Lebens unglücklich gewesen wäre. Anne hätte nicht lange einen Mann gehabt und das Volk keinen König." Ich sprach leise und gedrungen. Diese Gedanken preis zu geben, war für mich eine große Überwindung. „Wie meinst du das?" Vater stellte sich vor mich. Dicht. Dennoch nicht zu Nah. Ich fühlte mich nicht bedrängt. Doch ich spürte Manuels griff, wie er sich verkrampfte. Seine und meine Haut, dort wo sie sich berührten, waren schwitzig. „Ich hätte mein Leben ein Ende gesetzt. Ich liebe ihn. Keine Frau. Ich will mit ihm regieren. König und König." Ich kniff schon die Augen zu, weil ich eine Hand in meinem Gesicht vermutete. Doch es kam keine.

„Das spricht gegen den Willen Gottes." Ich sah zu ihm auf. Er hatte einen roten Kopf. Zornig aber auch gebrochen, sah er mich an. „Will Gott nicht, dass jeder auf seiner Erde glücklich ist?", fragte ich. Nun wich die Wut aus Vaters Gesicht. „Das Volk wird das nicht akzeptieren, mein Sohn." Er legte seine Hand auf meine Schulter ab, zog mich zu sich und drückte mich. Eine Umarmung in dieser Situation. Mich grauste es, dennoch war es befreiend und bestätigend, dass er mich akzeptierte.

Das Volk würde es sicher verstehen. Es mochte mich. Ich war ihr heimlicher Retter und das würden sie erkennen, wenn sie mein Gesicht sehen. Wenn ich preisgebe, wer ich wirklich bin. Da war ich mir sicher. „Nein Vater. Nicht alle, da bin ich sicher." Er klopfte mir nochmal auf den Rücken und löste sich von mir. „Wieso?" Ich stellte mich neben Manuel. „Bevor ich ihn gefunden hatte, habe ich Essen und Geld an die Bewohner verteilt. Sehr oft. Natürlich wusste niemand, wer ich wirklich war. Doch sie erinnern sich an mein Gesicht und wissen, dass ich ihr Retter bin. Teilweise. Ich habe mit unserer Medizin Leben gerettet, Vater. Wir haben davon so viel. Wir können wirklich helfen." Vater nickte. „Wenn du König bist, kannst du tun, was du willst. Doch ich bin mir sicher, du solltest deine Beziehung" Er schluckte bei dem Wort und dem Blick auf Manuel. „geheim halten und der König ohne Frau werden." Mir fiel ein Stein vom Herzen. „Das geht?" Wieder ein nicken von Vater. Ich tauschte einen glücklichen Blick mit Manuel aus. „Danke, Vater." Dann nahm ich ihn erneut in die Arme. Und er lachte. Er lachte, weil ich glücklich war. 

Unerklärliche Liebe / KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt