Wir konnten ihn nirgends finden. Obwohl Sam, Robert und ich uns aufteilten und beinahe die gesamte Organisation auf den Kopf stellten – jedenfalls, so gut das möglich war, ohne die Wachposten auf uns aufmerksam zu machen - , blieb Richard verschwunden – was uns zu dem Schluss brachte, dass er sich tatsächlich in seinem Zimmer befinden musste. Wenn uns Richard also nicht die Tür öffnete, mussten wir uns wohl oder übel selbst Zutritt verschaffen, denn die Zeit lief uns davon.
Es war bereits vier Uhr morgens, als wir verzweifelt wieder vor Richards Büro zum Stehen kamen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Regierung uns fand – wenn das nicht schon längst geschehen war. Hatte Richard denn gar keinen Plan? Die ganzen Bewohner der OMF vertrauten ihm – ihr Schicksal lag in seinen Händen. Nicht einmal eine Durchsage hatte er gemacht, um uns auf den neuesten Stand zu bringen. Ob er sich um das Sicherheitssystem gekümmert hatte? Ob er das Passwort geändert und alle Türen wieder sicher verschlossen hatte? Mein Gott, ich hoffte es. Denn das war der Grund, wieso ich zu ihm gehen wollte. Natürlich, weil ich wissen wollte, wie es jetzt mit mir weiterging, aber auch, weil ich sicher gehen wollte, dass er Tims Pfusch rückgängig gemacht hatte. Robert und ich waren die Einzigen hier, die die ganze Wahrheit kannten, und aus irgendeinem Grund fühlte ich mich deshalb dafür verantwortlich, den Bewohnern der Organisation zu helfen. Zu irgendetwas musste mein verbotenes Wissen doch gut sein.
Während ich noch immer in Gedanken versunken war, machte Sam sich an der Tür zu schaffen. Sie war nicht gerade das, was man normalerweise als einbruchssicher bezeichnete, und zudem schon recht alt. Und so bedurfte es nur etwas Draht, den Sam im Kunstsaal aufgetrieben hatte, und einer Prise Geschick, um sie zu öffnen.
Sam spähte als Erster durch den Türspalt, ehe er die Tür ganz öffnete. Ich warf einen Blick über seine Schulter ins Innere des Büros und erwartete bereits einen völlig ausgelaugten Richard schlafend auf seinem Schreibtischstuhl sitzen zu sehen. Doch zuerst einmal war da nur Dunkelheit, nichts als pechschwarze Dunkelheit.
Der noch immer recht labile Robert, der die ganze Zeit über kein Wort gesprochen hatte, trat nun auch einen Schritt auf die Tür zu, um einen Blick ins Zimmer zu erhaschen. Er runzelte die Stirn. »Er ist also doch nicht da.« Seine Stimme klang dünn und tonlos. Ich kannte dieses Gefühl. Es machte sich in der Kehle breit, schwoll immer mehr an, und wenn man auch nur ein bisschen zu laut sprach, wanderte es blitzschnell nach oben und drückte ohne Erbarmen auch die letzten Tränen nach außen.
»Vielleicht ist er gar nicht im Büro, sondern in seinem Zimmer?«, mutmaßte ich und legte Hoffnung in meine Stimme, ohne zu wissen, woher ich diese plötzlich nahm. Aus meinem Inneren konnte sie zumindest nicht stammen.
»An«, war Sams Antwort und sofort entflammte das Licht an der Decke.
Robert drängte sich an mir vorbei, um besser sehen zu können, und gemeinsam traten Sam und Robert ein. Ich folgte ihnen.
Nach nur wenigen Schritten blieb Sam wie angewurzelt stehen. Ich runzelte die Stirn. »Was ist? Ist Richard da?« Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, doch ich konnte nichts sehen. Wieder einmal verfluchte ich mich dafür, dass ich so klein geblieben war.
Nun wandte auch Robert den Kopf. »Fuck!« Sein Schrei hallte durch das Zimmer und den ganzen Gang. Unwillkürlich schloss ich die Tür hinter uns und drängte mich neben Sam, der noch immer wie erstarrt dastand, während Robert mit seiner Schimpftirade fortfuhr, gegen Möbel und Wände trat und sich die Seele aus dem Leib schrie.
Und da sah auch ich es.
Oder besser gesagt ihn.
Er lag auf dem Boden an der Wand gegenüber der Tür. Die Augen geschlossen. Blass. Statuenhaft. Nur das Blut floss und ließ sich von der Stille und Reglosigkeit nicht beirren, die hier allgegenwärtig war. Die rote Flüssigkeit rann Richard aus einer Wunde am Hinterkopf, die er sich bei seinem Sturz zugezogen haben musste. Doch eine Frage blieb. Warum war er gestürzt? Und vor allem: War er noch am Leben?
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Als die Fantasie Grenzen bekam
Science Fiction2184: Luna lebt in einer Welt, in der es keine Fantasie mehr gibt. Von der Regierung wird sie den Menschen bereits bei ihrer Geburt entzogen. Allein den Umständen ihrer Geburt hat Luna zu verdanken, dass sie eine der Einzigen ist, die ihre Fantasie...