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Verdammt. Ich hatte es ja gewusst. Es hatte ja so kommen müssen. Ich wandte mich an Sam. »Hast du vorher den Spiegel hinter dir zugemacht?«, wisperte ich und hielt den Atem an.

Er schwieg, doch ich sah die leichte Panik in seinen Augen.

»Sam!«, zischte ich eindringlich. »Hast du die Tür wieder geschlossen?«

Er seufzte gequält auf. »Nein, hab ich nicht. Aber ich hatte keine andere Wahl. Die Spiegeltür lässt sich nur von der Seite der Sporthalle öffnen, weil sie nur ein Notausgang ist, falls die Regierung uns finden sollte. Die Architekten sind wohl davon ausgegangen, dass man die Tür nur benutzt, wenn man nicht vorhat, wiederzukommen.«

Ich seufzte resigniert und fuhr mir erschöpft mit der Hand über die Augen. »Und was machen wir jetzt?«

Sam zuckte nur die Schultern und kratzte sich ratlos am Kopf. »Vielleicht haben sie die offene Luke ja noch gar nicht bemerkt?«

Sowie die Worte seinen Mund verlassen hatten, hörte ich Schuhe auf Metallstufen. Die Stimmen gewannen an Lautstärke.

»Hört sich nicht so an.«

»Scheiße«, murmelte Sam.

»Ach«, erwiderte ich trocken.

Inzwischen waren die Personen so nah, dass ich jedes einzelne Wort verstehen konnte. »Da muss einfach jemand sein«, tönte Roberts Stimme tief unter uns aus dem Schacht.

»Das ist mir auch klar«, entgegnete Tim. »Aber wenn du so einen Radau machst, ist dieser Jemand verschwunden, bevor wir überhaupt oben ankommen.«

Irgendwer grummelte zustimmend. Ich tippte auf Richard, da er eine recht tiefe Stimme hatte.

Ein Kopf erschien in der Luke und bestätigte meinen Verdacht. Der Mond leuchtete so hell, dass ich auch auf die Entfernung sehen konnte, dass Richard misstrauisch die Augenbrauen zusammenzog.

»Luna? Sam?«, fragte er. »Was macht ihr denn hier?«

»Wir haben uns die Sterne angesehen«, erwiderte Sam so unschuldig wie möglich.

Richard kletterte aus der Luke nach oben und musterte uns durch zusammengekniffene Lider. Sein Blick glitt zu unseren ineinander verschränkten Händen. Seine Mundwinkel zuckten, doch er hatte sich wieder im Griff, ehe ihm die Gesichtszüge entgleisen konnten. »Das verstehe ich natürlich, jedoch bin ich mir sicher, dass ihr wusstet, dass man den Notausgang eigentlich nicht betreten darf.«

Ich wollte mich schon bei ihm entschuldigen, doch Sam kam mir zuvor. »Es ist nicht Lunas Schuld. Ich habe sie überredet herzukommen.«

Schon wollte ich ihm widersprechen, doch da erschien Roberts Kopf in der Luke. »Wer ist da?«, brummte er. Das Misstrauen in seiner Stimme war unüberhörbar. Ehe jemand antworten konnte, hatte er uns entdeckt. »Luna mal wieder«, stellte er fest. Lässig trat er auf uns zu. »Kommt dir das nicht etwas komisch vor, Richard?«

Dieser runzelte verwirrt die Stirn. »Was genau meinst du?«

»Na, sie hat die Organisation verlassen«, erklärte er. »Es könnte doch sein, dass sie sich hier mit jemandem von der Regierung getroffen hat. Schließlich haben wir gerade eben auf dem Radar gesehen, dass eine Truppe der Armee sich der OMF nähert.«

»Worauf willst du hinaus?«, fragte ich. Unbeabsichtigt lag etwas Lauerndes in meinem Tonfall. Dabei konnte ich mir bereits denken, was für Anschuldigungen mich gleich erwarteten.

Robert bestätigte meinen Verdacht, als er sagte: »Alles deutet darauf hin, dass du die Verräterin bist. Du kamst zu der Zeit hierher, in welcher der Verrat begann. Du verlässt die Organisation, um dir die Sterne anzusehen, und zur selben Zeit bemerken wir, dass die Regierung unsere Spur aufnimmt. Merkst du eigentlich mal was, Richard? Dieses ach so unschuldige Mädchen hat die Regierung hergeholt. Und wegen ihr werden wir vielleicht bald alle unsere Fantasie verlieren!«

Als die Fantasie Grenzen bekamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt