Ich pfiff die leise Melodie der Musik mit, als plötzlich ein lachen erklang. Ich sah auf und erkannte, wie eine Gestalt im Schatten an einer Hauswand lehnte. Ich stand schnell auf. Im Falle eines Angriffs wollte ich nicht unterlegen sein. Wie alle sagten. Alleine war es Gefährlich. Vor allem, wenn man dem Königshaus angehörte. Die meisten Verachteten uns hier. Die Gestalt trat aus dem Schatten und sofort entspannte ich mich. Es war Manuel. Doch heute sah auch er anders aus. Sein strubbeliges Haar war seidig an seinem Kopf gebürstet und der Dreck war von seiner Haut verschwunden. „Du bist hergekommen", sagte er zu mir. Nun stand er nicht mehr allzu weit von mir entfernt. „Ich habe was gebracht", teilte ich ihm mit. Er wartete geduldig, bis ich mein Beutel genommen hatte. „Hier." Ich machte ihn auf und nahm ein Brötchen hinaus. Manuels Augen wurden groß und hektisch nahm er es. „Vielen, vielen Dank", schmatzte er. „Hier, damit es nicht so trocken ist. Ich hoffe du magst Käse." Ich reichte ihm ein Stück. Auch dies nahm er glücklich an und aß es. Er schien wirklich ausgehungert zu sein. „Setzten wir uns doch", sagte ich und zeigte auf meinen Umhang, der noch immer auf dem Boden lag. Manuel nickte und setzte sich drauf. Seine dreckigen Lumpen störten mich nicht. „Sind sie deshalb hergekommen?", fragte er mich mit vollem Mund. „Ich verteile es an die Leute. Nur hatte ich nicht gewusst, das heute so ein Fest ist. Ich glaube, der Moment ist nicht passend." „Sie sind anders, als ihr Vater." Manuels Augen hatten sich zu schmalen schlitzen geformt. Der Grund war sein Lächeln. „Das höre ich gerne. Mein Vater ist kein guter Mensch. Ich bin nicht wie er. War ich nie." Ich senkte meinen Blick auf meine Füße. „Nein. Sie sind nett." Manuel schmatzte weiter. Ganze vier Brötchen, zwei Käse und drei Würste aß er auf. Als er fertig war, lehnte er sich gegen den steinernen Brunnen und brummte. „So satt war ich noch nie." „Das freut mich", gab ich zurück.
Stille kehrte ein. Manuel hatte die Hände auf seinem Bauch gefaltet und lag dort mit geschlossenen Augen. Ich musterte den Jungen. So sauber war er ein hübscher Bursche. Die langen Wimpern, die schmalen Lippen, der kurze stoppelige Bart, welcher seine kantige Kinnpartie umspielte und der Adamsapfel, der ausgeprägt war. Sein Körper war dürr. Aber er hatte sich gewaschen. Ob er es dank meines Geldes machen konnte? Ich lächelte. Er war wirklich der schönste Junge, den ich in meinem Leben getroffen hatte. Ich kannte zwar nur die Leute auf der Burg. Aber auch dort gab es Ritter, die gut aussahen. Nur nicht so gut, wie er.
Ich legte meine Stirn in Falten, als ich drüber nachdachte, worüber ich nachdachte. Es waren Gedanken, die ich nicht haben sollte. „Ist alles gut bei ihnen?", fragte mich Manuel. Er hatte seine Augen ein spalt weit geöffnet. „Natürlich", versicherte ich ihm. Er aber stand auf. „Ich werde jetzt gehen. Werden sie öfter kommen?", fragte er mich. Beim reden ging er wieder zum Schatten. Ich stand ebenso auf und nahm meinen Umhang vom Boden auf. Manuel kam wieder aus dem Schatten. Nun trug er einen Beutel auf dem Rücken. „Was ist darin?", fragte ich ihn. „Ich habe zuerst eine Frage gestellt", antwortete er mir mit einem verschmitzten grinsen. „Ich werde zu besuch kommen, wenn ich es für richtig halte. Aber ich denke schon, dass es in Zukunft öfter zustande kommt." „Gut. Nun ja. Vielleicht ist in meinem Beutel etwas, was anderen gehörte." Mit einem Grinsen drehte Manuel sich um und ging. Diebesgut. Ich schüttelte leicht lachend den Kopf. Manuel war ein tu nicht gut. Aber seine Art faszinierte mich.
Ich nahm meine Sachen und führte mein Pferd wieder zurück zum großen Weg. Auf dem Marktplatz war noch immer reges Treiben. Nur sang eine Frau, mit langem blonden Haar, auf der Bühne zu den Klängen einer Harfe. Die Leute schauten zu ihr und wankten sachte hin und her. Ich hatte noch nie so einen schönen Gesang gehört. Es klang wie die Stimme eines Engels. Dennoch löste ich mich schnell von ihr und ging einen anderen Weg entlang, wo es wieder ruhiger wurde. Ich wusste nicht so recht, wie ich den Leuten auf der Straße das Essen geben sollte. Ich war zu schüchtern und die feiernden Leute wollte ich auf keinen Fall stören.
Ich schlenderte durch das Dorf und sah dann einen Mann mit zwei Kindern, vor seinem Haus, auf der Treppe sitzen. Ich ging zu ihnen. „Seid gegrüßt, verehrter Herr." Er und seine Kinder sahen zu mir hoch. „Seid gegrüßt, fremder", kam es von ihm. Die Kinder sahen mich nur mit großen Augen an. Auch sie kannten mich anscheinend nicht. „Wieso sind sie nicht auf dem Fest?", fragte ich. „Meine Frau ist krank. Da kann ich mich nicht soweit entfernen und zum Feiern ist uns nicht." In allen drei Augenpaaren erkannte ich Trauer und Sorge um die Mutter der Kinder. Wieso hatte ich nicht an Medizin gedacht. Ich nahm schnell meinen Beutel. Der Mann hatte sich währenddessen aufgerichtet „Nehmen sie. Ich kann keine Medizin bieten. Nicht heute. Aber nehmen sie das fürs Erste." Ich drückte ihm den Beutel gegen die Brust. „Was ist das?", fragte der Mann nur irritiert. „Nahrung." Er hielt den Beutel fest und machte ihn auf. Als er sah, was sich drin befand staunte er nicht schlecht. „Wie können sie sich das leisten? Wer sind sie?" Ich hagerte mit mir selbst. Ganz so recht wusste ich nicht, ob ich meinen Namen und somit meinen Stand verraten sollte. „Das tut nichts zur Sache. Ich helfe nur gerne. Wenn ich es auftreiben kann, bringe ich morgen Medizin. Was hat ihre Frau, wenn ich mir diese Frage erlauben darf."
Die Kinder standen nun auch ganz aufgeregt dort. Beide knabbernd an einer Wurst. Der Anblick machte mich wirklich unfassbar fröhlich. „Sie hat Fieber. Ich denke nicht, dass man da noch sehr viel tun kann." Traurig sah er zu Boden. „Ich werde schauen, was ich machen kann. Gebt die Hoffnung nicht auf." „Habet vielen Dank", sagte er demütig. Ich lächelte nur noch und ging dann meinen Weg weiter, hinaus aus das Dorf und sofort Richtung Schloss.
DU LIEST GERADE
Unerklärliche Liebe / Kürbistumor
FanficDer Prinz des Landes ist ein gutherziger Mensch. Er kann die Sitten der Zeit nicht nachvollziehen. Die Reichen stehen über den Armen und ihnen zu Helfen, das würde von seinen Vater, dem König, niemals in Frage kommen. Doch als der Prinz eines Tages...