Teil 18

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Mein Vater saß mit verschränkten Fingern an dem großen Tisch und sah mich finster an. „Setz dich." Ich nickte und platzierte mich auf einen der zwei Stühle, die an dem Tisch standen. „Ist etwas passiert?", fragte ich dann verunsichert. Vater lehnte sich zurück und tat seine Hände auf seinen Bauch. „Nun, ich habe mitgeteilt bekommen, dass du die Burg regelmäßig verlässt und ins Dorf gehst. Was hast du dort zu suchen?" Seine Augen waren zu wütenden Schlitzen geformt. Mein Gehirn suchte nach einer Antwort. „Vater, ich...", kurz holte ich Luft. „Ich will unser Volk unterstützen. Niemand weiß, dass der Prinz ihnen hilft. Das kannst du mir glauben." Ich traute mich nicht, ihm in die Augen zu blicken. Allerdings konnte ich spüren, wie er mich ansah. Verachtend ansah. Mir schauderte es bei dem Gedanken, was mich durch diese Tat wohl erwartete. „Du begehst einen Fehler", kam es dann von Vater. „Nein." Ich hatte ihm tatsächlich widersprochen. Ich hörte, wie der Stuhl knirschte, auf dem er saß. Er hatte sich nach vorne gelehnt. „Wie bitte?" Jetzt sah ich doch auf. „Das Volk braucht unterstützung. So können wir nicht weiter machen. Sie sterben, weil sie Krank sind und kein Geld für Medizin haben. Sie leben in Armut und Kummer. Familien gehen kaputt, weil sie nichts zu essen haben und verhungern. Vater, die Menschen brauchen Hilfe, damit sie Leben können." Ich versuchte ihn zu überzeugen, dass es das Richtige war, was ich tat. „Das Volk ist nicht unser Problem...", sagte Vater. Doch ich unterbrach ihn. „Doch ist es. Als König ist es Pflicht, dafür zu sorgen, dass es allen im Lande gut geht und nicht nur aufs eigene Wohl zu schauen!" Vater sprang auf und schlug mit der Faust auf den Tisch, was mich zusammenzucken ließ. „Wenn ich noch einmal mitbekomme, dass du diese Burg verlässt, kommst du ins Verließ!" Seine Stimme hallte an den Steinwänden wieder und drang mir durch Mark und Bein. „Ich werde ein besserer König sein, als du. Ich bin froh, wenn ich deinen Platz endlich einnehmen kann und du nichts mehr zu sagen hast", murmelte ich, stand ohne ein Blick auf und ging.

Die Holztür zu seinem Gemach schmiss ich so fest ich konnte zu. Die eine Wache zuckte merklich zusammen und drehte ihren Kopf zu mir. Ich aber stapfte nur wütend den Korridor entlang.

Ich ging zur großen Halle, wo nie, außer an Festtagen, etwas los war und stellte mich auf den großen Balkon. Es war nicht gerade der, mit der besten Sicht, aber es war der, der am ruhigsten war. Oben erwartete mich Manuel und ich wollte ihm nicht begegnen, wenn ich zornig war.

Mein Blick glitt über die Ländereien. Irgendwie wollte ich, dass die Hochzeit sofort stattfinden würde. Doch das funktioniert nicht so einfach. Vater meinte ja, sie würde aus weiter Ferne anreisen. Ich stützte meine Arme auf der Mauer ab. War meine Zukünftige Frau wenigstens Hübsch? Und hoffentlich passte sie zu mir und war keine Furie. Und hoffentlich lenkte sie mich von meiner Krankheit ab. Ich verstand immer noch nicht, was mein Körper hatte. Wieso reagierte er so auf Manuel? Zu unserem Heiler gehen, konnte ich nicht. Es war mir viel zu unangenehm, so etwas anzusprechen. Schließlich war ich der Prinz und zukünftige König. Eine so merkwürdige Krankheit würde mein Ruf in der ganzen Burg schädigen.

