Teil 9

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Der Tod seiner Frau ließ mich nicht los. Wieder wurde mir das Leid der Leute hier vor Augen gehalten. Am Rande des Weges stand eine ältere Dame und bettelte nach Almosen. Lächelnd ging ich auf sie zu und legte ihr zwei Goldtaler in die Hände, die vor Schmutz schon ganz braun waren. „Habet Dank, oh haben sie vielen Dank." Sie verbeugte sich tief vor mir. „Haben sie Hunger?", fragte ich zudem noch. Die Dame schaute mich mit ihren grauen Augen an. „Hier." Ich holte Käse aus meinem Beutel und gab es ihr. „Essen sie. Das tut gut." Die Dame nahm auch das Stück Käse und biss zaghaft hinein. Lächelnd drehte ich mich weg und ging.

Lange hatte ich mich selbst nicht mehr so erfüllt gefühlt. Es schien, als hätte ich endlich eine Aufgabe, die nicht nur mich glücklich machte. Ich ging weiter, immer weiter. Am heutigen Tag war auf dem Marktplatz sehr wenig los. Das Podest war schon wieder verschwunden. Ebenso die Banner zwischen den Häusern. Alles war so, wie am ersten Tage.

Ich traf auf dem Weg zum Brunnen einige Leute, die ich mit etwas Brot, Wurst oder Käse versorgte. Immer waren sie alle dankbar und wollten meinen Namen wissen. Doch ich behielt ihn für mich. Mein Beutel wurde immer leerer und leerer und als ich an der Gasse ankam, die mich zu Manuel führte, war er leer. Nun trug ich drei leere mit mir herum. Ich schulterte sie und ging die Gasse entlang. Am Brunnen setzte ich mich wieder auf meinen Mantel und wartete. Im Schatten erkannte ich keine Person. Ich schätzte, er war noch unterwegs. Also lehnte ich mich zurück und wartete in der Sonne auf Manuel.

Als ich kurz davor war einzuschlafen, kickte mir wer gegen den Fuß. Erschrocken zuckte ich zusammen und schaute in das Gesicht Manuels. „Du bist schon wieder gekommen", sagte er grinsend. Ich rappelte mich auf und klopfte mir etwas Staub von meinem Hinterteil. „Ich wollte sehen, ob es dir gut geht." Manuel hob eine Augenbraue. „Wieso interessiert es dich?", fragte er. Ich seufzte. „Ich möchte mich mehr um das Wohl des Volkes kümmern, solange Vater es nicht tut. Mir sind als Prinz die Hände gebunden. Ich habe kein Recht darauf seine Meinung umzustimmen. Nur er darf bestimmen, ob hier etwas getan wird oder nicht." Manuel nickte. „Das was du tust spricht sich rum." Ich horchte auf. „Das ist doch gut?", fragte ich. Manuel klatschte mit der Handfläche gegen seine Stirn. „Wenn du meinst, der König duldet es nicht, dann ist es nicht gut. Aber auch er wird früher oder später mitbekommen, was du im Schilde führst." „Was er jetzt noch nicht weiß, macht ihn nicht heiß", grinste ich. Auch Manuel musste leicht schmunzeln, bei meinen Worten. „Wenn das so ist." Er verschränkte seine dürren Arme vor seiner Brust und musterte mich.

„Wo versteckst du eigentlich dein Diebesgut?", fragte ich dann. „Das geht dich eigentlich nichts an", gab er gleich darauf zurück, ohne auch nur eine Sekunde pause zwischen meinem und seinen Satz zu lassen. Und dann drehte er sich auf der Hacke um und ging. Verblüfft sah ich ihm nach. Doch er blieb stehen, ehe er aus der Hörweite war. Langsam drehte er sich um und winkte mich zu sich. „Kommst du nun mit, oder willst du dort Wurzeln schlagen?" Mein Herz hüpfte kurz gegen meine Rippen. Schnell hob ich meinen Umhang und die Beutel auf, zog sie auf und folgte ihm. Ich wusste nicht, was er vor hatte. Allerdings siegte in dem Augenblick meine Neugier auf dem Menschen, der er war.

Unerklärliche Liebe / KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt