Teil 27

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Ich hob ihren Schleier an und sah in ihr glückliches Gesicht. Dann sah ich, wie ihre Lippen das zustimmende Wort formten und es gedämpft in mein Ohr drang. Ich war an der Reihe. Wenn ich jetzt zustimme, müsste ich meine Lippen auf ihre legen. Sie küssen. Dann wäre unsere Ehe besiegelt. Prinz und Prinzessin. Und dann würde ich zum König gekrönt werden. König und Königin.

Ihr Lächeln verschwand nach und nach. Ihre Augen wurden unsicher. „Sag dein Part", murmelte Anne zwischen den Zähnen hindurch. Mein Part. Ich schluckte.

„Nein." Anne riss ihre Augen auf. Die Gäste fingen an zu tuscheln und wurden unruhig. „Wie bitte?", murmelte Anne voller Entsetzen. Mir stiegen tränen in die Augen. „Es tut mir leid." Ich ließ ihre Hand los und ging, mit schnellen Schritten, zwischen den Leuten hindurch und raus aus dem Saal.

Die schwere Tür fiel hinter mir zu. Keuchend, weinend, lief ich den Gang entlang. Mir wurde schlecht. Ich hörte, wie sich die Tür wieder öffnete und dann hallten schritte hinter mir. „Patrick!" Es war Vater, der mich rief. Ich blieb an einem Fenster stehen und riss es auf. Mein Hals fühlte sich an wie zugedrückt. Ich brauchte Luft. Schniefend stützte ich mit an den Sims und versuchte meinen Atem zu kontrollieren. „Was soll das?", fragte Vater, als er mich erreicht hatte. Ich sah nur kurz in sein Gesicht, sagte aber nichts. „Ich rede mit dir." Er packte mich an der Schulter und drehte mich unsanft zu sich. „Wieso ziehst du unsere Familie in den Dreck?" Finster blickte er mir in die Augen. Das Seil, was um meinen Hals schnürte, schien noch mehr zu spannen. „Ich kann sie nicht heiraten", keuchte ich. „Du gehst jetzt da rein!" Vater packte mich am Arm und versuchte mich mitzuschleifen. Ich wehrte mich mit vollem Körpereinsatz. „Nein!" „Doch!" Ich ließ mich weinend auf den Boden sinken, woraufhin Vater losließ. „Hör auf zu heulen und steh auf. Du musst deine Pflicht erfüllen." „Ich kann sie nicht heiraten!", schrie ich zurück. Meine lauten Worte hallten wieder. Vermutlich hatte jeder Gast meine Worte gehört. Und auch Anne. Manuel. „Wieso kannst du es nicht?" Vater hockte sich vor mich hin. Als würde er versuchen verständnisvoll zu wirken. Doch ich wusste, er war sauer. „Ich kann es nicht." Ich griff um meine Knie. „Jeder Prinz muss heiraten, um König zu werden. Du brauchst eine Königin an deiner Seite." Vater legte seine Hand auf meinen Kopf. „Ich will keine Königin an meiner Seite", wimmerte ich los. „Ich bin verliebt, Vater." Ich hob meine tränenüberströmtes Gesicht an und sah in sein Gesicht. Ich sah es nur verschwommen, doch sah trotzdem seine Unverständnis. „In Anne." „Nein. Nicht in Anne." Mein Herz klopfte mir schmerzhaft gegen die Rippen. „Welche holde hast du kennengelernt? Eine aus dem Dorf, welche nicht das Recht hat, zu unserer Familie zu gehören? Ein armes Bauerntrampel Weibstück?" Ich krampfte meine Arme fester um meine Knie. „Ein Bettlerjunge", schluchzte ich dann. Es war raus. Ich hatte es gesagt. Und zur Strafe, spürte ich Vaters flache Hand an meiner Wange, sodass mein Kopf zur Seite flog, ich das Gleichgewicht verlor und mich auffangen musste, um nicht zur Seite zu fallen.

Unerklärliche Liebe / KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt