Teil 30

811 101 10
                                    


Wartend stand ich auf dem Marktplatz. Ich sah mich die ganze Zeit hektisch um. Doch den Jungen oder Manuel, erblickte ich nicht. Ich selbst hatte noch nach ihm gesucht und bei den Leuten nachgefragt. Doch alles ohne Erfolg.

Ich lehnte meinen Kopf gegen einen Holzpfahl und schloss die Augen. Ob ich Manuel je wiedersehen würde? Ich bezweifelte es immer mehr. Wenn der Junge auch keinen Erfolg hatte, dann war er fort. Einfach weg. In ein anderes Dorf. Dann war es Zwecklos.

Vermutlich wäre dann mein Lebensziel, von Dort zu Dorf zu pilgern und jedes nach ihm abzusuchen. Mal hier schuften und mal dort, um an etwas Geld zu kommen. Oder stehlen, so wie Manuel es einst getan hatte. Und vermutlich wieder tat. Er war schließlich ohne Geld gegangen. Oder hatte er mich bestohlen, bevor er geflohen war? Das traute ich ihm zu. Doch böse war ich ihm nicht. Er wusste, dass ich es ihm gegeben hätte. Da sich genug hatte. Und er nun mal nichts.

„Sir?" Jemand zupfte an meinem Ärmel. Erschrocken öffnete ich meine Augen und sah in die des Jungen. „Hast du ihn gefunden?", fragte ich sofort. Er drehte sich um. Ich folgte seinen Blick und sah direkt in die leuchtenden Augen Manuels. „Oh Heiliger, bin ich froh dich zu sehen." Ich ging um den Jungen herum und sprang Manuel in die Arme. Freudig erwiderte er die Umarmung. „Was machst du hier?", erkundigte er sich. Doch seine Stimme war überglücklich. „Ich habe Nein gesagt, Manuel", schnaufte ich in sein Haar hinein. In meine Augen hatten sich Tränen der Freude gesammelt. Ich wollte ihn nie wieder loslassen. Ihn mein Nennen, für den Rest meines und seines Lebens. „Du hast wirklich Nein gesagt?" Er klang verwundert, drückte mich auf Armlänge weg und sah mich Stirnrunzelnd an. Mein Blick ging kurz nach rechts, zu dem Jungen. Lächelnd und voller Stolz beobachtete er uns. „Moment", murmelte ich, griff an meinen Gürtel und nahm drei Goldmünzen heraus. „Kauf dir was zu Essen davon. Das ist für dich und deiner Familie. Ich werde dich nie, wirklich nie vergessen. Wie ist dein Name?" Der Junge weitete seine Augen und bildete mit seinen kleinen Händen eine Schale, in die ich die Taler legte. „Tim." Ich lächelte und legte meine Hand wieder in sein Haar. „Danke dir, Tim." Er sah zu mir auf. „Sie sind der beste Prinz, den wir nur haben könnten. Bitte werde König." Mir wich das Blut aus dem Gesicht. Doch ich wollte ihn nicht enttäuschen. Also nickte ich lächelnd. Tim grinste breiter den je, stopfte das Gold in die kleine Tasche seines Hemdes und drehte sich um. „Tschüss, Prinz!", rief er und hüpfte freudig davon, in die nächste Gasse hinein. Hektisch sah ich mich um, ob jemand seine Bemerkung mitbekommen hatte. Doch niemand schien es bemerkt zu haben. Alle gingen ihre eigene Beschäftigung nach.

„Du hast wirklich abgelehnt?" Es war Manuel, der meine Hand griff, unsere Finger verschränkte und somit meine Aufmerksamkeit wieder auf das Thema lenkte, wieso ich ihn aufgesucht hatte. „Ich konnte diese Ehe nicht eingehen. Es wäre falsch, weil..." Ich stockte. Mir blieben die Worte im Hals stecken. „Weil?" Manuel sah mich fragend an. „Weil ich dich Heiraten will." Manuels Augen glitzerten auf. Dann zog er mich einmal quer über den Marktplatz, in eine schmale Gasse hinein. Ruckartig drückte er mich gegen die kalte Bruchsteinwand und presste seine Lippen auf meine.

„Ich dachte, es wäre vorbei mit uns", sagte er dann. Ich schüttelte den Kopf. „Das könnte ich nie mit mir selbst vereinbaren. Ich dachte, ich finde dich nie wieder und wäre nun vollkommen allein. Ich will nie wieder ohne dich sein." Ich strich ihm sein Haar hinters Ohr. „Und wie willst du vorgehen?" „Ich habe Vater erzählt, dass ich einen Mann liebe." Manuel riss die Augen auf. „Du hast was getan?" Er war vollkommen schockiert. „Habe ich doch gerade gesagt." „Und nun?" Er drehte sich von mir weg und lehnte sich neben mich an die Wand. „Das frage ich mich selbst auch." Wir starrten beide für einige Sekunden gegen die Wand, gegenüber von uns. Dann machte Manuel ein überlegendes Geräusch, ehe er zu sprechen begann. „Hast du damit noch das Recht auf den Thronplatz?" Ich überlegte kurz. „Ich bin mir nicht sicher. Aber ich bin der Einzige, der nach Vater in Frage käme." Manuel kickte einen kleinen Stein gegen die Wand. „Wir sollten das Gespräch suchen." „Er wird uns mit Fackeln verfolgen lassen." Ich schüttelte den Kopf über seine Idee. „Entweder, wir versuchen es, oder wir lassen es sein und bleiben für immer hier. Ich bin ein Leben auf der Straße gewohnt. Aber du." Abwertend deutete er auf mich. Klar verstand ich, wie er es meinte, weswegen ich seufzte. „Dann los." Ich gab ihm noch einen schnellen Kuss und ging dann voran, raus aus der Gasse, über den Marktplatz, raus aus dem Dorf und über die Brücke, zum großen Tor unserer Burg.

Unerklärliche Liebe / KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt