s i e b e n u n d d r e i ß i g

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Als ich erwachte, spürte ich etwas Weiches unter mir. Ich schien in einem Bett zu liegen, über mir hatte jemand eine leichte Decke ausgebreitet. Die Kleidung an meiner Haut fühlte sich seltsam fremd und hart an, als wäre sie aus Kunststoff, und die Nähte kratzten. Einen Spalt breit öffnete ich die Augen, um mich orientieren zu können, doch gleißendes Licht blendete mich, wie die Scheinwerfer eines Fußballstadions, die man direkt über mir erbaut hatte. Sofort übermannte mich erneut die Müdigkeit und ich wollte schon die Augen wieder schließen, zumal ich durch das helle Licht ohnehin nichts erkennen konnte, als ich den Schmerz spürte. Er ließ mich erschrocken zusammenfahren. Urplötzlich war ich hellwach. Panik wallte in mir auf und das Licht, das in meinen Augen brannte, war auf einmal nebensächlich. Ein stechender Schmerz durchzog meinen Bauch, oberhalb meines Bauchnabels. Ruckartig setzte ich mich auf, wodurch das Stechen jedoch nur verstärkt wurde und ich keuchend wieder zurück in meine Kissen sank. Schwer atmend schloss ich wieder die Augen und wartete darauf, dass der Schmerz nachließ. Dann versuchte ich es erneut. Langsam richtete ich mich auf; meine Bettdecke raschelte leise und ich zog sie beiseite, um meinen Bauch zu untersuchen. Durch flatternde Lider erkannte ich das graue Krankenhaushemd, das an meinem Körper hing. Damit ich meinen Bauch begutachten konnten, schob ich es etwas nach oben – und bemerkte, dass ich darunter nichts als eine Unterhose trug. Etwas Weißes stach mir ins Auge, als ich meinen Bauch freigelegt hatte. Ein Verband.

Mein Gehirn arbeitete quälend langsam, dennoch verstand ich Eines: Verband und Krankenhaushemd – das bedeutete, dass ich mich in einem Hospital befand, so glaubte ich jedenfalls. Erst jetzt hob ich den Blick und ließ ihn durch den Raum schweifen. Die Wände waren allesamt weiß – es schien sich also mit großer Wahrscheinlichkeit um ein öffentliches Gebäude zu handeln – und das gleißende Licht sandten die Neonröhren aus, die mit Sicherheit die Hälfte der Deckenfläche einnahmen. Rechts und Links neben dem Bett befanden sich kleine, weiße Geräte, die allesamt blinkten. Und erst da bemerkte ich die Kabel, welche die Maschinen mit meinem Körper verbanden. Dünne Schläuche führten in meine Arme und ich konnte nicht sagen, wie weit sie darin verschwanden. Bei diesem Anblick stieg Übelkeit in mir auf. Was war geschehen, dass ich hier gelandet war? Angestrengt durchforstete ich meine Erinnerungen, doch das letzte, das mir einfiel, war, wie ich durch die Abteiltür des Zugs gestürmt war und den Schmerz gespürt hatte. Denselben wie jetzt. Das Stechen schwoll wieder an, was mich dazu veranlasste, mich wieder hinzulegen. Dennoch hörte ich nicht auf, mich in dem großen, sterilen Raum, in dem nichts als mein Bett stand, umzusehen; als hoffte ich, es würde mir in irgendeiner Weise weiterhelfen, wenn ich jedes noch so kleine Detail mit den Augen aufnahm und in meinem Gedächtnis speicherte. Als ich den Kopf nach links wandte, fiel mir die breite Glasscheibe an der Wand auf, die den Blick freigab auf ein winziges Zimmer dahinter. Hinter der Scheibe stand jemand, doch ich sah noch immer etwas verschwommen, was wohl vor allem an meiner fehlenden Brille lag, und so musste ich die Augen zusammenkneifen, um meine Sicht zu verschärfen.

Sein Anblick verschlug mir für einen Augenblick den Atem und mein Herz machte einen Stolperer. Ich hob meinen rechten Arm, der nicht verkabelt war und rieb mir ungläubig die Augen. Doch ich hatte mich nicht geirrt. Er musste schon seit einer ganzen Weile dort stehen, mit Tränen in den Augen und auf den Wangen, doch jetzt erschien ein trauriges Lächeln auf seinen Lippen. Wie in Trance stand ich auf und taumelte ungeachtet der Kabel in meinem Arm und des Schmerzes, der nun stärker als je zuvor in meinem Inneren aufwallte, auf die Glasscheibe zu. Meine kalten, schweißnassen nackten Füße platschten auf dem glatten Boden und ich musste gekrümmt gehen, um das Stechen in meinem Bauch einigermaßen erträglich zu machen. Die Kabel in meinem linken Arm rutschten hinaus, fielen zu Boden und hinterließen ein unangenehmes Brennen auf meiner Haut, doch ich nahm weder das, noch das Blut, das nun aus den Wunden an meinen Armen quoll, wirklich wahr. Alles schien auf einmal in den Hintergrund zu rücken.

Als die Fantasie Grenzen bekamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt