er Abstieg war leichter, als ich erwartet hatte. Zwar erforderte er Einiges an Konzentration, doch nach einer Weile hatte ich den Dreh raus. Dennoch fühlte es sich an, als nähme der Weg nach unten Stunden in Anspruch. Aber das lag vielleicht auch einfach an meiner permanenten Angst, abzustürzen.
In dem engen Schacht war es stickig und so stieß ich erleichtert die Luft aus, als ich endlich wieder festen Boden unter meinen Füßen spürte. Auch Sophie gesellte sich nun zu den Männern und mir. Wir befanden uns in einem kleinen, quadratischen Raum mit hohen Decken. Hier war es merklich kühler als in der Röhre über uns. Wer auch immer hier unten die Klimaanlage installiert hatte, er oder sie war mir jetzt schon sympathisch. Ich verzog das Gesicht bei dem Gedanken, dass möglicherweise Robert dafür verantwortlich war.
Die Wände waren weiß getüncht und der Boden mit Dielen aus hellem Holz bedeckt. Irgendwer musste das Licht angeschaltet haben, denn einige Neonröhren tauchten den Raum in ein kühles Licht. Noch sah diese Organisation nicht sehr einladend aus.
Am Ende des Raumes erkannte ich eine unscheinbare, weiße Tür, über der eine Überwachungskamera hing, die sich mit einem summenden Geräusch drehte, um den ganzen Raum überblicken zu können.
Während ich mir den Staub, den der Schacht an mir hinterlassen hatte, von den Kleidern klopfte, drückte Tim auf einen Knopf rechts neben der Tür, der an eine Klingel erinnerte. Mein Verdacht bestätigte sich, als nur wenige Sekunden später ein stämmiger Mann in schwarzer Kleidung und mit einer dunklen Sonnenbrille aufmachte. Er musterte uns alle kurz und schien dann Sophie, Tim und Robert zu erkennen. Ausdruckslos nickte er ihnen zu und ließ sie einzutreten. Ich wollte schon hinter den dreien durch die Tür schlüpfen, als der Mann mich mit einer seiner riesigen Pranken an der Schulter zurückhielt.
»Fremde haben hier keinen Zutritt«, brummte er. »Wie heißt du?«
»Ähm, Luna«, stotterte ich erschrocken und sah mich nervös nach allen Seiten um. hatte doch gesehen, dass ich zu Sophie, Tim und Robert gehörte, oder nicht? Es war mir ein Rätsel, weshalb ich dennoch nicht passieren durfte.
»Sie darf rein«, mischte sich nun Sophie in unser Gespräch ein.
Der Mann zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen. »Wer hier rein darf und wer nicht, entscheide noch immer ich, schon vergessen?«
Tim seufzte. »Sie besitzt noch ihre Fantasie. Also lass sie durch.«
»Ach so«, murmelte der Mann mit gelangweilter Miene. »Dann geh halt.« Mir schien, als sei er enttäuscht über die Tatsache, dass ich kein Einbrecher war. Vielleicht geschah hier unten so wenig, dass er es langsam leid war, den lieben langen Tag an der Tür zu stehen, ohne sein Talent als Türsteher unter Beweis stellen zu können. Irgendwie beruhigte mich dieser Gedanke.
Bevor er es sich jedoch anders überlegen konnte, huschte ich durch die Tür, die nur wenige Sekunden später hinter mir ins Schloss fiel. Wir befanden uns nun in einem langen Gang, der dem Stil des Zimmer von gerade eben ähnelte. Jedoch waren die Wände nicht weiß und trist, sondern waren mit sonnengelbem Putz versehen worden. An den Wänden hingen alle paar Meter kleine Gemälde. Einige sahen aus, als hätte sie ein kleines Kind gemalt, andere hingegen wirkten sehr professionell.
Wir liefen schweigend auf das andere Ende des Ganges zu. Währenddessen passierten wir etliche Bilder, einige schlichte Türen, aber auch einen Aufzug und eine Glastür, hinter der sich ein Treppenhaus befand.
Uns allen schienen die Worte ausgegangen zu sein, denn mittlerweile war nichts mehr zu hören außer unserem Atmen und unseren Schritten auf dem Holzboden.
Am Ende des Flurs öffnete Robert die große, schwere Feuerschutztür, hinter der sich ein großer, kreisförmiger Raum befand. Sofort stieg mir der Geruch von Essen in die Nase und laute Stimmen drangen an mein Ohr. Auch hier waren die Wände gelb, doch anstatt von Neonröhren verbreitete hier eine fußballgroße Kugel Tageslicht, das so echt wirkte, dass es im ersten Moment so aussah, als würde von irgendwoher die Sonne durch ein Fenster scheinen.
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Als die Fantasie Grenzen bekam
Fiksi Ilmiah2184: Luna lebt in einer Welt, in der es keine Fantasie mehr gibt. Von der Regierung wird sie den Menschen bereits bei ihrer Geburt entzogen. Allein den Umständen ihrer Geburt hat Luna zu verdanken, dass sie eine der Einzigen ist, die ihre Fantasie...