»Was?!« Nun war es an mir, zu schreien, doch sofort presste ich mir erschrocken die Hand auf den Mund. »Verdammte Scheiße«, stimmte Sam mir zu. »Was machen wir denn jetzt?«
Robert seufzte resigniert. »Ich hatte eigentlich gehofft, dass ihr mir diese Frage beantworten könnt.«
»Wir?« Sams Stimme klang beinahe empört. »Wir sind zwei Teenager und du ein Erwachsener, der regelmäßig bei der Regierung spioniert und einen der obersten Posten in der OMF besitzt. Du solltest doch wissen, was zu tun ist.«
Ich legte meine Hand dorthin, wo ich Sams Schulter vermutete. Meine Ahnung bestätigte sich, als ich einen runden Knochen unter meiner Handfläche spürte. »Sam, er hat viel durchgemacht diese Nacht.«
Er schnaubte. »Ich hab auch viel durchgemacht.« Doch ich hörte seiner Stimme an, dass er sich meine Worte etwas zu Herzen genommen haben musste. Auch wenn er Robert wegen dem Misstrauen, das er mir zu Unrecht entgegengebracht hatte, nicht leiden konnte, so hatte er genug Mitgefühl, um Robert zu verstehen – da war ich mir sicher.
»Lasst uns einfach gemeinsam nach einer Lösung suchen«, schlug ich vor und wusste nicht, woher ich den Optimismus nahm, den ich in meine Stimme legte. Es war mir eben schon immer leichter gefallen, andere aufzumuntern, als mich selbst.
»Etwas Anderes bleibt uns wohl sowieso nicht übrig, was?« Roberts Stimme klang niedergeschlagen und so dünn, dass ich befürchtete, er könnte jeden Moment zu weinen beginnen. Ob ich ihn mit meinen Worten an Sophie erinnert hatte? Dabei musste er doch mit den Gedanken ohnehin die ganze Zeit über bei ihr sein, oder nicht? Trotzdem überkam mich ein schlechtes Gewissen und auch mir trieb das Bild von Sophie, die blutüberströmt auf dem Küchenboden lag, erneut Tränen in die Augen. Schnell schluckte ich sie hinunter.
»Sieht so aus.« Das war Sam. »Ich denke, zuerst einmal sollten wir uns um die anderen Bewohner kümmern und sie auf den neuesten Stand bringen. Da solltest du, Luna, am besten nicht dabei sein.«
Ich verschränkte empört die Arme vor der Brust und runzelte die Stirn, obwohl ich mir darüber bewusst war, dass Sam dies nicht sehen konnte. »Wieso?«
»Weil sie denken, dass du die Verräterin bist. Sie werden dir nicht glauben, egal wie wahr es ist, was du ihnen erzählst. Am besten wir sagen, dass du längst verbannt wurdest«, schlug er vor.
Das klang einleuchtend. »Na gut. Aber wie viel wollt ihr ihnen erzählen?«
»Auf jeden Fall nur das Nötigste«, bestimmte Robert. »Wie es um Richard steht und dass die Regierung die Möglichkeit hat, zu uns einzudringen, ohne dass wir es verhindern können. Vielleicht schaffen wir es, alle Bewohner in diesen Besenkammern bei den Toiletten unterzubringen. Wie viele von denen gibt es denn insgesamt?«
Ich runzelte die Stirn. »Wenn mich nicht alles täuscht, vier. Auf jedem Stockwerk zwei.«
Sam stöhnte. »Das reicht nie im Leben.«
»Und wenn wir kämpfen?« Mir kam der Gedanke so unvermittelt, dass ich ihn bereits aussprach, bevor ich überhaupt über dessen genauere Bedeutung nachdenken konnte.
»Du meinst, wir verlassen die OMF und bekämpfen die Regierung? Nie im Leben! Wir haben doch nicht einmal mehr Waffen, da Tim sie alle zerstört oder geklaut hat«, sagte Robert fassungslos.
Aber ich schüttelte den Kopf. »Nein, so meine ich das nicht. Wir könnten die Eingänge bewachen und die Leute von der Regierung außer Gefecht setzen, wenn sie...« Ich brach ab. In dem Moment, in dem ich meine Gedanken aussprach, bemerkte ich, wie hirnrissig meine Idee war. Die Regierung würde sich nicht von ein paar mit Küchenmessern bewaffneten Männern aufhalten lassen. Wir hatten nicht die geringste Chance gegen sie. Ich seufzte. »Ach, keine Ahnung.«
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Als die Fantasie Grenzen bekam
Science Fiction2184: Luna lebt in einer Welt, in der es keine Fantasie mehr gibt. Von der Regierung wird sie den Menschen bereits bei ihrer Geburt entzogen. Allein den Umständen ihrer Geburt hat Luna zu verdanken, dass sie eine der Einzigen ist, die ihre Fantasie...