Langsam ging ich zurück zu meinem Gemach. Ich öffnete die Tür und sah Marlen und Manuel zusammen am Tisch sitzen. Vor ihnen war ein dampfender Braten aufgetischt. „Das sieht aber gut aus", lächelte ich zu ihnen rüber. „Es sieht nicht nur gut aus, es schmeckt auch fabelhaft", gluckste Manuel. Ich sah seinen schon leer gegessenen Teller. „Möchten Sie auch was?", fragte Marlen höfflich. Sie war schon aufgestanden, um mir den Stuhl zurück zu schieben. Dankend setzte ich mich auf diesen und lies mich von ihr wieder ran schieben. „Ich werde jetzt meine anderen Aufgaben erledigen. Wenn sie noch was wünschen, rufen sie mich", sagte Marlen an mich gerichtet. „Gut", antwortete ich und tat mir etwas von dem Braten auf meinen Teller.

„Wo warst du so lange?", fragte Manuel mich zögerlich. Er sah mich mit leuchtenden Augen an. „Ich war zuerst im Dorf und dann bei Vater. Er hat es herausgefunden", erzählte ich ihm. Manuels Augen wurden größer. „Was sollen wir tun?" „Nein, das du hier bist, weiß er nicht. Er weiß nur, dass ich dem Dorf helfe. Wir haben uns dies bezüglich in die Haare bekommen. Aber wenn ich endlich heirate, dann ist dieses Problem Geschichte." Ich nahm etwas Fleisch in den Mund. Es schmeckte wirklich gut und war zart, als wäre es von einem ziemlich jungen Tier. „Kennst du deine zukünftige?", wollte Manuel wissen. „Nein. Ich habe sie noch nie gesehen. Ich bin ehrlich gesagt auch sehr nervös sie kennenzulernen. Was ist, wenn ich mich nie verlieben kann und für den Rest meines Lebens unglücklich bin?" Manuel fing an zu grinsen. Es war wieder dieses verschmitzte grinsen. „Du hast ja noch mich." Mein Herz machte einen unfreiwilligen Hops in die Höhe. Ich glaubte wirklich, mich verhört zu haben. Doch er hatte es gesagt.

Irritiert sah ich ihn an, weswegen er zu kichern begann. „Ist doch nur ein Spaß gewesen", sagte er dann. Ich nickte kurz angebunden und aß weiter. Zwischen uns kehrte Stille ein, doch ich sah heimlich zu Manuel rüber. Er sah auf den Tisch. Seine Augen wirkten traurig und seine ganze Haltung deutete, dass es ihm nicht gut ginge.

„Ist allen in Ordnung bei dir?", erkundigte ich mich vorsichtig. Manuel richtete seinen Blick zurück auf mein Gesicht und sah mir somit direkt in die Augen. „Sicher. Was soll denn sein?" Ich blinzelte verwirrt, zuckte dann aber nur mit der Schulter.

(...)

Die Tage verstrichen. Manuel und ich verbrachten die meiste Zeit zusammen in meinem Gemach. Ab und zu waren wir aber auch draußen auf dem Balkon und genossen die Wärme, den Wind und manchmal auch den Regen, der dann auf unsere Haut und Kleidung nieder prasselte. Jeden Abend lagen wir vollkommen erschöpft im meinem Bett, welches jetzt schon unser war. Und tagtäglich mochte ich Manuel mehr und mehr. In mir stieg ein flaues Gefühl auf, wenn er mir zu nahe kam, wenn er sich umzog oder gar Oberkörperfrei vor mir saß. Es frohlockte mir immer ein Lächeln, auch wenn es falsch war darüber glücklich zu sein. Schließlich war er keine Frau und solche Gefühle konnte, durfte und sollte man nur für eine Frau sein. Abends, wenn Manuel schlief, ging ich des Öfteren in meine Badekammer, um für mich alleine zu sein. Es war, als würde Manuel mich und meine Hormone komplett durch den Wind bringen. Im negativen Sinne. Ihm das zu sagen, konnte ich aber nicht. Es wäre viel zu Falsch und ihm meine Krankheit zu zeigen, würde unsere aufgebaute Freundschaft zerstören.

Ich drehte meinen Kopf zu Manuel, der schon in Seelenruhe schlief. Die Decke hatte er sich zwischen die Beine geklemmt. Ein schmunzeln legte sich auf meine Lippen und ich musste abermals feststellen, dass ich ihn süß fand. Als er dann noch leicht schmatzte und seinen Kopf nur noch mehr in das Kissen drückte, kam wieder dieses Gefühl in der Magengegend auf, welches mich so glücklich machte. Ich stützte meinen Kopf auf meine Hand ab und beobachtete Manuel, im leichten Schein der runtergebrannten Kerzen auf meinem Nachttisch. 

Unerklärliche Liebe / KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt