Sophie brachte Marilyn und mich zurück in unser Zimmer und gab uns die Anweisung, den Raum nicht zu verlassen. Eigentlich hätte das für alle spätestens nach Richards Durchsage, die er vor ein paar Minuten gemacht hatte, klar gewesen sein. Doch mich ließ das Gefühl nicht los, dass Sophie bei uns auf Nummer Sicher gehen wollte. Ich spürte ein leichtes Piksen in der Brust, aber um ehrlich zu sein, konnte ich es ihr nicht verübeln. Schließlich waren Sam und ich noch vor etwa einer Stunde verbotenerweise durch den Notausgang nach draußen entwischt.
»Sophie?«
»Ja?« Sie war im Begriff, das Zimmer zu verlassen, doch als sie meine Stimme hörte, wandte sich noch einmal zu mir um.
»Ich war das nicht. Wirklich.«
Sophie seufzte tief. »Es tut mir leid, Luna.«
»Aber es stimmt, ich habe die OMF nicht verraten! Irgendjemand muss mein Handy gehackt haben und -«, setzte ich an, doch Sophie hob die Hand und brachte mich mit dieser Geste zum Verstummen. Auf einmal wirkte sie erschöpft, als habe sie soeben einen Tausendmeterlauf hinter sich gebracht. Doch da war noch etwas anderes. Zuerst konnte ich es nicht ganz definieren, doch dann erkannte ich, was es war. Enttäuschung. Sie glaubte tatsächlich, dass ich die Verräterin war. Sie ging fest davon aus, dass ich ihr Vertrauen missbraucht hatte.
»Luna. Alles deutet darauf hin, okay? Geh jetzt bitte schlafen, morgen sehen wir weiter.«
Ehe die Tür hinter mir ins Schloss fiel, nickte ich betrübt und wandte schnell den Kopf ab, um die Verletztheit und die Tränen der Verzweiflung zu verbergen, die in meinen Augen glänzten.
Niemand glaubte mir. Richard nicht, Sophie nicht, Tim nicht und Robert schon gar nicht. Niemand hatte an meiner Schuld gezweifelt. Ausnahmslos alle glaubten, dass ich die Verräterin war. Nur was Marilyn und Sam anging, konnte ich mir nicht ganz sicher sein. Sam hatte von alldem schließlich noch nichts mitbekommen und Marilyn hatte die ganze Zeit über eine unbeteiligte Miene aufgesetzt, die es unmöglich gemachte hatte, sie zu durchschauen.
»Marilyn«, begann ich zögerlich. »Ich weiß, alle Anzeichen deuten darauf hin, dass ich der Organisation Informationen zukommen lasse. Aber ich bin keine Verräterin. Ich habe rein gar nichts damit zu tun.«
»Ich weiß.« Sie begann, sich das weiße Handtuch, das sie um ihre einst feuchten Haare gewickelt hatte, vom Kopf zu ziehen.
»Was?«, fragte ich verwundert.
»Ich glaube nicht, dass du die Verräterin bist«, stellte Marilyn zu meiner Überraschung richtig und ging dazu über, ihre Haare zu kämmen. »Ich weiß, dass du nicht die Verräterin bist. Du würdest so etwas nie im Leben tun, dafür bist du viel zu nett und besitzt viel zu viel Skrupel.«
»Wirklich?« Die wenn auch leise Hoffnung in meiner Stimme musste unüberhörbar sein.
Marilyn nickte und lächelte zaghaft. »Wirklich.«
»Das heißt, du vertraust mir noch?«
Wieder nickte sie.
Ich seufzte. »Damit bist du wohl die Einzige.« Erschöpft sank ich in die Polster unseres Sofas. »Und du hast keine Angst, dass ich jeden Moment die Leute der Regierung in unser Zimmer lasse und wir dir deine Fantasie entziehen? Du glaubst wirklich, dass ich mit alldem nichts am Hut habe?«
»Natürlich, was denkst du denn? Du bist meine beste Freundin, ich kenne dich doch und weiß ganz genau, dass du keiner Fliege etwas zu leide tun kannst.« Sie zögerte einen Moment, doch dann gab sie sich einen Ruck. »Soll ... soll ich es dir beweisen?«
»Wie willst du mir das beweisen?«
Wortlos legte Marilyn ihre Haarbürste beiseite und ergriff meinen Arm. Sie zog mich auf die Beine und führte mich zu ihrem Bett, dessen unteren Teil sie mit dunkelblauem Stoff verdeckt hatte. Niemandem hatte sie je erzählt, was sich darunter befand. Nicht einmal mir, ihrer besten Freundin, mit der sie sonst immer alle Geheimnisse teilte. Sie hatte es damit begründet, dass manche Dinge so schmerzhaft seien, dass man sie mit niemandem teilen konnte, und ich hatte es akzeptiert. Schließlich hatte auch ich das ein oder andere Geheimnis vor ihr. Jedenfalls was Sam betraf.
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Als die Fantasie Grenzen bekam
Ficção Científica2184: Luna lebt in einer Welt, in der es keine Fantasie mehr gibt. Von der Regierung wird sie den Menschen bereits bei ihrer Geburt entzogen. Allein den Umständen ihrer Geburt hat Luna zu verdanken, dass sie eine der Einzigen ist, die ihre Fantasie...